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Die Überheblichkeit des Westens. Oder: Was können wir von denen schon lernen?
Das geopolitische Koordinatensystem kannte lange nur zwei Achsen: Ost und West. Mehr und mehr kommt eine neue hinzu: der Süden. Und wie man sehr gut am Beispiel Indien ablesen kann, ist er alles, was der Westen nicht ist: jung, dynamisch, innovativ. Das bevölkerungsreichste Land der Erde wird als gigantischer Absatzmarkt, Fachkräftereservoir und IT-Hub umworben wie kein anderes. Es zeigt auch, dass Demokratie nicht immer so aussehen muss wie einst in der alten Bundesrepublik in Bonn am Rhein. Zugleich sorgt Indien…mehr

Produktbeschreibung
Die Überheblichkeit des Westens. Oder: Was können wir von denen schon lernen?

Das geopolitische Koordinatensystem kannte lange nur zwei Achsen: Ost und West. Mehr und mehr kommt eine neue hinzu: der Süden. Und wie man sehr gut am Beispiel Indien ablesen kann, ist er alles, was der Westen nicht ist: jung, dynamisch, innovativ. Das bevölkerungsreichste Land der Erde wird als gigantischer Absatzmarkt, Fachkräftereservoir und IT-Hub umworben wie kein anderes. Es zeigt auch, dass Demokratie nicht immer so aussehen muss wie einst in der alten Bundesrepublik in Bonn am Rhein. Zugleich sorgt Indien mit Hindu-Nationalismus und Kastenwesen, bedrückender Armut und Gewalt gegen Frauen für negative Schlagzeilen.

Walter J. Lindner hat als Botschafter und auf vielen Reisen das Land der Gegensätze kennengelernt wie wenige sonst. Er erzählt, wie Indien wirklich ist und warum wir nicht vergessen sollten, dass auch wir Deutschen auf dem Boden einer kolonialen Vergangenheit stehen, deren Folgen bis heute nachwirken.

Am Beispiel Indien zeigt Lindner, wie wir gemeinsam mit dem Globalen Süden eine Welt gestalten können. Denn China und Russland stehen schon bereit, um jede Lücke zu nutzen, die wir ihnen lassen.

Autorenporträt
Walter J. Lindner, geboren 1956 in München, war Botschaftsrat bei den Vereinten Nationen in New York, später Pressesprecher von Joschka Fischer und Staatssekretär im Auswärtigen Amt unter Sigmar Gabriel. Als Botschafter diente er Deutschland in Kenia, Somalia, Südafrika und Venezuela, bevor er sich 2019 mit dem Botschafterposten in Indien einen Lebenstraum erfüllte. Seit 2022 ist er zurück in Deutschland und widmet sich mit Leidenschaft seinem zweiten Leben als Pianist, Komponist und Musikproduzent. Heike Wolter, geboren 1976 in Berlin, ist promovierte Historikerin, Pädagogin und Lektorin. Als Ghostwriterin und Mitautorin hat sie Sachbücher zu unterschiedlichen Themen verfasst.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit Abstrichen lesenswert findet Rezensent Till Fähnders Walter J. Lindners Buch über Indien. Der ehemalige Diplomat, der Teile seiner Karriere in Indien verbracht hatte, argumentiert, so der Kritiker, dass Deutschland mehr Aufmerksamkeit für den globalen Süden im Allgemeinen und Indien im Besonderen aufwenden sollte. Dieser These stimmt Fähnders zu, und auch die landeskundlichen Passagen des Buches, die etwa die Schere zwischen Arm und Reich behandeln, finden sein Interesse. Gleichwohl merkt er kritisch an, dass manche Themen, darunter die Spannungen zwischen Hindus und Muslimen, zu kurz kommen. Außerdem geht es in dem Buch zu viel um Lindner selbst, findert Fähnders, der eine neue Art öffentlichkeitswirksames, auf Social Media ausgerichtetes Diplomatentum etablierte. Insgesamt jedoch bespricht der Rezensent das Buch als ein facettenreiches Landesportrait.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2024

Mit Neugier und Demut

Die Gewichte in der Welt verschieben sich. Der ehemalige Botschafter Deutschlands in Indien plädiert für ein neues Verhältnis zur großen Macht in Südasien und zum "globalen Süden" insgesamt.

