Der Inhalt hält bildlich nicht das, was das Titelbild verspricht
Die einleitenden Worte der mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Dokumentarfotografin Girón lässt auf spannende Geschichten und Bilder hoffen. Zwei Mal im Jahr wechselt Familie Alarcón mit ihrer Schafherde, 600 Schafen, einige
Ziegen, ein paar Hunden und drei Pferden, zwischen den Sommer- und Winterweiden in Andalusien hin und…mehrDer Inhalt hält bildlich nicht das, was das Titelbild verspricht
Die einleitenden Worte der mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Dokumentarfotografin Girón lässt auf spannende Geschichten und Bilder hoffen. Zwei Mal im Jahr wechselt Familie Alarcón mit ihrer Schafherde, 600 Schafen, einige Ziegen, ein paar Hunden und drei Pferden, zwischen den Sommer- und Winterweiden in Andalusien hin und her, rund 200 Kilometer in acht Tagen. Girón hatte den Zug der Schafe bereits mehrere Jahre lang in beide Richtungen begleitet, als der Journalist Stührenberg den Auftrag erhielt, diesen Zug der Schafe, die sogenannte Transhumanz, zu begleiten und darüber ein Essay zu schreiben.
Er schreibt dann auch auf 14 Seiten einige seiner Erlebnisse nieder. Es sind Alltagsgeschichten, die einen kleinen Einblick in das harte Leben der Schafhirten - die Eltern Alarcón, ihrer beiden Söhne und einen Neffen - gibt. Einen kleinen Einblick allerdings nur, manches bleibt angerissen, nicht detailliert beschrieben. Von der Fotografin gibt es aber gar keine Erlebnisse zu lesen, die sie in ihrer Einleitung anreißt. Aber sie schreibt in ihrer Einleitung, dass sie mit ihren Bildern Stimmungen einfangen möchte.
Macht sie auch, aber da scheiden sich nun die (Fotografen)-Geister. Die ersten elf Bilderseiten sind dunkle, blaue Landschaftsbilder – sie sollten wohl die sehr zeitige Stunde des täglichen Aufbruchs darstellen, einige allerdings sehr ähnliche Bilder, dunkel, eben in der Zeit vor der Morgendämmerung. Dann folgen Bilder vom Schäferehepaar, manche dunkel, manche nur ein Viertel die Seite füllend, in einem Eck, der Rest der Seite ist leer. Weitere Stimmungsbilder, die die Tristheit bei Regen zeigen: Pferdehufe im Schlamm, zwei Pferdeohren (scharf) mit Stirn des Pferdes (unscharf). Auf einem doppelseitigen Bild bricht die Sonne durch die Wolken, doch der Zug der Schafe bleibt blaugrau dunkel. Endlich helle Bilder vom Zug der Schafe. Irgendwann wieder Bilder vom Schäferehepaar, klein, in eine Ecke gestellt, Schäfer von hinten, eine Mauer mit einem Loch in der Mitte, ein doppelseitiges, komplett unscharfes, verwackeltes Bild – Kunst? Möglich, mir gefällt es nicht. Dann ein doppelseitiges Bild eines Pferdes im Galopp, diesmal aber scharf. Es folgen kleine Ausschnittbilder von Pferdemähne, Pferdeauge, immer ein einziges, kleines Bild auf einer ganzen Seite. Wieder eine dunkles Schafherdenbild. Da wären dann zwei sonnige Bilder, wie der blaue Himmel und das Licht auf den Schafen zeigen, aber die Aufnahmen sind dunkel, wie unterbelichtet. Ein Eisenzaun mit Eisenverbindungspfosten im Abendlicht, doppelseitig, keine Schafe, doppelseitiges Lagerfeuerbild ist wieder etwas, was ich mir erwartet habe. Das fast doppelseitige unscharfe Bild bei Nacht von einem sich wegdrehenden Pferd wieder nicht. Auf einem anderen doppelseitigen Bild ist der Nachthimmel zu erkennen, in den Funken des Lagerfeuers als Lichtspuren zu sehen sind.
Kunst? Möglich. Erwarte ich mir bei einem Herdenbild als Titelbild des Buches überwiegend dunkle Bilder, die überwiegend nicht unbedingt im Zusammenhang mit dem Buchtitel „Zug der Schafe“ stehen? Nein. Exakt 24 Bilder, teilweise doppelseitig, inkl. Titelbild und der unscharfen Doppelseite, zeigen Schafe oder Dinge, die man mit Schafen in Verbindung bringt. Irgendwie schade, denn die einleitenden Texte versprechen mehr. Die Fotografin mag sicherlich künstlerisch gut sein, aber ob sich Leser solche Bilder erwarten? Zumal es ja wohl nicht alle Jahre bei beiden Zügen geregnet haben wird. Es fehlen die schönen Seiten des Hirtenlebens, die sonnigen Tage. Ein sehr melancholisches Buch, das mit dem „Zug von Schafen“ eher weniger zu tun hat, mehr mit der Verwirklichung einer spanischen Fotografin.