Es ist allgemein bekannt, wie sehr die Auseinandersetzung H. Hesses mit der geistigen Welt Asiens sein Werk geprägt hat. Dabei ist allerdings der Einfluß Indiens bei weitem stärker beachtet worden als derjenige Chinas. In Literaturgeschichten wird vielfach die Bedeutung Chinas nicht einmal erwähnt, und es fehlen vor allem gründliche vergleichende Untersuchungen. Die entschiedene Ausrichtung auf chinesische Literatur und Philosophie, die nicht erst im Spätwerk Hesses offenkundig wurde, wird selbst in der Sekundärliteratur über das Glasperlenspiel oft nur beiläufig beachtet. Das liegt natürlich nicht zuletzt daran, daß die chinesische Geisteswelt den Autoren zuwenig bekannt ist. Diesem Mangel tritt die Arbeit von Zhuang Ying Chen entgegen und untersucht Hesses Werk aus der Sicht eines Asiaten, der auch mit der altchinesischen Literatur vertraut ist. Sie führt über die wenigen einschlägigen Publikationen zum Thema hinaus und beruht auf einer exemplarischen Untersuchung der Quellen -der Werke, Selbstzeugnisse und Briefe Hesses. Der Autor unterscheidet klar die indischen und chinesischen Anregungen, beachtet aber auch deren Verschmelzung im synkretistischen Werk Hesses. Er weist nach, wie nacheinander Taoismus und Konfuzianismus, im Alter in geringerem Maße auch der Zen-Buddhismus, dieses Werk prägten. Von entscheidender Bedeutung waren dabei die Anregungen, die von dem deutschen Missionar und Sinologen Richard Wilhelm ausgingen. Chens Arbeit ist geeignet, einseitige Tendenzen der Hesse-Forschung wie etwa die Überbetonung der Tradition deutscher Romantik zu korrigieren.