Walter Lindner war ein unkonventioneller Diplomat. Viele dürften sich an ihn als den großgewachsenen Mann mit dem Pferdeschwanz erinnern, der als Sprecher seines damaligen Chefs Joseph Fischer die Außenpolitik und später als Sonderbeauftragter der Bundesregierung das Ebolavirus erklärte. Lindner war Botschafter in Nairobi, Leiter des Krisenstabs im Auswärtigen Amt, Staatssekretär und schließlich deutscher Botschafter in Indien. Nach einer außergewöhnlichen Karriere im Dienst des Außenministeriums war er vor etwa eineinhalb Jahren in den Ruhestand gegangen. Jetzt meldet sich Lindner mit einem Buch zurück, in dem er eine Art Bilanz seiner nahezu lebenslangen Beschäftigung mit dem faszinierenden Land am Ganges zieht. Den Subkontinent hatte Lindner erst als Rucksackreisender und später dann als oberster Vertreter Deutschlands kennengelernt.

Indien ist ein Land, von dem viele Deutsche träumen, das ihnen in vielerlei Hinsicht aber fremd ist und sogar Angst macht. In der Gegenwart gehört es zu den Hoffnungsträgern: als aufstrebende Wirtschaftssupermacht, Antreiber digitaler Innovationen und geopolitisches Gegengewicht zu China. "Indien ist in" - so beginnt Lindner sein Buch, das die Marschrichtung der globalen Gewichtsverschiebung mit seinem Titel "Der alte Westen und der neue Süden" andeutet. Lindner zitiert darin schon in den ersten Absätzen einen indischen Minister mit einer selbstbewussten Prognose. "In einigen Jahren wird Indiens Wirtschaft größer sein als Deutschland", sagt dieser. Lindner ergänzt, dass der Inder damit wohl schon sehr bald recht behalten dürfte.

Den Kern des Buchs bildet der unbestreitbar wichtige Appell, Indien und den globalen Süden angesichts der sich verschiebenden Gewichte insgesamt mehr in den Blick zu nehmen. Lindner fordert die deutsche Politik und Öffentlichkeit auf, zu versuchen, diesen Teil der Welt zu verstehen und den dortigen Ländern auf Augenhöhe zu begegnen. "Es geht um Empathie, Neugier und Interesse. Auch um Demut", schreibt der ehemalige Botschafter. Seine Jahrzehnte im Auswärtigen Dienst haben in ihm offensichtlich die Erkenntnis reifen lassen, dass es vielen Deutschen an diesen Eigenschaften mangelt. Als Beispiel führt er einen namenlosen deutschen Abgeordneten an, der während Lindners Zeit als Botschafter in Nairobi bei einem Besuch über nichts anderes reden konnte als die Heimatpolitik. Lindner bezeichnet solche Reisen mit einiger Berechtigung als "verpasste Chancen".

Das ist eine wichtige Kritik, aus der sich Lehren für die Beschäftigung mit allen Ländern Asiens und des globalen Südens ziehen lassen. Allerdings drängt sich im Verlauf des Buchs anstatt der Sachfragen die Persönlichkeit des Ausnahmediplomaten Lindner dann doch sehr stark in den Vordergrund. In Zeiten der digitalen Selbstdarstellung dürfte das für viele auch den Reiz des Buchs und der Person ausmachen. Lindner hat den Typus des Diplomaten als Internet- und Medienstar wahrscheinlich nicht erfunden, aber perfektioniert. Stellvertretend dafür steht die Entscheidung, sich nicht in der üblichen Botschafterlimousine, sondern in einem knallrot lackierten indischen Oldtimer der Traditionsmarke "Ambassador" fahren zu lassen, den Lindner ungenutzt im Hof seiner Botschaft entdeckt hatte. Das Auto mit dem Spitznamen "Auntie Amby" wurde zu einem Markenzeichen und der deutsche Botschafter zu einer Größe in den traditionellen und modernen Medien Indiens.

