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Der Hof mit dem Namen "Bargada" ist größer als die anderen und liegt etwas abseits des Dorfs, es soll darin spuken. Die Dörfler hingegen leben eng beieinander, bei ihnen spukt es nicht, denn ihre Geheimnisse dringen alle durch die Mauern ins Nachbarhaus. Aline Valangin erzählt die Geschichte dieser ländlichen Gemeinschaft über mehrere Generationen hinweg. Sie erzählt vom Patriarchat und seiner Aufweichung durch die Abwesenheit der Männer, von Familienintrigen, Schmugglern und Partisanen, Krieg und Flüchtlingselend, hartem Existenzkampf und verzagter Resignation.

Produktbeschreibung
Der Hof mit dem Namen "Bargada" ist größer als die anderen und liegt etwas abseits des Dorfs, es soll darin spuken. Die Dörfler hingegen leben eng beieinander, bei ihnen spukt es nicht, denn ihre Geheimnisse dringen alle durch die Mauern ins Nachbarhaus. Aline Valangin erzählt die Geschichte dieser ländlichen Gemeinschaft über mehrere Generationen hinweg. Sie erzählt vom Patriarchat und seiner Aufweichung durch die Abwesenheit der Männer, von Familienintrigen, Schmugglern und Partisanen, Krieg und Flüchtlingselend, hartem Existenzkampf und verzagter Resignation.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Karl-Markus Gauß empfiehlt die Entdeckung zweier zu Unrecht vergessener Romane einer Frau, die mehr als "Muse bedeutender Männer" - Joyce, Jung, Canetti und andere - denn als Autorin bekannt ist: die Psychoanalytikerin und Kommunistin Aline Valangin, deren idyllisches Schlösschen in der Schweiz Anlaufpunkt für die Großen und die von Hitler Vertriebenen war. Die zwei Romane dieses Bandes gehören, so Gauß, auch inhaltlich zusammen: "Die Bargada" ist ein ertragreiches Gehöft im Tessin, der Besitz einer Familie, deren Frauen über drei Generationen hinweg darum ringen, endlich einmal nicht dem einzigen Bruder die Alleinherrschaft überlassen zu müssen. Der Schauplatz ist derselbe im "Dorf an der Grenze", dem zur Zeit des Zweiten Weltkrieges handelnden Nachfolgewerk. Hier, berichtet Gauß, rechne Valangin ab mit der "Schweizer Ideologie, sich aus den großen Konflikten herauszuhalten und dabei an ihnen gut zu verdienen". Beide Romane seien von "psychologischem Feingespür" gekennzeichnet; die Schicksale seiner Figuren würden "vor dem Hintergrund einer geradezu lebensfeindlichen Natur und abgelebter Traditionen" gezeichnet - Traditionen, die am Ende aufgebrochen werden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.04.2003

Wo die Kirchenuhren stillstehen
Die Legende Aline Valangin ist als Schriftstellerin zu entdecken

Sie war schön und reich und Kommunistin. Ihr Großvater war der Friedensnobelpreisträger Elie Drucommun, und mit ihrem ersten Mann, dem legendären Strafverteidiger Wladimir Rosenbaum, hielt sie in Zürich ein gastliches Haus, den "Baumwollhof", in dem James Joyce, C. G. Jung, Elias Canetti verkehrten und Werke von Picasso und Max Ernst die Wände zierten. Im Tessiner Orsenonetal erstand sie in einem kleinen, auf Felsen gebauten Ort namens Comologno 1929 ein Schlößchen, das aus mehr als tausend Meter Höhe über den Lago Maggiore blickt. In dieser schwer erreichbaren Idylle konnten sich jene, die vor den Nazis geflüchtet waren, für ein paar Wochen oder Monate erholen, ehe sie weiterzogen: Kurt Tucholsky, bereits von Depressionen umfangen, machte ebenso Station wie Hans Marchwitza, der proletarisch-revolutionäre Schriftsteller, der die großbürgerliche Atmosphäre durchaus genoß; aus Italien kam Ignazio Silone, er wurde der Geliebte der Hausherrin und blieb ihr, nach schmerzlicher Trennung, lebenslang ein treuer Freund. Sie war die Muse bedeutender Männer, die sie in ihren Erinnerungen als Femme fatale, brillante Intellektuelle oder warmherzige Mäzenatin zeichneten. Die Rede ist von der 1889 in Vevey geborenen, in der französischen Schweiz aufgewachsenen Aline Valangin, die ihre Karriere als Pianistin nach einem Unfall aufgeben mußte, Psychoanalytikerin wurde und mit über vierzig zu schreiben begann.

Ihre erste Gedichtsammlung verfaßte sie noch auf französisch, dann wechselte sie die Sprache, und Ende der dreißiger Jahre veröffentlichte sie zwei Bände mit Tessiner Geschichten und Novellen bereits auf deutsch. Die Legende sagt, sie hätte die zahlreichen Schriftsteller in ihrem Schlößchen jeden Abend mit einer erfundenen oder in der Gegend gehörten Geschichte so blendend unterhalten, daß diese sie aufforderten, all die Anekdoten um Trinker, Rebellen, kantige Bergbauern und selbstbewußte Frauen niederzuschreiben und in Buchform herauszugeben. Mit ihrem Mann suchte sie damals das zu leben, was man heute wohl eine "offene Beziehung" nennt, doch ob ihr die zahlreichen Liebschaften, die er hatte, so gleichgültig waren wie ihm die ihren, ist zu bezweifeln. Jedenfalls hat sie sich von ihm getrennt, aber nie aufgehört, ihm in seinen politischen Unternehmungen beizustehen - Rosenbaum erhielt, weil er die Internationalen Brigaden in Spanien unterstützte, bis 1945 Berufsverbot.

