Between August and December 2015, Woong Soak Teng explored the man-made garden city of Singapore and made portraits of its staked trees. As in many cities around the world, here trees are uprooted and relocated to conform to a controlled cityscape determined by urban planning. As part of an attempt to construct productive and aesthetic living environments for ourselves, nature has long since been subjected to manipulation at the mercy of human hands.
Featuring a diversity of (sometimes unorthodox) approaches to the art of tree-tying, this book presents an intimate encounter with the trees and their much-overlooked supporting structures, which have become an integral element of the human habitat. Teng's consistent, frontal approach and detailed captions based on the trees' locations lend her works a topographical quality which complements the almost abstract elegance of her subjects.
Featuring a diversity of (sometimes unorthodox) approaches to the art of tree-tying, this book presents an intimate encounter with the trees and their much-overlooked supporting structures, which have become an integral element of the human habitat. Teng's consistent, frontal approach and detailed captions based on the trees' locations lend her works a topographical quality which complements the almost abstract elegance of her subjects.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.02.2019Bindungsprobleme
Woong Soak Teng zeigt die Baumpflege in Singapur
Einen Baum anzubinden, das ist ein pragmatischer, aber kein stilvoller Akt. Es ist keine Kunst, die Pflanze mit ein paar Handgriffen an einem Stock zu befestigen. Die Fürsorge, die der Mensch der Natur entgegenbringt, gilt der Pflanze, dem zu schützenden Objekt. Die unterstützende Konstruktion ist Mittel zum Zweck. Auf den Bildern von Woong Soak Teng, einer jungen Künstlerin aus Singapur, wird sie zur Hauptsache. In einer Fotoserie widmet sie sich den vernachlässigten Stützen der Pflanzenwelt.
„Ways to Tie Trees“ – das klingt zunächst wie ein Erklärstück. Es gibt Wege zum Ruhm oder zum Glück, zu Gott oder zu sich selbst. Aber gibt es überhaupt so viele Wege, einen Baum zu befestigen? Für Woong Soak Teng sind es dreißig, und sie sind vielfältig und eigenwillig.
Ihre Fotoserie ist aber mehr ist als ein bildlicher Ratgeber für eine vermeintlich unbedeutende Handlung. Selbst wenn die Künstlerin für die puristischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen den Fokus fast dokumentarisch auf das hier Wesentliche richtet: auf Stämme, auf Stöcke, auf Seile.
Wäre es die Absicht von Woong Soak Teng, mit ihren Aufnahmen zu zeigen, welch verborgene Kunst in der Baumbefestigung liegt, sie würde kaum überzeugen. Das ist die erste Erkenntnis: Auch in Singapur, wo die Fotografien entstanden, wird dem Vorgang offensichtlich keine große Bedeutung beigemessen. Das Potenzial der Fotos liegt allerdings auch nicht darin, in die Feinheiten des Bindens und Schnürens einzuführen.
Woong Soak Teng löst die Pflanzen aus ihrem natürlichen Umfeld und isoliert sie als ästhetische Objekte. Der Baum steht hier für sich, nicht im Park oder an der Straße, seine Umgebung spielt keine Rolle. Stattdessen: ein weißer, nüchterner Hintergrund. So wird der Baum zum abstrakten Objekt, nur auf einem einzigen Bild erinnern Blätter an seine ursprüngliche Bestimmung. Knoten und Schnüre hingegen werden überhöht zum verbindenden Element, zum Kleber zwischen Mensch und Natur.
In dieses Verhältnis zoomt die Künstlerin an einer ungewöhnlichen Stelle hinein. Die These: Für eine lebenswerte Umgebung wird die Natur durch den Menschen kultiviert und manipuliert. Das wäre an anderen Orten womöglich eine allzu naheliegende Aussage – in Singapur erscheint sie in einem anderen Licht. Denn kaum eine Stadt investiert so viel in ihre Grünflächen, Singapur ist auf dem Weg, eine der grünsten Städte der Welt zu werden: Der botanische Garten zählt zum Weltkulturerbe, die riesige Parkanlage „Gardens by the Bay“ ist eine Touristenattraktion.
Wenn Woong Soak Teng also die Bäume entlang der Straßen in Szene setzt, dokumentiert sie schlaglichtartig die Entwicklung des Stadtstaates hin zu einem möglichst grünen Lebensraum mit hoher Lebensqualität. Wie sich aus dem Einzelnen ein Ganzes ergibt (oder auch nicht), lässt die Künstlerin im Unklaren. In jedem Fall braucht es für das Streben nach mehr Natürlichkeit die Kontrolle durch Menschenhände. Diesen vermeintlichen Widerspruch arbeitet Woong Soak Teng, ohne auch nur einen einzigen Menschen abzulichten, eindrücklich heraus.