Die Frage, ob ein Diplomat auf diese und andere Arten Publicity betreiben sollte, hat Lindner für sich klar und deutlich beantwortet. Aus der Riege der Botschafter stach er damit auch in Indien heraus. Sein Auftreten lässt sich aber auch gleichzeitig als symptomatisch für einen neuen Stil in der deutschen Diplomatie lesen, der sich nicht damit begnügt, Länderberichte nach Berlin zu übermitteln, sondern sich der Mittel der digitalen Kommunikation bedient.

Bei Lindner wirkte dies auch nie bemüht. Schließlich umgab den passionierten Musiker immer eher die Aura eines Frank Zappa als eines Olaf Scholz. Davon abgesehen lässt sich aber auch fragen, ob dieser Stil mehr der Entwicklung des persönlichen Profils als der Fortentwicklung der bilateralen Beziehungen zwischen Indien und Deutschland diente. Letzterem waren in Lindners Amtszeit schon aus anderen Gründen Grenzen gesetzt, da sie in die auch für Diplomatie schwierige Covid-Pandemie gefallen war.

In Neu Delhi heißt es jedenfalls, dass von vielen dort noch immer in großer Bewunderung über den deutschen Paradiesvogel unter den Diplomaten gesprochen werde. Trotz der teilweise schwierigen Rahmenbedingungen hat es auch in Lindners Amtszeit Zeichen der Annäherung gegeben. Als Meilenstein lässt sich der Besuch der "Bayern" anführen, der erste einer deutschen Fregatte in Indien seit zwei Jahrzehnten. Die Stippvisite war ein Zeichen der verstärkten Hinwendung Deutschlands zum Indopazifik. Allerdings berichtet Lindner auch, wie der Fregattenbesuch im Heimatland der "Bayern" erst mit mäßigem Interesse verfolgt und dann durch eine Randbegebenheit aus den Nachrichten verdrängt wurde.

Der ebenfalls nach Indien angereiste Inspekteur der Marine "monologisierte" Lindner zufolge in Neu Delhi über "Respekt" für Wladimir Putin. Wie sich später herausstellte, bereitete der russische Präsident da schon seinen Einmarsch in die Ukraine vor. Die Affäre führt zum Rücktritt des Inspekteurs.

Für Lindner ist der Fregattenbesuch damit eine weitere verpasste Chance, weil er nicht genutzt wurde, um der Indopazifik-Region ein echtes Interesse entgegenzubringen. Diese Haltung führt Lindner zufolge dazu, dass es in Deutschland noch immer viele "blinde Stellen" im Umgang mit den Ländern des globalen Südens gebe. Den eigenen Ansprüchen, das Land erst einmal verstehen zu wollen, bevor man sich ein Urteil erlaubt, wird Lindner in seinem Buch selbst in der Tat gerecht. Die persönlichen Anekdoten, Erfahrungen und Beobachtungen zu verschiedenen Themenschwerpunkten geben zwar kein umfassendes Bild Indiens, aber Einblicke, die vor allem für Neulinge in der Beschäftigung mit dem für viele verwirrenden Subkontinent von Interesse sein dürften. Lindner schreibt über die Kluft zwischen Arm und Reich, die Spiritualität, Sprachenvielfalt und Umwelt Indiens.

Die vielen Probleme Indiens blendet er nicht aus, spricht sich aber dagegen aus, diese mit erhobenem Zeigefinger anzusprechen. Er widmet sich Themen wie Kinder- und Frauenrechten oder den häufig noch schlimmen Arbeitsbedingungen in Indien. Auch die Gefahren für die indische Demokratie, die von den Hindunationalisten unter Ministerpräsident Narendra Modi ausgehen, erwähnt Lindner.

Bezüglich dieser Fragen hätte die Analyse noch etwas mehr in die Breite und auch in die Tiefe gehen können. Die Realitäten einer zunehmenden Ausgrenzung von Muslimen und Christen, einer Opposition, der immer stärker die Luft abgedreht wird, und die Instrumentalisierung staatlicher Institutionen für die innenpolitische Auseinandersetzung erscheinen bei Lindner als einige Themen von vielen. Sie sind aber nicht nur für die zukünftige Entwicklung Indiens zentral, sondern auch für die Frage, ob Indien in der Tat der "Wertepartner" im Indopazifik ist, den sich die Deutschen wünschen. Es hätte auch seinem Ziel gedient, den Deutschen Indien etwas näherzubringen, wenn sie etwas mehr darüber erfahren würden, wie ein unkonventioneller Diplomat wie Lindner den Balanceakt zwischen respektvollem Dialog und notwendiger Kritik in seiner Amtszeit versucht hat. TILL FÄHNDERS

Walter J. Lindner mit Heike Wolter: Der alte Westen und der neue Süden. Was wir von Indien lernen sollten, bevor es zu spät ist.

