'Deutschlands frechste Literaturzeitschrift' ALEXANDER KISSLER, 'CICERO' 'KRACHKULTUR bleibt rotzige Pflichtlektüre für alle, die von der blutleeren und entkoffeinierten Wellnessliteratur unserer Tage die Nase gestrichen voll haben.' ALEXANDER MÜLLER, 'ROLLING STONE' „KRACHKULTUR ist ein Leuchtfeuer unter den literarischen Zeitschriften.“ ANDREAS PLATTHAUS, „FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG“ Im übertragenen Sinn genommen, bezeichnet das Thema der neuen Ausgabe – „Flüssigdichtstoffe“ – einen bedeutsamen Ursprung des Schöpferischen: flüssige Inspirationsquellen, aus denen gewissermaßen die Dichtung entspringt. Texte also, die von der sowohl fruchtbaren als auch furchtbaren Verquickung von Alkohol und Literatur berichten, sind zu entdecken. Ebenso Werke, in denen kleine Wässerchen, größere Gewässer und ganze Weltmeere thematisiert werden. Nicht zuletzt auch Stücke, die die Präsenz eines der bedeutendsten „Flüssigdichtstoffe“ überhaupt lyrisch und prosaisch feiern: des Unbewussten, das bekanntlich im Wasser das Symbol gefunden hat.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2014Hans Fallada tröstet aus der Haft
Ein bewegender Brief des Schriftstellers aus dem Jahr 1944
"Mücke" nennt er sie, seine "liebe alte Mücke". Dabei ist Lore am 21. September 1944 erst elf Jahre alt, als Rudolf Ditzen aus dem Gefängnis an seine Tochter schreibt. Sie ist die Überlebende eines Zwillingspaars, die Schwester Edith starb bei der Geburt, der Vater, besser bekannt unter seinem Pseudonym Hans Fallada, hatte 1933, kurz vor dem Familiendrama, das erste Mal in Haft gesessen, elf Tage damals nur, doch sie reichten, um ihm die Nazis noch verhasster zu machten, die ihn ihrerseits 1935 zum "unerwünschten Autor" erklärten. Doch er blieb im Land. Im August 1944 wird er nach einem Streit mit seiner von ihm geschiedenen Frau Anna, Mückes Mutter, bei dem ein Schuss fiel, abermals festgenommen, im Gefängnis schreibt er wie im Rausch in zwei Wochen seinen Roman "Der Trinker", danach den erst 2009 veröffentlichten Text "In meinem fremden Land", der mit dem Nationalsozialismus abrechnete. Und dazwischen einen zweiseitigen Brief an Mücke, der jetzt in Rostock gefunden wurde.
In der neuen Ausgabe der Literaturzeitschrift "Krachkultur" ist er abgedruckt, ergänzt durch einen klugen Artikel der langjährigen Fallada-Archivarin Sabine Lange. Fallada beschönigt im Brief seine eigene triste Situation, das Gefängnis schildert er wie ein Krankenhaus, um die Tochter nicht zu ängstigen, stattdessen tröstet er sie, weil sie selbst grippekrank im Bett liegt. Und so kündigt er ihr an, eine Geschichte nur für sie zu schreiben, was er in der bis Dezember währenden Untersuchungshaft tatsächlich auch noch schaffte: "Fridolin, der freche Dachs".
Als dieses Kinderbuch 1954 erschien und sich zum Verkaufsschlager entwickelte, war Fallada sieben Jahre tot. Und Mücke auch schon drei: Lore Ditzen starb 1951 an einer Blutvergiftung. Aber die Liebe des Vaters zur Tochter lebt in diesem herzzerreißenden Brief fort.
apl
"Krachkultur". Nr. 16/2014. Hrsg. von Martin Brinkmann. Krachkultur Verlag, München 2014. 189 S., 5 Abb., br., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein bewegender Brief des Schriftstellers aus dem Jahr 1944
"Mücke" nennt er sie, seine "liebe alte Mücke". Dabei ist Lore am 21. September 1944 erst elf Jahre alt, als Rudolf Ditzen aus dem Gefängnis an seine Tochter schreibt. Sie ist die Überlebende eines Zwillingspaars, die Schwester Edith starb bei der Geburt, der Vater, besser bekannt unter seinem Pseudonym Hans Fallada, hatte 1933, kurz vor dem Familiendrama, das erste Mal in Haft gesessen, elf Tage damals nur, doch sie reichten, um ihm die Nazis noch verhasster zu machten, die ihn ihrerseits 1935 zum "unerwünschten Autor" erklärten. Doch er blieb im Land. Im August 1944 wird er nach einem Streit mit seiner von ihm geschiedenen Frau Anna, Mückes Mutter, bei dem ein Schuss fiel, abermals festgenommen, im Gefängnis schreibt er wie im Rausch in zwei Wochen seinen Roman "Der Trinker", danach den erst 2009 veröffentlichten Text "In meinem fremden Land", der mit dem Nationalsozialismus abrechnete. Und dazwischen einen zweiseitigen Brief an Mücke, der jetzt in Rostock gefunden wurde.
In der neuen Ausgabe der Literaturzeitschrift "Krachkultur" ist er abgedruckt, ergänzt durch einen klugen Artikel der langjährigen Fallada-Archivarin Sabine Lange. Fallada beschönigt im Brief seine eigene triste Situation, das Gefängnis schildert er wie ein Krankenhaus, um die Tochter nicht zu ängstigen, stattdessen tröstet er sie, weil sie selbst grippekrank im Bett liegt. Und so kündigt er ihr an, eine Geschichte nur für sie zu schreiben, was er in der bis Dezember währenden Untersuchungshaft tatsächlich auch noch schaffte: "Fridolin, der freche Dachs".
Als dieses Kinderbuch 1954 erschien und sich zum Verkaufsschlager entwickelte, war Fallada sieben Jahre tot. Und Mücke auch schon drei: Lore Ditzen starb 1951 an einer Blutvergiftung. Aber die Liebe des Vaters zur Tochter lebt in diesem herzzerreißenden Brief fort.
apl
"Krachkultur". Nr. 16/2014. Hrsg. von Martin Brinkmann. Krachkultur Verlag, München 2014. 189 S., 5 Abb., br., 12,- [Euro].
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