Ärztliche Diagnosen sind keinesfalls biologische "Realität", sondern Annahmen, die Ärzte sich über die Realität ihrer Patienten machen. Nur der ständige kommunikative Abgleich ärztlicher Interpretationen mit denen des Patienten kann eine gemeinsame Realität als Handlungsgrundlage für das Heilen von Passungsstörungen innerhalb des Körpers oder in den Körper-Umwelt-Beziehungen schaffen. Die Autoren plädieren entsprechend auf verschiedenen Ebenen sowohl für genauere Unterscheidungen als auch für eine bewusste Integration verschiedener biologischer und kultureller Interpretationsmuster in der Medizin: - bei der Konstruktion ärztlicher Interpretationen aufgrund der Annahmen und Beschreibungen von Patienten - in einer Anpassung sprachlicher Äusserungen und Kategorienbildungen an diejenigen von Patienten - in einer bewussten Wahrnehmung sprachlicher Unterscheidungen zwischen Körper, Seele, Geist, Verstand usw. als "künstliche" kulturelle Unterscheidungen - bei Verwendung medizinischer Interpretationsmuster, die in sozialer Abstimmung "kulturell" entstehen, jedoch ohne biologisches Gedächtnis nicht vorstellbar wären - bei Betrachtung des Gehirns als kulturerzeugendes biologisches Interpretationsorgan - bei der Analyse "sprachlicher" Aspekte auf zellulärer Ebene, usw. Die Beiträge verdeutlichen, was unter Zeichenprozessen in der Medizin zu verstehen ist. Sie unterstreichen den hybriden Charakter einer Medizin, die als biokultureller Zeichenprozess historischen Traditionen verschiedener Menschengruppen unterliegt.