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Endlich eine Neuauflage des lange vergriffenen Standardwerks!Traurig, aber wahr: Die "Väter" der Zweiten Republik waren so gut wie nicht daran interessiert, die in der NS-Zeit geschädigten Juden zu unterstützen. Vielmehr wollten sie Entschädigungsfragen bewußt "in die Länge ziehen". Der britische Historiker Robert Knight, zur Zeit Experte in der österreichischen Historikerkommission, hat in den 80er Jahren brisante Ministerratsprotokolle der Nachkriegszeit vorgelegt. Nun erscheint endlich eine (überarbeitete) Neuauflage des vergriffenen Standardwerks zur Entschädigung der Juden: Im Buch werden…mehr

Produktbeschreibung
Endlich eine Neuauflage des lange vergriffenen Standardwerks!Traurig, aber wahr: Die "Väter" der Zweiten Republik waren so gut wie nicht daran interessiert, die in der NS-Zeit geschädigten Juden zu unterstützen. Vielmehr wollten sie Entschädigungsfragen bewußt "in die Länge ziehen". Der britische Historiker Robert Knight, zur Zeit Experte in der österreichischen Historikerkommission, hat in den 80er Jahren brisante Ministerratsprotokolle der Nachkriegszeit vorgelegt. Nun erscheint endlich eine (überarbeitete) Neuauflage des vergriffenen Standardwerks zur Entschädigung der Juden: Im Buch werden bedeutende Ministerratsprotokolle und Dokumente aus den Jahren 1945 bis 1952 zu den Themen Rückstellung von "arisiertem" Vermögen an Juden und "Displaced Persons" vollständig abgedruckt. Sie zeigen deutlicher als je zuvor die Einstellungen der "Väter" der Zweiten Republik zu jüdischen Fragen, und geben indirekt Aufschluß über die Anschauungen der österreichischen Bevölkerung. In der ausführlichen Einleitung diskutiert Robert Knight Machtfragen und Interessen bei der Restitution von jüdischem Eigentum am Beginn der Zweiten Republik, Österreichs von der Moskauer Deklaration abgeleitete "Opferrolle". Die überarbeitete Neuauflage enthält ein aktuelles Vorwort und erstmals ein Register.
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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.06.2000