Ullstein Verlag, Berlin 2024. 320 S., 24,99 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.04.2024

Ein unterschätzter Gigant
Indien könnte eine Brücke zwischen West und Süd werden, sagt der Publizist Walter Lindner.
Als einstiger Botschafter in Delhi hat er wertvolle Ratschläge – und mahnende Worte für den Westen.
VON FRIEDERIKE BAUER
In diesen Wochen wählt Indien. Und das ist ganz wörtlich zu nehmen: Während in Deutschland ein Sonntag genügt, um ein neues Parlament zu bestimmen, dauert es in Indien sechs lange Wochen. Damit die knapp eine Milliarde registrierten Wähler alle zum Zuge kommen, ist der Urnengang in sieben Phasen unterteilt. Etwa 15 Millionen Wahlhelfer sind dafür im Einsatz. Sie reisen auch mit Hubschraubern, Booten und Pferden durchs Land, um selbst abgeschiedene Gegenden im Himalaja oder auf dschungelbewachsenen Inseln zu erreichen. Wegen dieser und anderer Rekorde wird Indien gerne als „die größte Demokratie“ der Welt bezeichnet.
Doch das ist nicht der einzige Superlativ, den das Land zu bieten hat. Außer seiner schieren Größe, nirgends leben mehr Menschen, seiner Wirtschaftskraft und seinem beeindruckenden Innovationsgeist kennt es auch so viele Extreme wie „kein Land der Erde“, schreibt der einstige Diplomat, Jurist, Musiker und Autor Walter Lindner in einem neuen Buch über den Subkontinent. So kommt es, dass diese Nation einerseits Raketen auf den Mond schickt, fahrerlose Autos entwirft, künstliche Intelligenz vorantreibt und gleichzeitig Millionen Menschen auf der Straße schlafen, Ernten mit Ochsenkarren eingebracht werden und eine Viertelmilliarde Erwachsene weder lesen noch schreiben können.
Das alles wäre noch keine allzu überraschende Einsicht: Indien – ein Land zwischen Vergangenheit und Moderne, bitterer Armut und schwindelerregendem Reichtum, zwischen Handarbeit und Hochtechnologie. Ein Land, das viele Realitäten vereint. Aber dass dieses „Dazwischenstehen“ als Stärke, und zwar auch als geopolitische zu deuten ist, bleibt bisher überwiegend ungesehen. Dass Indien genau mit dieser „Unfassbarkeit“ eine Brücke zwischen dem alten Westen und dem neuen Süden bilden kann, ist eines der Hauptanliegen Lindners.
Er betrachtet den Wandel unserer Zeit, wie er gerade rapide voranschreitet, wie aus drei Welten – obwohl auch das ungenau war – viele werden, wie neue Machtblöcke entstehen, Länder aufsteigen oder zurückfallen. Lindner beschreibt, wie der Westen Konkurrenz erhält, aber selbst immer noch dem Irrglauben anhängt, im Zentrum zu stehen, und damit neokolonialistische Züge aufweist. Dabei lebten mittlerweile 60 Prozent der Weltbevölkerung im Indopazifik, würden dort zwei Drittel des globalen Wachstums generiert. „Angesichts der tektonischen Machtverschiebungen, die das Gravitationszentrum der Welt weg vom Atlantik hin zum Indopazifik verlagern, geht es um viel: Europa droht eine Randlage“, lautet sein Urteil. Und genau in dieser Situation könnte Indien zum Bindeglied werden, weil es viele Sprachen, Kulturen, Religionen, weil es viel Gleichzeitigkeit und damit gewissermaßen West und Süd in sich vereint. Doch das Land sei, wie überhaupt der Globale Süden, immer noch nicht wirklich auf dem Radar vieler deutscher Politiker, beklagt Lindner.
