Hermann Jacobsohn war von 1911 bis 1933 Professor für indogermanische Sprachen an der Philipps-Universität in Marburg. Er lebte mit seiner Familie in der Schückingstraße 24, wo heute ein Stolperstein an sein Schicksal als jüdischer Mitbürger erinnert.
Als das Haus der Jacobsohns 1997 verkauft werden musste, fanden die Erben kistenweise Briefe und Dokumente, die das Leben der Familie über mehrere Generationen hinweg nahezu lückenlos widerspiegelt. Dazu gehören der wirtschaftliche und soziale Aufstieg seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts sowie der teils missglückte, teils auch geglückte Weg in die Assimilation durch einen beruflichen Werdegang, der für Juden schwer zu erreichen war, und die Heirat mit einer Christin. Die Briefe vermitteln auch die überzeugte nationale Haltung des jüdischen Bürgertums im Ersten Weltkrieg, für die man sogar sein Leben opferte, und die Spannungen zwischen Normalität und antisemitischen Strömungen in den Jahren zwischen 1918 und 1933.
Hermann Jacobsohn, der inzwischen zu einem international renommierten Sprachwissenschaftler avanciert war, nahm sich im April 1933, nachdem er sein Entlassungsschreiben aus dem Universitätsdienst erhalten hatte, das Leben. Die nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem Tod Hermann Jacobsohns geschriebenen Briefe enthalten vor allem die Auseinandersetzung mit der Frage nach der weiteren Existenzmöglichkeit. So kommt die Verzweiflung der Menschen angesichts der Entscheidung zwischen einer unsicheren Zukunft im Exil oder des Ausharrens in Deutschland immer wieder zum Ausdruck. Hermann Jacobsohns Witwe Margarete kommt dabei als Nichtjüdin und Mutter ihrer "halbjüdischen" Kinder eine zentrale Rolle zu.
Aus all diesen Briefen und Dokumenten wurde eine "Geschichte der deutsch-jüdischen Familie Jacobsohn" zusammengestellt, in der so viel wie möglich die Personen durch ihre Briefe selber sprechen. Der Text umfasst den Zeitraum von 1845-1953. Er wird durch eine große Zahl von Bildern und Dokumenten ergänzt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Als das Haus der Jacobsohns 1997 verkauft werden musste, fanden die Erben kistenweise Briefe und Dokumente, die das Leben der Familie über mehrere Generationen hinweg nahezu lückenlos widerspiegelt. Dazu gehören der wirtschaftliche und soziale Aufstieg seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts sowie der teils missglückte, teils auch geglückte Weg in die Assimilation durch einen beruflichen Werdegang, der für Juden schwer zu erreichen war, und die Heirat mit einer Christin. Die Briefe vermitteln auch die überzeugte nationale Haltung des jüdischen Bürgertums im Ersten Weltkrieg, für die man sogar sein Leben opferte, und die Spannungen zwischen Normalität und antisemitischen Strömungen in den Jahren zwischen 1918 und 1933.
Hermann Jacobsohn, der inzwischen zu einem international renommierten Sprachwissenschaftler avanciert war, nahm sich im April 1933, nachdem er sein Entlassungsschreiben aus dem Universitätsdienst erhalten hatte, das Leben. Die nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem Tod Hermann Jacobsohns geschriebenen Briefe enthalten vor allem die Auseinandersetzung mit der Frage nach der weiteren Existenzmöglichkeit. So kommt die Verzweiflung der Menschen angesichts der Entscheidung zwischen einer unsicheren Zukunft im Exil oder des Ausharrens in Deutschland immer wieder zum Ausdruck. Hermann Jacobsohns Witwe Margarete kommt dabei als Nichtjüdin und Mutter ihrer "halbjüdischen" Kinder eine zentrale Rolle zu.
