Mehr als 50 Jahre nach ihrer Fertigstellung liegt die rechtswissenschaftliche Dissertation von Wilhelm Hennis erstmals gedruckt vor. Im Ansatz steht hier ein Grundgedanke des öffentlichen Rechts, der später in Hennis' politikwissenschaftlichen Schriften zum Tragen kam: Mag für das Privatrecht der Wille die entscheidende Kategorie sein, so steht das öffentliche Recht, in dem es um öffentliche Aufgaben geht, unter anderen Prämissen.
Thema der Dissertation ist der Begriff der Souveränität, in dem Hennis ein Grundproblem des sozialen Zusammenlebens eingefangen sieht.
Die Aktivitäten sogenannter 'Sekten' und 'Psychogruppen' werden im gesellschaft-lichen Bewußtsein seit langem als Bedrohung empfunden. Eine prominente Position innerhalb dieses Spektrums nimmt die Scientology-Organisation ein. Sie wird häufig sogar als 'kriminogenes' System bezeichnet, obwohl strafrechtliche Verurteilungen selten geblieben sind. Bislang fehlt es an Kenntnissen über die Programmatik und die inneren Verhältnisse der Vereinigung, die es erlauben würden, diesen Vorwurf zu verifizieren. Die Arbeit ist aus einem durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung in Auftrag gegebenen interdisziplinären Forschungsprojekt hervorgegangen. Ihre empirische Basis besteht aus einer umfassenden Analyse der Primärliteratur der Organisation sowie einer qualitativ orientierten Befragung von 'Aussteigern'. Die zwischen Scientology und dem einzelnen Anhänger bestehenden Beziehungen werden vor dem Hintergrund der Organisationsstruktur beschrieben und aus strafrechtlicher Sicht bewertet. Die Arbeit wird abgerundet durch Überlegungen zu zivil- und vereinsrechtlichen Fragen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Thema der Dissertation ist der Begriff der Souveränität, in dem Hennis ein Grundproblem des sozialen Zusammenlebens eingefangen sieht.
Die Aktivitäten sogenannter 'Sekten' und 'Psychogruppen' werden im gesellschaft-lichen Bewußtsein seit langem als Bedrohung empfunden. Eine prominente Position innerhalb dieses Spektrums nimmt die Scientology-Organisation ein. Sie wird häufig sogar als 'kriminogenes' System bezeichnet, obwohl strafrechtliche Verurteilungen selten geblieben sind. Bislang fehlt es an Kenntnissen über die Programmatik und die inneren Verhältnisse der Vereinigung, die es erlauben würden, diesen Vorwurf zu verifizieren. Die Arbeit ist aus einem durch das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung in Auftrag gegebenen interdisziplinären Forschungsprojekt hervorgegangen. Ihre empirische Basis besteht aus einer umfassenden Analyse der Primärliteratur der Organisation sowie einer qualitativ orientierten Befragung von 'Aussteigern'. Die zwischen Scientology und dem einzelnen Anhänger bestehenden Beziehungen werden vor dem Hintergrund der Organisationsstruktur beschrieben und aus strafrechtlicher Sicht bewertet. Die Arbeit wird abgerundet durch Überlegungen zu zivil- und vereinsrechtlichen Fragen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.02.2003Viel Feind, viel Mär
Scientology, entblättert: Raik Werner ermittelt die Fakten
Ein herzerwärmend kühles Buch zu einem heißen Thema: Ist jene Organisation, die sich selbst "Church of Scientology International" nennt, eine "Religionsgesellschaft" oder ein Mammutwirtschaftsunternehmen in den Geschäftsbereichen Seelenmassage und Gehirnwäsche? Da Scientology, gegründet 1954 in den Vereinigten Staaten, inzwischen in über 120 Staaten tätig ist, seit 1971 auch in Deutschland, ist die Frage politisch erheblich. Im Grunde ist sie aber nicht zu beantworten. Sie ist selbst religiös. Daß religiöse Wahrheiten und Heilmittel nicht gewinnbringend verkauft werden dürften, ist eine christlich-pietistische Ansicht ziemlich jungen Datums, die der Dominikanerpater Johann Tetzel, der für Albrecht von Hohenzollern, Erzbischof von Mainz, Ablaßbriefe zu Geld gemacht hat und von Luther "Marktschreier" gescholten wurde, gewiß nicht geteilt hat.
