Wildgänse sind Vögel öffentlichen Interesses. Sie kommen jeden Herbst in großen Scharen aus ihrer arktischen Brutheimat zu uns, um hier an den Küsten und in den großen Fluss- und Ackerlandschaften Norddeutschlands den Winter zu verbringen. Dabei geraten sie als Weidegänger in Konflikt mit den Landwirten, die um ihren Ertrag fürchten.
Viele Menschen erfreuen sich an den Scharen der sozialen Großvögel, deren Verhalten seit den Arbeiten von Konrad Lorenz intensiv erforscht wird. In diesem Buch wird in wissenschaftlich fundierten und doch verständlich geschriebenen Texten die Lebensweise der Wildgänse dokumentiert. In den märchenhaft schönen Fotos der besten Tierfotografen kommen die Vögel dem Leser so nahe wie niemals sonst in der freien Natur: Liebenswerte Mitgeschöpfe, die unseren Schutz und unsere Toleranz verdienen. In diesem Bildband werden alle in Europa vorkommenden Arten vorgestellt.
Viele Menschen erfreuen sich an den Scharen der sozialen Großvögel, deren Verhalten seit den Arbeiten von Konrad Lorenz intensiv erforscht wird. In diesem Buch wird in wissenschaftlich fundierten und doch verständlich geschriebenen Texten die Lebensweise der Wildgänse dokumentiert. In den märchenhaft schönen Fotos der besten Tierfotografen kommen die Vögel dem Leser so nahe wie niemals sonst in der freien Natur: Liebenswerte Mitgeschöpfe, die unseren Schutz und unsere Toleranz verdienen. In diesem Bildband werden alle in Europa vorkommenden Arten vorgestellt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2007Halb zog es ihn, halb sank er hin: Wie Konrad Lorenz das Gänsekind adoptierte
Das Gänseküken Martina hatte große dunkle Augen. Diesen vermochte Konrad Lorenz (unsere Abbildung) nicht zu widerstehen, zumal Martina, gerade aus dem Ei geschlüpft, auch noch mit schief gestelltem Kopf zu dem Verhaltensforscher aufblickte. "Lange, sehr lange sah mich nun das Gänsekind an. Und als ich eine Bewegung machte und ein kurzes Wort sprach, löste sich mit einem Male die gespannte Aufmerksamkeit, und die winzige Gans grüßte." Da schmolz Konrad Lorenz dahin. Er adoptierte das auf ihn geprägte Grauganskind und zog es unter vielen Opfern an Zeit und Schlaf auf.
Die Geschichte von Martina findet sich in dem reich bebilderten Buch "Wilde Gänse" wieder, mit dem Hans-Heiner Bergmann, Helmut Kruckenberg und Volkhard Wille den Versuch unternehmen, "die anliegenden Konflikte durch Analyse zu entschärfen". Lange muss der Leser nicht rätseln, welche Konflikte damit gemeint sind. Denn die Scharen wilder Gänse, die alljährlich im Herbst aus dem Norden und Osten Europas sowie aus Sibirien in den milden westlichen Gefilden zum Überwintern eintreffen, brauchen Nahrung. Und diese finden sie zum Beispiel auf Feldern, die mit Wintergetreide bestellt wurden. Mancherorts richten die gefiederten Gäste tatsächlich beträchtliche Schäden an, unter anderem auf Flächen, die der Gewinnung von Saatgut dienen. Zwar werden Landwirte häufig finanzell entschädigt, aber ein Anspruch besteht nach deutschen Gesetzen nicht.
Ein gelungenes Beispiel für die Lösung des Konfliktes sehen die Autoren des Buches, allesamt in Theorie und Praxis erfahrene Gänseforscher, in einer Kombination von Ruhezonen und Vertreibungsgebieten, wie sie im Gänsepolder Zeeburg auf der niederländischen Insel Texel verwirklicht ist. Dort dürfen die Vögel auf einer großen Fläche ruhen und fressen, während sie im benachbarten Ackerland unerwünscht sind und mit Leuchtraketen und Schreckschussanlagen vertrieben werden.
Zu einem wahren Paradies für Vögel hat sich eine traditionell zur Jagd genutzte Teichlandschaft in der Umgebung des brandenburgischen Dorfes Linum entwickelt. Bis zu 40 000 Bless- und Saatgänse finden sich dort zur Rast ein, und die Zahl der Kraniche war im Oktober vergangenen Jahres sogar doppelt so hoch. Vogelschützer haben für das Gebiet die Jagderlaubnis erworben, mit der Folge, dass die Jagd auf Wasservögel unterbleibt und die Tiere ungestört bleiben. Durch den Ankauf von Land in der Umgebung will man dafür sorgen, dass die Vögel nicht hungern müssen.
Die drei Buchautoren sind Biologen, und daher kommt neben dem Naturschutz auch die Wissenschaft nicht zu kurz. Es finden sich nähere Angaben zu allen in Mitteleuropa vorkommenden Gänsearten. Darüber hinaus erfährt man von Untersuchungen an Blessgänsen, bei denen sich herausgestellt hat, dass die Tiere gern in Großfamilien leben. Zwischen sieben und 25 Prozent der Jungtiere kehrten mit den Eltern Jahr für Jahr in das Winterquartier zurück. Nach und nach gesellten sich auch die Enkel und deren Partner dazu. Um Familienbande geht es natürlich auch in jenen Teilen des Buches, die von den untrennbar mit dem Namen Konrad Lorenz verbundenen Forschungen an Graugänsen handeln - unter anderem vom Küken Martina.