Aus all diesen Briefen und Dokumenten wurde eine "Geschichte der deutsch-jüdischen Familie Jacobsohn" zusammengestellt, in der so viel wie möglich die Personen durch ihre Briefe selber sprechen. Der Text umfasst den Zeitraum von 1845-1953. Er wird durch eine große Zahl von Bildern und Dokumenten ergänzt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2015Eine bürgerliche Marburger Familie
Wer der verschütteten Vergangenheit sich nähern wolle, müsse sich wie ein Grabender verhalten, bemerkte Walter Benjamin einmal. Eine "Fundgrube" für nicht so ferne Epochen kann auch der Dachboden sein: In einem Haus in Marburg entdeckten nach dem Tod der Eltern die Nachfahren in vergessenen Kisten aufbewahrte Briefe, Fotos und Dokumente aus der Familie ihres Großvaters, des Indogermanisten Hermann Jacobsohn. Der Sprachwissenschaftler hatte sich durch Sprachforschungen in den Kriegsgefangenenlagern des Ersten Weltkriegs einen internationalen Ruf erworben. Aus jüdischer Bürgerfamilie im Lüneburg des neunzehnten Jahrhunderts stammend, war der Linguist politisch in der Deutschen Demokratischen Partei Friedrich Naumanns verankert, die in Marburg, wo Jacobsohn lehrte und auch Dekan der Philosophischen Fakultät wurde, mit Martin Rade, Walter Schücking oder Wilhelm Röpke weitere namhafte Vertreter besaß. Als Jacobsohn im April 1933 die Entlassung durch die gleichgeschaltete Philipps-Universität erhielt, warf er sich vor einen Zug. Von seinen drei Schwestern überlebte nur eine den Holocaust, drei von Jacobsohns Kindern gingen rechtzeitig ins Ausland. Seine nichtjüdische Witwe Grete hielt von Marburg aus Kontakt, bis die Familien wieder zurückkommen konnten. In anschaulich-knapper Sprache und deshalb umso bewegender gibt die Enkelin Ruth Verroen einen lebendigen Bericht von dieser "ganz normalen deutschen bürgerlichen Familie, die durch die politischen Umstände in den Untergang oder ins Exil getrieben wurde".
MARKUS BAUER.
Ruth Verroen: "Leben Sie?" Die Geschichte einer jüdischen Familie in Deutschland (1848-1953). Jonas Verlag; Marburg 2015. 127 S., Abb., geb., 20,- [Euro].
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Wer der verschütteten Vergangenheit sich nähern wolle, müsse sich wie ein Grabender verhalten, bemerkte Walter Benjamin einmal. Eine "Fundgrube" für nicht so ferne Epochen kann auch der Dachboden sein: In einem Haus in Marburg entdeckten nach dem Tod der Eltern die Nachfahren in vergessenen Kisten aufbewahrte Briefe, Fotos und Dokumente aus der Familie ihres Großvaters, des Indogermanisten Hermann Jacobsohn. Der Sprachwissenschaftler hatte sich durch Sprachforschungen in den Kriegsgefangenenlagern des Ersten Weltkriegs einen internationalen Ruf erworben. Aus jüdischer Bürgerfamilie im Lüneburg des neunzehnten Jahrhunderts stammend, war der Linguist politisch in der Deutschen Demokratischen Partei Friedrich Naumanns verankert, die in Marburg, wo Jacobsohn lehrte und auch Dekan der Philosophischen Fakultät wurde, mit Martin Rade, Walter Schücking oder Wilhelm Röpke weitere namhafte Vertreter besaß. Als Jacobsohn im April 1933 die Entlassung durch die gleichgeschaltete Philipps-Universität erhielt, warf er sich vor einen Zug. Von seinen drei Schwestern überlebte nur eine den Holocaust, drei von Jacobsohns Kindern gingen rechtzeitig ins Ausland. Seine nichtjüdische Witwe Grete hielt von Marburg aus Kontakt, bis die Familien wieder zurückkommen konnten. In anschaulich-knapper Sprache und deshalb umso bewegender gibt die Enkelin Ruth Verroen einen lebendigen Bericht von dieser "ganz normalen deutschen bürgerlichen Familie, die durch die politischen Umstände in den Untergang oder ins Exil getrieben wurde".
MARKUS BAUER.
Ruth Verroen: "Leben Sie?" Die Geschichte einer jüdischen Familie in Deutschland (1848-1953). Jonas Verlag; Marburg 2015. 127 S., Abb., geb., 20,- [Euro].
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