Die vorsichtige Zurückhaltung, mit der der Verfasser zu Werke geht, entspricht daher dem Gegenstand und macht seine Beschreibung um so überzeugender. Werner erhebt keine theoretischen Ansprüche und gesteht zu, daß seine Ermittlungen nicht vollständig sein können, zum Beispiel, weil Scientology jede Kooperation verweigert habe. Er will nur den Gerichten, die sich mit "Psychogruppen" beschäftigen müssen, eine durchdachte Kontrolliste mit geordnetem und überprüfbarem Material vorlegen, in und an dem sie sich orientieren können. Das ist ihm glänzend gelungen.
Scientology wird gleichsam entblättert. Zuerst zeigt Werner, wie sich die Organisation selbst versteht und darstellt: als Heilslehre. Dann skizziert er den Stand der kriminologischen, psychiatrischen und psychologischen Diskussion. Die anschließende "Sachverhaltsermittlung" gibt wieder, was er über die Organisation herausgefunden hat. Sie nimmt fast die Hälfte des Buches ein, geordnet nach den beiden Hauptquellen: eigene Publikationen von Scientology und Äußerungen von ehemaligen Teilnehmern, also von Aussteigern. Schon die Beschaffung der Literatur war nicht einfach. Scientology wollte nichts herausrücken, weil sie Eingriffe in die eigene religiös-weltanschauliche Sphäre nicht unterstützen wollte. Werner beklagt sich zu Recht nicht darüber. Er weiß, daß die Organisation allen Mitgliedern die Unterstützung von Gegnern der Organisation streng untersagt. Am Schluß wird der Sachverhalt im wesentlichen überzeugend verfassungs-, straf-, zivil- und vereinsrechtlich gewürdigt.
Gerade weil Werner unüberhörbar betont, seine Erkenntnisquellen seien notgedrungen einseitig, wirkt seine Darstellung glaubwürdig. Der Leser hat die Möglichkeit, die Plausibilität der Aussteigerberichte an der Selbstdarstellung der Organisation zu überprüfen. Spektakuläre Abweichungen ergeben sich nicht. Eine ständig mitlaufende Schwierigkeit wird aber deutlich. Ganz sicher läßt sich selten sagen, ob die Organisation ein Mitglied oder einen "Kunden" geschädigt oder unterdrückt hat oder ob der Teilnehmer freiwillig geleistet, gedient und oft viel Geld gezahlt hat. Aber schockierend hoch sind die "Spenden", Kursgebühren und Arbeitsleistungen nicht, wie drei Tabellen belegen. In einem repräsentativen Fall hat jemand in zwanzig Jahren 200 000 Mark an die Organisation gezahlt. Das sind weniger als eintausend Mark im Monat. So viel verlangen private Krankenversicherungen auch.
Insgesamt gewinnt man den Eindruck, als seien die Gefahren, die von Scientology ausgehen, nicht so groß wie allgemein angenommen. Gelegentlich wirken die Kritiker etwas uninformiert, so, wenn das Bundesarbeitsgericht meint: "Gegen die Annahme eines religiösen Charakters sprechen zudem die ,menschenverachtenden Anschauungen' in der Lehre der Scientology, die mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar sind." Offenbar hat das Gericht noch nie von religiösem Fundamentalismus und den strengen Regeln mancher Mönchsorden gehört. Religion kann erheblich stören und bleibt doch Religion. Man muß ihr eben zubilligen, daß sie sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnt und deshalb absoluten Gehorsam fordert. Von allen Menschen in allen Richtungen Zweifel zu verlangen ist übrigens auch Religion, nur eine, die sich vor der Anstrengung des Begriffes drückt.
