„Padua als Europäisches Wissenschafts- und Kulturzentrum von der Renaissance bis zur Aufklärung“ war das Thema einer Gemeinschaftstagung der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt und der Università degli Studi di Padova, Dipartimento di Filosofía, Pedagogia e Psicologia Applicata, die vom 2.-4. Oktober in Padua unter der Leitung von Dietrich V. ENGELHARDT (Lübeck/Karlsruhe) und Gian Franco FRIGO (Padua) im Zentrum der Stadt in der Sala delle Edicole des Palazzo Capitanio aus dem 16. Jahrhundert stattfand. Die Tagung würdigte mit den Vorträgen und Diskussionen an diesem Ort eine der bedeutendsten kulturellen Institutionen Europas: die Universität Padua, die 1222 – nach der Tradition – von einer Gruppe von Studenten und Professoren aus Bologna gegründet wurde, die nach mehr Freiheit in der Organisation ihres Studiums und ihrer Lebensführung verlangten: eine Freiheit, die ihnen und den Professoren von der mittelalterlichen Kommune und seit 1405 von der Republik Venedigs gewährleistet wurde und im Motto universa universis patavina libertas (allen alle Freiheit Paduas) einen verheißungsvollen und zugleich verpflichtenden Ausdruck gefunden hat. Auch wegen dieser Lern- und Lehrfreiheit entwickelte sich die junge Institution zu einem attraktiven Pol für viele Studenten jenseits der Alpen, besonders aus dem deutschsprachigen Raum, aber beträchtliche Gruppen kamen auch aus England oder den Niederlanden. Die Vorteile, die Padua zu einer der wesentlichen Etappen der peregrinatio academica für ausländische Studenten werden ließ, waren der geographische Ort am Fuß der Euganeischen Hügel und Ufer der Brenta, die Berühmtheit seiner antiken Monumente, die Präsenz monastischer Institutionen (studia theologica) mit ihren reichen Bibliotheken. Besonders entscheidend für die wissenschaftliche Entwicklung des Gymnasium Patavinum war die averroistische Interpretation der naturwissenschaftlichen Texte von Aristoteles - eine Tradition bis in die Epoche der Renaissance mit wichtigen Auswirkungen und Initiativen in der kommenden Zeit nicht nur in der Logik (Jacobo ZABARELLA) und Metaphysik (Pietro POMPONAZZI), sondern ebenfalls und vor allem in den Naturwissenschaften (Astronomie, Botanik, Zoologie) und der Medizin (Anatomie, Pathologie, Klinischer Unterricht), für die repräsentativ Galileo GALILEI, Fabrici D’ACQUAPENDENTE, Andreas VESAL, Giovanni DA MONTE, William HARVEY, Giovanni MARSILI, Antonio VALLISNERI, Bernardino RAMAZZINI, Giovanni Battista MORGAGNI genannt seien. Die Entwicklung verlief im 17. und 18. Jahrhundert abweichend für die verschiedenen naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen, was dann auch in jener Zeit zu kontroversen Urteilen über das Niveau der Paduaner Universität führte. Wissenschaftliche Publikationen aus dem Ausland wurden von den Bibliotheken in Padua angeschafft, umgekehrt fanden auch im Ausland Forschungsstudien aus Padua Beachtung; einschränkend für diese internationale Verbundenheit wirkten sich allerdings die Sprachgrenzen in den Zeiten aus, in denen Latein nicht mehr die allgemeine und verbindende Wissenschaftssprache war. Padua wurde von Forschern aus verschiedenen Ländern wiederholt in den Jahrhunderten der Neuzeit aufgesucht, wie ebenfalls Forscher aus Padua Reisen in andere Wissenschaftsländer unternahmen und so zur internationalen Verbundenheit beitrugen. Mit dem 19. Jahrhundert begannen dann auch in Italien und Padua die internationalen Kongresse. Die vierzehn Beiträge dieser gut besuchten 12. Tagung der Projektgruppe Europäische Wissenschaftsbeziehungen der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt lassen sich sinnvoll in drei Gruppen gliedern: Entwicklung und Bedingungen des Studiums, internationale wissenschaftliche Kontakte und Forschungen, kulturelle Zeugnisse und Initiativen. Neben übergreifenden Darstellungen standen konkrete Detailstudien, neben interdisziplinären Betrachtungen disziplinäre Analysen. Organisatoren und Vortragenden war stets bewusst, dass bei diesem weitgespannten Thema nur paradigmatische Schwerpunkte gesetzt werden konnten, die nach Erweiterung und Vertiefung verlangen, nach komparativen Referaten bisheriger Forschungen auf diesem Gebiet, allgemein und speziell im Blick auf Padua. Insgesamt wurde in den Vorträgen und Diskussionen die vor allem naturwissenschaftlich-medizinische wie ebenfalls kulturelle Verbundenheit Paduas mit Europa manifest. Beeindruckt waren Vortragende und Zuhörer von der Inschrift an der Wand der Sala delle Edicole des Symposiums: „homo tantum potest quantum scit“, eine stimulierende Vorwegnahme von Francis BACONs berühmter Devise: „knowledge is power“.