Vom Saulus zum Paulus – Geschichte einer Läuterung zur Abschreckung und Warnung
Nach vielen Jahren als Neonazi und Rocker fand Philip Schlaffer zurück in ein bürgerliches Leben. Darüber, wie er in die Szene geriet schreibt er in seinem Buch „Hass. Macht. Gewalt.“ Er schreibt über seine späten
Kinderjahre in Newcastle (die Familie zog für vier Jahre nach Großbritannien, als er zehn Jahre alt war),…mehrVom Saulus zum Paulus – Geschichte einer Läuterung zur Abschreckung und Warnung
Nach vielen Jahren als Neonazi und Rocker fand Philip Schlaffer zurück in ein bürgerliches Leben. Darüber, wie er in die Szene geriet schreibt er in seinem Buch „Hass. Macht. Gewalt.“ Er schreibt über seine späten Kinderjahre in Newcastle (die Familie zog für vier Jahre nach Großbritannien, als er zehn Jahre alt war), seine Jugend in Lübeck und seine Verwandlung vom leidlich braven Sohn zu einem Rechtsrock hörenden (und später produzierenden) Schläger und Hooligan. Von einem, der Alf und Newcastle United mochte und später anderen Menschen Colaflaschen über den Schädel zog oder aus reiner Lust an der Gewalt einfach so in den Rücken trat. Erst eine Haftstrafe rüttelte ihn auf und inzwischen ist er im Internet, aber auch im realen Leben, unterwegs, um Jugendliche davon abzuhalten, seinen Weg in den Extremismus nachzugehen.
Das Buch beschreibt den Werdegang eines verblendeten Menschen. Eines Menschen, der Macht, Geld und Gewalt im Kopf hatte, sonst nichts. Hass, Macht und Gewalt bestimmten sein Leben, aber irgendwann erkannte er, dass Hass Gewalt macht, also erzeugt. Es ist die Geschichte von einem, der irgendwann falsch abgebogen ist, lange gebraucht hat, dann aber seinen Weg gefunden hat. Er suchte Halt und fand ihn in der Naziwelt, in Verschwörungstheoretiker-Kreisen und in Macht, Geld und Gewalt. Zwar schreibt er bei einigen seiner Aktionen, es sei ihm nicht bewusst gewesen, was er da überhaupt getan habe – oft kommt aber ein „und wenn doch, wäre es mir egal gewesen“ hinterher. Insgesamt hat er so viele Straftaten verübt, dass er wohl selbst den Überblick verloren hat. „Ich hab das Colaflaschenopfer später mal wiedergetroffen und mich entschuldigt […] Er hat das Ganze wohl auch einigermaßen verkraftet. Es gibt andere Opfer aus jenen Jahren, die mehr gelitten haben.“ Ob ihm diese Einschätzung zusteht, wage ich zu bezweifeln, selbst dann, wenn „das Colaflaschenofper“ ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt ist.
Sprachlich ist das Buch so geschrieben, wie der Verfasser redet. Derbe, manchmal grob und reine Umgangssprache. Das muss man mögen, sonst hat man bei der Lektüre keine Freude. Man stolpert darüber, dass die Freundin „horny“ ist und ein „F***“ angesagt ist. Inhaltlich nährt er jedes Klischee, das über Rechtsextremisten und Rocker kursiert (ich habe unter anderem die Biografien der dänischen Rocker Torben C-Bonhardt und Brian Sandberg gelesen): viel Alkohol, American-Staffordshire-Terrier, Kameradschaft, Begeisterung für nordische Mythologie und so weiter.
Das Buch ist interessant, aufrüttelnd und manches ist erschreckend. Vor allem schockierte es mich, dass Philip Schlaffers Eltern ihrem damals schon offen rechtsradikalen Sohn aus dem Urlaub eine Kalaschnikow mitbrachten. Insgesamt fand ich die ersten vier Teile des Buchs eine runde Sache, beim letzten Teil fehlt mir der wirkliche Schluss – der Autor hat die Kurve gekriegt, das Buch für mich nicht wirklich. Die Motivation, wieso er ausgestiegen ist, der tatsächliche Weg, alles in allem fehlt mir ein „danach“ und ein „jetzt“. Was ich über seinen Verein „Extremislos“ weiß, weiß ich nicht aus dem Buch, sondern aus dem Internet. Daher ist der Schluss für mich nicht rund, bietet allerdings natürlich Potenzial für ein weiteres Buch. Trotzdem: es ist eine beeindruckende Wandlung, die er durchgemacht hat, er hat sein Leben in einem lesenswerten Buch verarbeitet. Für mich hat es ein paar Schönheitsfehler und ich vergebe 4 Sterne.