Ja, das Buch macht ein bisschen Arbeit. Emotionale zumindest. Man muss den Erich Kästner seiner Kindheit ausblenden, vielleicht auch hinter sich lassen. In dieser fiktionalisierten Geschichte geht es um den Mann Kästner. Gealtert, aber nicht weniger lüsternd, sobald junge attraktive Frauen in seinem
Umfeld auftauchen. Immerhin: Der Autor glorifiziert es nicht, im Gegenteil, schafft es dennoch, das…mehrJa, das Buch macht ein bisschen Arbeit. Emotionale zumindest. Man muss den Erich Kästner seiner Kindheit ausblenden, vielleicht auch hinter sich lassen. In dieser fiktionalisierten Geschichte geht es um den Mann Kästner. Gealtert, aber nicht weniger lüsternd, sobald junge attraktive Frauen in seinem Umfeld auftauchen. Immerhin: Der Autor glorifiziert es nicht, im Gegenteil, schafft es dennoch, das Denkmal Kästner nicht mit dem Vorschlaghammer zu zertrümmern.
Es sind die 1960er-Jahre, Kästner ist nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch in ein Sanatorium am Luganer See. Ganz allein, fern von seiner Frau, fern von seiner Geliebten und ihrem gemeinsamen Sohn. Immer wieder betrachtet er die Beziehungen zwischen seinen Frauen, wägt ab, hofft auf eine Nachricht von der einen, bekommt aber bloß die der anderen. Freude kommt in dieser freudlosen klinischen Gegend nur von Schnaps und Zigaretten, die ihm bald verboten werden, und einem jungen Fräulein, Fan seiner Bücher, die sich abends an seinen Tisch setzt. Kritisch beäugt von einer älteren Tischnachbarin, die Kästner wie dem Fräulein nicht nur einmal ins Gewissen redet.
Die Kulisse ist bewusst an den Zauberberg angelehnt, was ja irgendwie doppelt passt, vom Kästner-Jahr 2024 zum Mann-Jahr 2025. Und zauberhaft geht es auch in Tobias Rollers Roman zu. Denn die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen dort auf dem Collina d’Oro, dem Goldhügel, zunehmend, und schon bald wissen Leser:innen kaum noch, welche der Figuren echt sind und welche nur Kästners Fantasie entspringen und auf Personen in seinem Umfeld basieren – Ehefrau, Geliebte, Vater, Mutter, …
Autor Roller wurde, so heißt es, für „Der Goldhügel“ nicht immer freundlich empfangen, sahen manche sein Buch doch als Verunglimpfung Kästners. Dabei ist es das gar nicht. Kästner wird nicht bejubelt, aber auch nicht zerstört. Sein Verhältnis zu Frauen reflektiert der fiktionale Kästner durchaus kritisch, es wird nicht als „Ach, damals war das halt so.“ abgetan. Es wird ein Blick in sein Innerstes geworfen, zwischen den Erfolgen der Vorjahre und vor seinen letzten Romanen, die er für seinen Sohn schrieb.
Und es ist auch ein Buch, in dem die Frauen vom Lustobjekt zu kraftvollen Personen werden, die Kästner in die Schranken weisen, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, die auch selbst Abschied von einem Bild Kästners nehmen, um mit einem anderen weiterzuleben. In diesem Sinne ist „Der Goldhügel“ also keine kritische Auseinandersetzung mit dem Autor, sondern doch eine Art freundliche, unterhaltsame und gut erzählte Verbeugung.