REINHARD WANDTNER
Hans-Heiner Bergmann, Helmut Kruckenberg und Volkhard Wille (Hg.): "Wilde Gänse". Reisende zwischen Wildnis und Weideland. G. Braun Buchverlag, Karlsruhe 2006. 108 S., 132 Farb-Abb., 3 Karten, geb., 26,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Gänseküken Martina hatte große dunkle Augen. Diesen vermochte Konrad Lorenz (unsere Abbildung) nicht zu widerstehen, zumal Martina, gerade aus dem Ei geschlüpft, auch noch mit schief gestelltem Kopf zu dem Verhaltensforscher aufblickte. "Lange, sehr lange sah mich nun das Gänsekind an. Und als ich eine Bewegung machte und ein kurzes Wort sprach, löste sich mit einem Male die gespannte Aufmerksamkeit, und die winzige Gans grüßte." Da schmolz Konrad Lorenz dahin. Er adoptierte das auf ihn geprägte Grauganskind und zog es unter vielen Opfern an Zeit und Schlaf auf.
Die Geschichte von Martina findet sich in dem reich bebilderten Buch "Wilde Gänse" wieder, mit dem Hans-Heiner Bergmann, Helmut Kruckenberg und Volkhard Wille den Versuch unternehmen, "die anliegenden Konflikte durch Analyse zu entschärfen". Lange muss der Leser nicht rätseln, welche Konflikte damit gemeint sind. Denn die Scharen wilder Gänse, die alljährlich im Herbst aus dem Norden und Osten Europas sowie aus Sibirien in den milden westlichen Gefilden zum Überwintern eintreffen, brauchen Nahrung. Und diese finden sie zum Beispiel auf Feldern, die mit Wintergetreide bestellt wurden. Mancherorts richten die gefiederten Gäste tatsächlich beträchtliche Schäden an, unter anderem auf Flächen, die der Gewinnung von Saatgut dienen. Zwar werden Landwirte häufig finanzell entschädigt, aber ein Anspruch besteht nach deutschen Gesetzen nicht.
Ein gelungenes Beispiel für die Lösung des Konfliktes sehen die Autoren des Buches, allesamt in Theorie und Praxis erfahrene Gänseforscher, in einer Kombination von Ruhezonen und Vertreibungsgebieten, wie sie im Gänsepolder Zeeburg auf der niederländischen Insel Texel verwirklicht ist. Dort dürfen die Vögel auf einer großen Fläche ruhen und fressen, während sie im benachbarten Ackerland unerwünscht sind und mit Leuchtraketen und Schreckschussanlagen vertrieben werden.
Zu einem wahren Paradies für Vögel hat sich eine traditionell zur Jagd genutzte Teichlandschaft in der Umgebung des brandenburgischen Dorfes Linum entwickelt. Bis zu 40 000 Bless- und Saatgänse finden sich dort zur Rast ein, und die Zahl der Kraniche war im Oktober vergangenen Jahres sogar doppelt so hoch. Vogelschützer haben für das Gebiet die Jagderlaubnis erworben, mit der Folge, dass die Jagd auf Wasservögel unterbleibt und die Tiere ungestört bleiben. Durch den Ankauf von Land in der Umgebung will man dafür sorgen, dass die Vögel nicht hungern müssen.
Die drei Buchautoren sind Biologen, und daher kommt neben dem Naturschutz auch die Wissenschaft nicht zu kurz. Es finden sich nähere Angaben zu allen in Mitteleuropa vorkommenden Gänsearten. Darüber hinaus erfährt man von Untersuchungen an Blessgänsen, bei denen sich herausgestellt hat, dass die Tiere gern in Großfamilien leben. Zwischen sieben und 25 Prozent der Jungtiere kehrten mit den Eltern Jahr für Jahr in das Winterquartier zurück. Nach und nach gesellten sich auch die Enkel und deren Partner dazu. Um Familienbande geht es natürlich auch in jenen Teilen des Buches, die von den untrennbar mit dem Namen Konrad Lorenz verbundenen Forschungen an Graugänsen handeln - unter anderem vom Küken Martina.
REINHARD WANDTNER
Hans-Heiner Bergmann, Helmut Kruckenberg und Volkhard Wille (Hg.): "Wilde Gänse". Reisende zwischen Wildnis und Weideland. G. Braun Buchverlag, Karlsruhe 2006. 108 S., 132 Farb-Abb., 3 Karten, geb., 26,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Reinhard Wandtner ist gerührt. Zumindest von den Teilen des Buches, das sich mit der Forschung an Graugänsen im Geiste Konrad Lorenz' befasst: "Das Gänseküken Martina hatte große dunkle Augen." Das Buch dreier Biologen bietet Wandtner dazu jede Menge Bildmaterial. Allerdings berichtet es auch weniger Kuscheliges. Über Konfliktpotentiale zwischen Mensch und Gans, in Sachen Wintergetreide etwa. Dann wiederum berichten die Wissenschaftler laut Wandtner von gelungenen Formen der Koexistenz in "Ruhezonen". Schließlich geben sie dem gänselieben Leser eine Menge brauchbare Daten an die Hand.
© Perlentaucher Medien GmbH
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