„Höchstens, dass man den Juden etwas tut”
Wortlautprotokolle aus Österreich offenbaren Ressentiments, die sich nicht nur in Österreich halten
ROBERT KNIGHT (Hrsg. ): „Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen. ” Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung 1945 bis 1952 über die Entschädigung der Juden. Böhlau Verlag, Wien 2000. 256 Seiten, 49,80 Mark.
Was heute wie eine Ungeheuerlichkeit klingt, war einstmals eine nationale Selbstverständlichkeit: Der staatspolitische Konsens im Umgang mit Ansprüchen enteigneter jüdischer Österreicher bestand, wie Herausgeber Robert Knight feststellt, zweifellos darin, „dass die österreichischen Bundesregierungen der ersten Nachkriegszeit bemüht waren, die Rückstellung von jüdischem Eigentum beziehungsweise dessen Ersatz möglichst abzuwehren. Anfangs wollte man so gut wie gar nichts restituieren, später setzte man auf Hinhaltetaktiken. ” Schon die erste Regierung „versuchte einerseits möglichst viel Reichsdeutsches beziehungsweise Nazi-Eigentum für den österreichischen Staat zu sichern und andererseits jüdische Ansprüche möglichst hintan zu halten”. Österreich habe „nichts gut zu machen, weil es nichts verbrochen habe”, so der spätere ÖVP-Handelsminister Ernst Kolb im Mai 1946.
Mehr als ein Ausrutscher
Der Buchtitel „Ich wäre dafür, dass man die Sache in die Länge zieht”, war wohl prototypisch für die Haltung des offiziellen Österreich. Dies war kein Ausrutscher, es war Programm. Gesprochen wurden jene Worte in einer Ministerratssitzung vom sozialdemokratischen Innenminister Oskar Helmer. In der „Sache” selbst entsprach man damit durchaus der breiten Volksmeinung. Was zusammengeraubt worden war, sollte behalten werden. Nicht einmal die Jahre in den Konzentrationslagern konnten einigen Politikern des neuen Österreich das antisemitische Ressentiment austreiben. Leopold Figl (ÖVP), Bundeskanzler und späterer Außenminister, ein Mann, der das KZ Dachau überlebte, meinte mit Blick auf die Rückkehr der Vertriebenen: „Wir heißen alle Österreicher wieder bei uns willkommen – aber als Österreicher, nicht als Juden. ”
Ausgerechnet den emigrierten Juden warf Landwirtschaftsminister Kraus (ÖVP) vor, dass sie das Land verlassen haben: „Ich weiß aber nicht, wie gerade jetzt eine Rasse besondere Privilegien bekommen soll. Andere, die nicht weggingen, bekommen keine Unterstützung, die Juden aber sollen eine solche erhalten. ” Die herrschende Wortwahl hatte es in sich, sie war oftmals von einer geradezu strangulierenden Unsensibilität, etwa wenn das Protokoll der Ministerratssitzung vom 17. September 1946 über die aus Rumänien vertriebene Menschen jüdischer Herkunft anmerkte: „Es handelt sich dabei hauptsächlich um Reste, die aus den KZ übrig geblieben sind. ”
Für die übrig Gebliebenen hatte man nicht viel übrig. „Die Juden möchten halt rasch reiche Leute werden”, sagte Figl in der Ministerratssitzung vom 14. Januar 1947. Um gleich anzufügen: „Richtig ist jedoch, dass nirgends so wenig Antisemitismus festzustellen ist wie in Österreich und in keinem Land das Volk von einer solchen Duldsamkeit wie bei uns”. Und auch das rote Wien assistierte, „denn der Wiener ist Weltbürger und daher von vorn herein kein Antisemit. Antisemitische Tendenzen sind ihm auch jetzt vollkommen fremd”, schrieb Theodor Körner (SPÖ), damals Bürgermeister der Bundeshauptstadt und später Präsident der Republik, in einem bezeichnenderweise „Das Märchen vom Antisemitismus” lautenden Beitrag, in dem es von Stereotypen wie „Brunnenvergiftung”, „Rufmord an der Heimat” und „gewissen Kreisen” nur so wimmelt.
Robert Knight hat Recht: „Es gibt kaum Indizien dafür, dass sich diese Einstellung durch das Schicksal der Juden im Dritten Reich wesentlich änderte. ” Der Gedanke an eine Gemeinschaft der Opfer, so der Herausgeber, sei in Österreich immer realitätsfern gewesen. Antisemitischen Stimmungen im Stimmvolk sei weitgehend entsprochen worden. Die Notwendigkeit einer Integration unzähliger Nazis ging nicht einher mit einer konsequenten Entnazifizierung. So entwuchs deren Duldung und Integration eine überzeugte und standfeste nationale Real-Fiktion: Was da in finsteren Zeiten geschehen sein mag, sagte man sich, mag für alle Beteiligten irgendwie tragisch gewesen sein. Aber auf die eine oder andere Weise seien schließlich doch alle Opfer gewesen.
Karl Renner (SPÖ), der die Eingliederung Österreichs ins Deutsche Reich 1938 ausdrücklich begrüßte und der 1945 zuerst Staatskanzler und dann bis zu seinem Tod Bundespräsident gewesen ist, sagte zur Entlastung der viel zitierten kleinen Nazis: „Die Sache ist nach meinem Gefühl doch so, dass all diese kleinen Beamten, diese kleinen Bürger und Geschäftsleute bei dem seinerzeitigen Anschluss an die Nazi gar nicht weit tragende Absichten gehabt haben – höchstens, dass man den Juden etwas tut – vor allem aber nicht daran gedacht haben, einen Weltkrieg zu provozieren. ” Der beginnende Kalte Krieg war diesbezüglich ein ausgesprochener Glücksfall, sowohl für „die Ehemaligen” als auch für das neue Österreich. Spätestens im Herbst 1946 verdrängte bei den westlichen Alliierten der Antikommunismus den Antifaschismus. Öffentliche Kritik an der weitgehend ausgebliebenen Entnazifizierung, so glaubte man, spiele den Sowjets in die Hände. Man gelangte zur Auffassung, dass Österreich primär gegenüber Deutschland und als westliches Bollwerk gegen den Weltkommunismus gestärkt werden müsse. Die österreichische Regierung unterlief sukzessive, beispielsweise durch die extensive Anwendung der Begnadigungsmöglichkeiten, das zweite Entnazifizierungsgesetz.
Die „Sache” wurde zweifelsfrei in die Länge gezogen. Dass sie letztlich doch nicht ganz ausgesessen werden konnte, davon zeugen die laufenden Diskussionen, die auch in Österreich trotz einer Regierungsbeteiligung der FPÖ geführt werden – Diskussionen über die inzwischen vereinbarten Entschädigungen für Zwangsarbeiter und über die Rückgabe enteigneten Besitzes, seien es Liegenschaften oder Bilder. Davon zeugt ebenso die noch von der letzten Koalition eingesetzte Historiker-Kommission, der auch Robert Knight angehört. Schade, dass das so manche Nachkriegsgröße nicht mehr erleben darf.
FRANZ SCHANDL
Der Rezensent ist Historiker und Publizist in Wien.
Minister Leopold Figl: „Unser Volk ist duldsam mit den Juden. ”
Foto: SZ
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Autor hat in der noch von der vorherigen Regierungskoalition Österreichs eingesetzte Historikerkommission zur Aufklärung des Umgangs mit Entschädigungsbegehren überlebender Juden des Landes mitgearbeitet, wie Franz Schandl in seiner Besprechung hervorhebt. Knights Dokumentensammlung von O-Tönen zu diesem Thema, und zwar von Politikern aller Parteien, ist ernüchternd, wie die von Schandl angeführten Zitate beweisen. Die Haltung, die im Titel angedeutet ist - es handelt sich dabei um einen Ausspruch des sozialdemokratischen Innenministers Oskar Helmer - "war kein Ausrutscher, es war Programm". Selbst einer, der wie Bundeskanzler Leopold Figl das KZ Dachau überlebt hatte, war dem antisemitischen Reflex nicht abhold. Schandl zitiert ihn aus den Protokollen: `Wir heißen alle Österreicher wieder bei uns willkommen - aber als Österreicher, nicht als Juden.` Ähnlich hartnäckige und abweisende Äußerungen sind gleich nach Kriegsende von allen Beteiligten in österreichischen Regierungskreisen gemacht worden, um Restitutionsansprüche abzuweisen, - ganz im Sinne eines Handelsministers Kolb, der im Mai 1946 verlauten ließ, das Land habe "nichts gut zu machen, weil es nichts verbrochen" habe. Wie in Deutschland verhinderte der bald einsetzende Kalte Krieg eine gründlichere Entnazifizierung auch in Österreich. Aber die jetzt trotz FPÖ-Regierungsbeteiligung selbst in Österreich heute stattfindende Debatte über Entschädigungen von Zwangsarbeitern und die Rückgabe enteigneten Besitzes, so Schandl, beweist, dass das auf Dauer nicht geholfen hat. "Schade", so schließt er seine Besprechung, "dass das so manche Nachkriegsgröße nicht mehr erleben darf."

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