Ein Lebenslauf wie der von Aline Valangin provoziert biographische, mitunter auch hagiographische Würdigungen. Tatsächlich ist sie schon 1944 zur Heldin eines Romans geworden, verfaßt vom Schweizer Autor J. R. Humm; später schrieb Peter Kamber die Doppelbiographie der Eheleute, die zusammen fünfmal verheiratet waren und nach langem, unruhigem Leben doch im selben Grab in Ascona bestattet wurden; zuletzt hat die zumal Erzählerin und Journalistin Evelyne Hasler der Vielgeliebten in dem Roman "Aline und die Erfindung der Liebe" Tribut gezollt.

Aline Valangin ist heute eine Legende, aber ihre Bücher sind kaum mehr bekannt. Sehr zu Unrecht, wie der Band zeigt, mit dem der Limmat-Verlag zwei thematisch miteinander verzahnte Romane wieder zugänglich macht. "Die Bargada" ist ein düsterer Dorfroman, in einer fiktiven Tessiner Gemeinde angesiedelt. Der Roman erschien erstmals 1944 und wurde von namhaften Rezensenten gelobt. Im Jahr darauf stellte die Autorin die Fortsetzung fertig, in der die Geschichte des Dorfes während des zweiten Weltkrieges erzählt wird, und dieser Roman, der womöglich sogar der bessere ist, fand erst vierzig Jahre später seinen Verlag. "Dorf an der Grenze" rechnet kompromißlos ab mit der Schweizer Flüchtlingspolitik, ja mit der Schweizer Ideologie, sich aus den großen Konflikten herauszuhalten und dabei an ihnen gut zu verdienen.

Die Bargada ist ein stolzes Gehöft am Rand eines abgelegenen Dorfs. Das Gebiet fällt so steil ab, daß es den Bauern nie gelingt, ihrem Boden Wohlstand abzugewinnen. Einzig die Bargada liegt begünstigt, und die Familie Armini, die dieses Gut seit Menschengedenken bewirtschaftet, wird dafür von jedermann gehaßt. "Ihre Frauen holten sie sich aus anderen Gegenden. Sie schickten ihre Söhne in die Fremde, nicht um ihr Brot zu verdienen, wie es die meisten jungen Männer taten, weil der Heimatboden zu karg war, um sie zu ernähren, nein, nicht aus Not, aus Überfluß schickten sie sie weg, denn sie konnten es sich leisten, ihren Söhnen ein freies Jahr zu gönnen."

In der Auseinandersetzung, die auf der Bargada wütet, geht es nicht um Brot, sondern um etwas anderes. Seit Generationen liegen die Frauen, die hier geboren werden, aber nichts erben, mit dem einzigen Sohn im Kampf, der stets als letztes Kind zur Welt kommt und später die Nachfolge des Bauern antritt. Nein, weniger mit ihrem Bruder und Neffen kämpfen die Frauen auf der Bargada, sondern mit dessen Frau, die er sich aus irgendeiner Stadt mitgebracht hat und der in dieser Einöde meist kein langes Leben beschieden ist. Über drei Generationen spannt sich der Roman, der von der Sehnsucht der Frauen handelt, die Bargada endlich einmal zu übernehmen.

Valangin erzählt mit psychologischem Feingespür und entwirft das Schicksal ihrer Figuren vor dem Hintergrund einer geradezu lebensfeindlichen Natur und abgelebter Traditionen. Im "Dorf an der Grenze" ist der zeitliche Bogen nicht so weit gespannt, dafür sind die Konflikte in den rohen Kriegsjahren, die auch die Schweizer Isolation bedrohen, krisenhaft verschärft. Anfangs wiegen sich die Dorfbewohner noch in der Sicherheit, daß alles weitergehen werde wie bisher: "Dem Dorf schlägt keine Stunde. Seit Jahren geht die Kirchenuhr nicht mehr. Ihre Zeiger sind abgebrochen ... Die Zeit steht hier still." Aber das ist ein Irrtum, denn was draußen, in der großen Welt, geschieht, verändert auch die kleine Welt, die ohnehin nie eine heile war, und erschüttert die starre soziale Ordnung. Partisanen, Schmuggler, Flüchtlinge, sie alle kommen ins Dorf, dessen Bewohner sich bald entscheiden müssen, mit wem sie es halten. Am Ende ist die Bargada erstmals in den Besitz einer Frau übergegangen; und sie holt sich ihren Freund von Kindestagen zu sich, um den verdammten Hof, auf dem soviel Unglück geschehen ist, zu einem "glücklichen Ort" zu machen, zusammen mit ihrem Mann, "nicht unter ihm und nicht über ihm".

KARL-MARKUS GAUSS

Aline Valangin: "Die Bargada"; "Dorf an der Grenze". Zwei Romane. Limmat-Verlag, Zürich 2002. 336 S., geb., 29,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Unbeschönigend, ohne jedes niedliche Beiwerk, in einem eigenwillig prägnanten Stil gelingen ihr namentlich starke, unverwechselbare Frauengestalten höchst beeindruckend." (Tages-Anzeiger))

"Sie versteht es, die Unglücklichen und Ungläubigen, die Dorfrevoluzzer und die Schlaumeier zu charakterisieren. Sie schildert die Aggression der Armen, aber auch den Sinn der einfachen Leute für effektvolle Selbstdarstellung." (Neue Zürcher Zeitung)