Zur realistischen Einschätzung gehört, daß gegen Scientology inzwischen viele Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber nur wenige Anklagen erhoben worden sind. Das läßt auf ein abgrundtiefes Mißtrauen der Öffentlichkeit schließen. Scientology kann dieses Mißtrauen nicht ausräumen, in gewisser Weise muß sie es sogar schüren. Denn die Organisation lebt davon, daß sie sich als etwas Besseres von der Gesellschaft distanziert. Sonst werden ihr ihre Heilsversprechen nicht abgenommen. In ihrem Sendungsbewußtsein wird sie bestätigt, wenn die Politik sie bekämpft und die Wissenschaft ihr ein falsches Bewußtsein bescheinigt. Gegen staatliche Eingriffe hat die Organisation daher nur zwei Abwehrmittel: radikale Nutzung der formalen Rechtsschutzmöglichkeiten auf der einen und Schweigen, also Abbruch aller Kommunikationen mit der Außenwelt auf der anderen Seite. Das erklärt, warum Scientology unbedingt eine religiöse Gruppe sein will. Religion ist Privatsache. Darüber braucht man mit niemandem zu sprechen.
GERD ROELLECKE
Raik Werner: "Scientology im Spiegel des Rechts". Strukturen einer subkulturellen Ordnung zwischen Konformität und Konflikt mit den staatlichen Normen. Neue kriminologische Studien, Band 24. Wilhelm Fink Verlag, München 2002. 439 S., br., 50,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Scientology, entblättert: Raik Werner ermittelt die Fakten
Ein herzerwärmend kühles Buch zu einem heißen Thema: Ist jene Organisation, die sich selbst "Church of Scientology International" nennt, eine "Religionsgesellschaft" oder ein Mammutwirtschaftsunternehmen in den Geschäftsbereichen Seelenmassage und Gehirnwäsche? Da Scientology, gegründet 1954 in den Vereinigten Staaten, inzwischen in über 120 Staaten tätig ist, seit 1971 auch in Deutschland, ist die Frage politisch erheblich. Im Grunde ist sie aber nicht zu beantworten. Sie ist selbst religiös. Daß religiöse Wahrheiten und Heilmittel nicht gewinnbringend verkauft werden dürften, ist eine christlich-pietistische Ansicht ziemlich jungen Datums, die der Dominikanerpater Johann Tetzel, der für Albrecht von Hohenzollern, Erzbischof von Mainz, Ablaßbriefe zu Geld gemacht hat und von Luther "Marktschreier" gescholten wurde, gewiß nicht geteilt hat.
Die vorsichtige Zurückhaltung, mit der der Verfasser zu Werke geht, entspricht daher dem Gegenstand und macht seine Beschreibung um so überzeugender. Werner erhebt keine theoretischen Ansprüche und gesteht zu, daß seine Ermittlungen nicht vollständig sein können, zum Beispiel, weil Scientology jede Kooperation verweigert habe. Er will nur den Gerichten, die sich mit "Psychogruppen" beschäftigen müssen, eine durchdachte Kontrolliste mit geordnetem und überprüfbarem Material vorlegen, in und an dem sie sich orientieren können. Das ist ihm glänzend gelungen.
Scientology wird gleichsam entblättert. Zuerst zeigt Werner, wie sich die Organisation selbst versteht und darstellt: als Heilslehre. Dann skizziert er den Stand der kriminologischen, psychiatrischen und psychologischen Diskussion. Die anschließende "Sachverhaltsermittlung" gibt wieder, was er über die Organisation herausgefunden hat. Sie nimmt fast die Hälfte des Buches ein, geordnet nach den beiden Hauptquellen: eigene Publikationen von Scientology und Äußerungen von ehemaligen Teilnehmern, also von Aussteigern. Schon die Beschaffung der Literatur war nicht einfach. Scientology wollte nichts herausrücken, weil sie Eingriffe in die eigene religiös-weltanschauliche Sphäre nicht unterstützen wollte. Werner beklagt sich zu Recht nicht darüber. Er weiß, daß die Organisation allen Mitgliedern die Unterstützung von Gegnern der Organisation streng untersagt. Am Schluß wird der Sachverhalt im wesentlichen überzeugend verfassungs-, straf-, zivil- und vereinsrechtlich gewürdigt.