JESPER KLEIN
Woong Soak Teng: Ways to Tie Trees. Steidl Verlag, Göttingen 2018. 30 Seiten, 45 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Woong Soak Teng zeigt die Baumpflege in Singapur
Einen Baum anzubinden, das ist ein pragmatischer, aber kein stilvoller Akt. Es ist keine Kunst, die Pflanze mit ein paar Handgriffen an einem Stock zu befestigen. Die Fürsorge, die der Mensch der Natur entgegenbringt, gilt der Pflanze, dem zu schützenden Objekt. Die unterstützende Konstruktion ist Mittel zum Zweck. Auf den Bildern von Woong Soak Teng, einer jungen Künstlerin aus Singapur, wird sie zur Hauptsache. In einer Fotoserie widmet sie sich den vernachlässigten Stützen der Pflanzenwelt.
„Ways to Tie Trees“ – das klingt zunächst wie ein Erklärstück. Es gibt Wege zum Ruhm oder zum Glück, zu Gott oder zu sich selbst. Aber gibt es überhaupt so viele Wege, einen Baum zu befestigen? Für Woong Soak Teng sind es dreißig, und sie sind vielfältig und eigenwillig.
Ihre Fotoserie ist aber mehr ist als ein bildlicher Ratgeber für eine vermeintlich unbedeutende Handlung. Selbst wenn die Künstlerin für die puristischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen den Fokus fast dokumentarisch auf das hier Wesentliche richtet: auf Stämme, auf Stöcke, auf Seile.
Wäre es die Absicht von Woong Soak Teng, mit ihren Aufnahmen zu zeigen, welch verborgene Kunst in der Baumbefestigung liegt, sie würde kaum überzeugen. Das ist die erste Erkenntnis: Auch in Singapur, wo die Fotografien entstanden, wird dem Vorgang offensichtlich keine große Bedeutung beigemessen. Das Potenzial der Fotos liegt allerdings auch nicht darin, in die Feinheiten des Bindens und Schnürens einzuführen.
Woong Soak Teng löst die Pflanzen aus ihrem natürlichen Umfeld und isoliert sie als ästhetische Objekte. Der Baum steht hier für sich, nicht im Park oder an der Straße, seine Umgebung spielt keine Rolle. Stattdessen: ein weißer, nüchterner Hintergrund. So wird der Baum zum abstrakten Objekt, nur auf einem einzigen Bild erinnern Blätter an seine ursprüngliche Bestimmung. Knoten und Schnüre hingegen werden überhöht zum verbindenden Element, zum Kleber zwischen Mensch und Natur.
In dieses Verhältnis zoomt die Künstlerin an einer ungewöhnlichen Stelle hinein. Die These: Für eine lebenswerte Umgebung wird die Natur durch den Menschen kultiviert und manipuliert. Das wäre an anderen Orten womöglich eine allzu naheliegende Aussage – in Singapur erscheint sie in einem anderen Licht. Denn kaum eine Stadt investiert so viel in ihre Grünflächen, Singapur ist auf dem Weg, eine der grünsten Städte der Welt zu werden: Der botanische Garten zählt zum Weltkulturerbe, die riesige Parkanlage „Gardens by the Bay“ ist eine Touristenattraktion.
Wenn Woong Soak Teng also die Bäume entlang der Straßen in Szene setzt, dokumentiert sie schlaglichtartig die Entwicklung des Stadtstaates hin zu einem möglichst grünen Lebensraum mit hoher Lebensqualität. Wie sich aus dem Einzelnen ein Ganzes ergibt (oder auch nicht), lässt die Künstlerin im Unklaren. In jedem Fall braucht es für das Streben nach mehr Natürlichkeit die Kontrolle durch Menschenhände. Diesen vermeintlichen Widerspruch arbeitet Woong Soak Teng, ohne auch nur einen einzigen Menschen abzulichten, eindrücklich heraus.
JESPER KLEIN
Woong Soak Teng: Ways to Tie Trees. Steidl Verlag, Göttingen 2018. 30 Seiten, 45 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Jesper Klein schaut auf die in den Fotos von Woong Soak Teng abgebildeten Stämme, Schnüre und Stöcke und überlegt, was uns die Künstlerin aus Singapur vermitteln möchte. Doch nicht die Kunst der Baumbefestigung. Worauf die puristischen SW-Aufnahmen Klein hinweisen, ist nicht weniger als die Verbindung zwischen Mensch und Natur. Dass die Aufnahmen aus Singapur stammen, setzt das Ganze für Klein zusätzlich in ein spezielles Licht. Die Bilder dokumentieren die Entwicklung des gigantischen Stadtstaates zu einem grünen, einem menschlichen Lebensraum, mutmaßt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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