Vor diesem Hintergrund rät er dazu, sich eingehender mit Indien und überhaupt mit den – ehemaligen – Entwicklungsländern zu beschäftigen. Genau das ist auch der Anspruch seines Buchs, bei dem er versucht, so tief wie möglich in die Kultur einzutauchen, und zwar auch in die gelebte Alltagskultur. Er reist durchs Land, spricht mit Unternehmerinnen, Straßenverkäufern, beschäftigt sich mit vegetarischem Essen, mit der Bedeutung von Kleidung, mit Spiritualität, besucht Tempel, geht der Rolle von Frauen nach, sinniert über das Kastenwesen, über das Erbe des Kolonialismus, den Stand der Demokratie und vieles mehr. Linder belässt es nicht bei der Betrachtung aus der politischen Vogelperspektive, sondern verbindet das Analytische mit dem Konkreten. Dadurch zeichnet er ein Bild von Indien, das sich eben nicht in Klischees ergeht, sondern versucht, der Vielfalt und Vielstimmigkeit des Landes zu entsprechen.
Das kann Lindner auch deshalb besonders gut, weil er von 2019 an drei Jahre lang als Deutschlands Botschafter in Delhi stationiert war. Von den Begegnungen aus dieser Zeit zehrt das Buch. Aber auch davon, dass er in den Siebzigerjahren als Teil einer Weltreise schon einmal einige Monate in Indien verbracht und generell viel von der Welt gesehen hat. Dadurch kann er die Veränderungen von vierzig Jahren aus eigener Erfahrung beurteilen und auch für Nicht-Indien-Kenner einordnen.
Allerdings ist der Grat zwischen Anschauung und Nabelschau gelegentlich schmal. Nicht alles, was der Autor an Einzelheiten aufbietet, ist erhellend. Wen interessiert es, ob er sich für eine Reise ins Hochgebirge in Ladakhs Hauptstadt Leh ein Fahrzeug mietet? Muss man wissen, dass sein Beglaubigungsschreiben an einem 21. Mai übergeben wurde? Und wozu erfährt der Leser, dass die Botschaft während der Corona-Pandemie einen Krisenstab zur Rückholung von Deutschen eingerichtet hat? All das mag zwar den Botschafter beschäftigt haben, tut aber wenig zur Sache. Manchmal führen Details und Impressionen, die Authentizität vermitteln wollen, weg vom Eigentlichen.
Dabei ist Lindners Kernanliegen ohne Frage relevant: den Fokus auf ein Land zu lenken, das in der künftigen Weltordnung eine bedeutsame Rolle spielen wird. Und zugleich wahrzunehmen, dass die Ära des Eurozentrismus und der transatlantischen Vorherrschaft vorüber ist. Nein, es nicht nur beiläufig wahrzunehmen, sondern seine Folgen zu verstehen, dabei genau hinzuschauen, zuzuhören und den Ländern des Südens mit Aufmerksamkeit und Respekt zu begegnen. Die Tage, als ein paar Nationen den Ton angaben, seien vorüber, sagte Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar unlängst vor den Vereinten Nationen. Eine selbstbewusste Aussage, die zeigt: Die alte Arroganz hat ausgedient. Hier schickt sich ein Land an, Weltmacht zu werden – ein Anspruch, wie Lindner schreibt, „den die westliche Welt ernst nehmen“ und worauf sie sich gezielt einstellen sollte.
Friederike Bauer arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Sie schreibt vor allem über Außen- und Entwicklungspolitik sowie über Nachhaltigkeitsthemen.
Der Ex-Diplomat
zeichnet ein Indien-Bild
jenseits der Klischees
986 Millionen Wahlberechtigte: Wählerin in Chemnai im April.
Foto: R. Satish Babu / AFP
Walter J. Lindner
mit Heike Wolter:
Der alte Westen und der neue Süden. Was wir von Indien lernen sollten,
bevor es zu spät ist.
Ullstein, Berlin 2024. 320 Seiten, 24,99 Euro. E-Book: 20,99 Euro.
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