Wie lebte man in der Bundesrepublik Deutschland - von der direkten Nachkriegszeit bis zum Beginn der Inklusion in den Jahren der Wiedervereinigung um 1990 - in Haushalten mit behinderten Kindern? Raphael Rössel stellt anhand von Egodokumenten und Schriftwechseln innerhäusliche Abläufe und Aushandlungsprozesse sowie Konfliktlinien nach außen dar und lässt erstmals westdeutsche Heranwachsende und ihre Eltern selbst zu Wort kommen. Er dokumentiert eindrucksvoll das Streben dieser Haushalte, trotz vermeintlicher Makel als »Familien« anerkannt zu werden. Zudem verdeutlicht er anhand zahlreicher Beispiele die Herausforderung, Alltage zu organisieren und Kindern eine bestmögliche Förderung zu geben, ohne individuelle Ansprüche zu vergessen. Nominiert für die Shortlist des Hedwig Hintze Preises 2023
»Mit weiteren quellenbasierten Erhebungen [...] kann Rössel überzeugend darlegen, dass die Mikroebene der Alltags- und Lokalgeschichte ein wichtiges Korrektiv zu klassischen sozialgeschichtlichen Ansätzen bildet und unser Wissen über die Geschichte behinderter Menschen erheblich erweitern kann. Um dies zu untermauern, greift Rössel [...] ausführlich auf, liest die Literatur zur Familiengeschichte, Disability History und Care History gegen den Strich und bezieht sie in seine ambitionierte Thesenbildung ein.« Marc von Miquel, H-Soz-Kult, 31.1.2023