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Der um 1580 angelegte Friedhof im mittelfränkischen Georgensgmünd war Begräbnisplatz für eine Reihe umliegender jüdischer Gemeinden und hat noch den beachtlichen Bestand von 1756 erhaltenen Grabsteinen. Die Arbeit des Forschungsteams resultiert in einem Gesamtkatalog aller Grabsteine, deren Inschriften mühevoll entziffert, transkribiert und vom Hauptautor in einem eigenen Beitrag analysiert wurden. Ausführliche Beiträge klären Entstehung und Schicksals des Friedhofs und erzählen die Geschichte des Judentums in den bestattenden Gemeinden. Von besonderem Interesse ist die Erforschung der Riten…mehr

Produktbeschreibung
Der um 1580 angelegte Friedhof im mittelfränkischen Georgensgmünd war Begräbnisplatz für eine Reihe umliegender jüdischer Gemeinden und hat noch den beachtlichen Bestand von 1756 erhaltenen Grabsteinen. Die Arbeit des Forschungsteams resultiert in einem Gesamtkatalog aller Grabsteine, deren Inschriften mühevoll entziffert, transkribiert und vom Hauptautor in einem eigenen Beitrag analysiert wurden. Ausführliche Beiträge klären Entstehung und Schicksals des Friedhofs und erzählen die Geschichte des Judentums in den bestattenden Gemeinden. Von besonderem Interesse ist die Erforschung der Riten des Totenkultes, für die Kuhn alle greifbaren regionalen Überlieferungen ausgewertet hat. Damit liegt hier ein höchst eindringliches Bild eines besonderen jüdischen Friedhofs in Mittelfranken vor.
Autorenporträt
Peter Kuhn, geb. 1938, war von 1966-1972 Assistent Joseph Ratzingers an den Universitäten Tübingen und Regensburg, ist Professor für Judaistik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benediktbeuren.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2006

Einzigartiges Denkmal
Neuer Band über jüdischen Friedhof Georgensgmünd
Von Hans Kratzer
München - Im Jahre 1581 erwarb der Bürger Jakob von Roth in der Gemeinde Georgensgmünd in Mittelfranken eine Begräbnisstätte für seine Familie. Heute gehen die Forscher davon aus, dass dies die Urparzelle des kulturhistorisch einzigartigen jüdischen Friedhofs von Georgensgmünd war. Nach der flächendeckenden Zerstörung jüdischer Zeugnisse und Denkmäler durch die Nazis mutet es fast wie ein Wunder an, dass dieser Friedhof weitgehend unversehrt ist. Seine fast 1800 erhaltenen Steine spiegeln wie eh und je die Grabschriftkultur und die Grabmalkunst des ländlich-kleinstädtischen Judentums in Bayern wider.
Es ist allerdings unübersehbar, dass die Grabinschriften auf dem porösen Sandgestein immer stärker verwittern. Eine Inventarisierung war also dringend geboten. Denn nach dem Verlust vieler jüdischer Archive und Schriftbestände bilden gerade die Grabinschriften einen besonders wertvollen Bestand an Schrift- und Bildzeugnissen der jüdischen Vergangenheit. „Diese steinernen Zeugen, die oft noch bis in das Mittelalter zurückreichen, sind unersetzliche Geschichtsquellen aus der Zeit vor dem Holocaust”, bestätigt auch Generalkonservator Egon Johannes Greipl vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. In vielen Fällen übermitteln die Grabsteine die einzigen noch greifbaren Nachrichten über jüdische Gemeinden und Familien sowie über ihre gesellschaftlich-soziale und ökonomische Gliederung.
Greipls Vorgänger Michael Petzet gab deshalb 1991 eine Dokumentation über den Friedhof von Georgensgmünd in Auftrag, der unter den 124 jüdischen Friedhöfen in Bayern als besonders repräsentativ gilt, weil er vom 16. bis ins 20. Jahrhundert ununterbrochen benützt wurde. Ursprünglich war der 11 179 Quadratmeter umfassende Friedhof Begräbnisplatz für eine Reihe umliegender jüdischer Gemeinden wie Thalmässing, Windsbach, Schwabach, Hilpoltstein und Roth.
Nach 15-jähriger intensiver Arbeit hat jetzt der Judaist Peter Kuhn einen umfangreichen Inventarisationsband vorgelegt, der in der Reihe „Kunstdenkmäler von Bayern” erschienen ist. Er und sein Forschungsteam haben alle noch lesbaren Inschriften entziffert, transkribiert und ausgewertet. Überdies enthält der 700 Seiten starke Band die Geschichte der in Georgensgmünd bestatteten jüdischen Gemeinden, das Entstehen des Friedhofs, die Entwicklung der Grabinschriften und die Riten bei Tod und Begräbnis im fränkischen Landjudentum, wofür der Autor alle greifbaren regionalen Überlieferungen ausgewertet hat.
Als besonders interessant erwies sich die Erforschung der Totenwege, auf denen die Juden ihre Verstorbenen auf den Friedhof brachten. Diese Wege sind heute noch in den Flur- und Forstplänen und im Volksmund als „Judenweg” und „Judenstraße” bekannt. Auf den kilometerweiten Strecken hatten die jüdischen Trauerzüge nicht nur mit Unwettern und schlechten Straßen zu kämpfen, sondern bisweilen auch mit Schikanen und Anfeindungen der Bevölkerung.
Der Denkmalband enthält darüber hinaus die kunstgeschichtliche Würdigung sämtlicher Grabmäler sowie des noch erhaltenen Leichenwaschhauses aus dem 18. Jahrhundert und der Friedhofsmauern. Alles in allem ist dies die bisher umfassendste Dokumentation über einen jüdischen Friedhof in Deutschland. Zur Präsentation des Bandes im Landesamt für Denkmalpflege in München war auch der 87-jährige Joseph Eaton aus Pittsburgh (USA) gekommen. Er stammt aus der einst in Schwabach ansässigen Familie Wechseler, die ihre Toten wie alle Schwabacher Juden in Georgensgmünd bestattete. Er ist einer der letzten Zeitzeugen dieser faszinierenden, aber verloschenen ländlichen Kultur.
Peter Kuhn: Jüdischer Friedhof Georgensgmünd. Die Kunstdenkmäler von Bayern, Neue Folge 6, Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.), 728 Seiten, 78 Euro, ISBN 3-422-06559-8.
Alle 1800 Grabsteine sind jetzt fotografiert und dokumentiert.
Foto: Edelmann
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