Gerade weil Werner unüberhörbar betont, seine Erkenntnisquellen seien notgedrungen einseitig, wirkt seine Darstellung glaubwürdig. Der Leser hat die Möglichkeit, die Plausibilität der Aussteigerberichte an der Selbstdarstellung der Organisation zu überprüfen. Spektakuläre Abweichungen ergeben sich nicht. Eine ständig mitlaufende Schwierigkeit wird aber deutlich. Ganz sicher läßt sich selten sagen, ob die Organisation ein Mitglied oder einen "Kunden" geschädigt oder unterdrückt hat oder ob der Teilnehmer freiwillig geleistet, gedient und oft viel Geld gezahlt hat. Aber schockierend hoch sind die "Spenden", Kursgebühren und Arbeitsleistungen nicht, wie drei Tabellen belegen. In einem repräsentativen Fall hat jemand in zwanzig Jahren 200 000 Mark an die Organisation gezahlt. Das sind weniger als eintausend Mark im Monat. So viel verlangen private Krankenversicherungen auch.
Insgesamt gewinnt man den Eindruck, als seien die Gefahren, die von Scientology ausgehen, nicht so groß wie allgemein angenommen. Gelegentlich wirken die Kritiker etwas uninformiert, so, wenn das Bundesarbeitsgericht meint: "Gegen die Annahme eines religiösen Charakters sprechen zudem die ,menschenverachtenden Anschauungen' in der Lehre der Scientology, die mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar sind." Offenbar hat das Gericht noch nie von religiösem Fundamentalismus und den strengen Regeln mancher Mönchsorden gehört. Religion kann erheblich stören und bleibt doch Religion. Man muß ihr eben zubilligen, daß sie sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnt und deshalb absoluten Gehorsam fordert. Von allen Menschen in allen Richtungen Zweifel zu verlangen ist übrigens auch Religion, nur eine, die sich vor der Anstrengung des Begriffes drückt.
Zur realistischen Einschätzung gehört, daß gegen Scientology inzwischen viele Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber nur wenige Anklagen erhoben worden sind. Das läßt auf ein abgrundtiefes Mißtrauen der Öffentlichkeit schließen. Scientology kann dieses Mißtrauen nicht ausräumen, in gewisser Weise muß sie es sogar schüren. Denn die Organisation lebt davon, daß sie sich als etwas Besseres von der Gesellschaft distanziert. Sonst werden ihr ihre Heilsversprechen nicht abgenommen. In ihrem Sendungsbewußtsein wird sie bestätigt, wenn die Politik sie bekämpft und die Wissenschaft ihr ein falsches Bewußtsein bescheinigt. Gegen staatliche Eingriffe hat die Organisation daher nur zwei Abwehrmittel: radikale Nutzung der formalen Rechtsschutzmöglichkeiten auf der einen und Schweigen, also Abbruch aller Kommunikationen mit der Außenwelt auf der anderen Seite. Das erklärt, warum Scientology unbedingt eine religiöse Gruppe sein will. Religion ist Privatsache. Darüber braucht man mit niemandem zu sprechen.
GERD ROELLECKE
Raik Werner: "Scientology im Spiegel des Rechts". Strukturen einer subkulturellen Ordnung zwischen Konformität und Konflikt mit den staatlichen Normen. Neue kriminologische Studien, Band 24. Wilhelm Fink Verlag, München 2002. 439 S., br., 50,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Gerd Roellecke ist begeistert von diesem "herzerwärmend kühlen Buch" über Scientology. Er preist die "vorsichtige Zurückhaltung", mit der der Autor die Ergebnisse seiner Untersuchung vorträgt und findet sie nicht zuletzt deshalb so "überzeugend". Roellecke lobt besonders, dass der Autor offen darlegt, dass seine Ermittlungsquellen notgedrungen einseitig sind, da Scientology wie zu erwarten die Kooperation mit Werner abgelehnt hat. Dadurch habe dieser lediglich auf Publikationsmaterial von Scientology und Aussagen ehemaliger Mitglieder zurückgreifen können, informiert der Rezensent. Er lobt die Studie als "glaubwürdig" und betont, dass sie als "Kontrollliste mit geordnetem und überprüfbarem Material" für Gerichte, die sich mit Scientology beschäftigen müssen, "glänzend" geeignet ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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