orangefarbene kugelige Wesen mit nur wenig Verstand. Vorzugsweise machen sie es sich auf Ziegen gemütlich und setzen sich unter kreischendem Freudengeschrei in deren Fell fest. Als Einzelwesen mögen Gapper nur nervig wie eine Klette sein, als Invasion indes werden sie bedrohlich.
Dies muß das kleine Mädchen Serena erfahren, als eines Tages die ganze Gappertruppe nur auf ihre Weide und die Ziegen krabbelt. Während die Nachbarkinder fröhliche, bürstenfreie Zeiten erleben dürfen, kann Serena bald ihre Aufgabe allein nicht mehr bewältigen. Als sie ihre Nachbarn um Hilfe bittet, wird sie scharf zurückgewiesen: Jeder müsse für sich selbst sorgen, man habe genug mit sich zu tun. Prompt rückt auch schon eine Schleppmannschaft an, die die Häuser der Nachbarn schnell in gehörigen Sicherheitsabstand rücken. Was für ein unbarmherziges Miteinander!
Die aktuellen Bezüge der Geschichte sind deutlich. Der amerikanische Autor George Saunders zeichnet ein beklemmendes Porträt unserer Ellbogengesellschaft und überspitzt das nachbarschaftliche Verhalten fast sarkastisch bis ins Tragikomische. Wenn die Beispielgeschichte nicht zur Moralpredigt gerät, liegt das an der Improvisationslust des Textes, an seiner Art, ins Uferlose drauflos zu schwadronieren und nicht zuletzt an der ständigen Eskalation seiner Komik. Man hört der Geschichte an, daß sie in einer lebendigen familiären Erzählsituation entstand und gemeinsam mit den Töchtern des Autors weitergesponnen wurde.
Die traumverlorenen, aquarellierten Illustrationen von Lane Smith verbildlichen vor allem die symbolische Ebene der Handlung. Smith bedient sich dabei eines ungewöhnlichen Stilmixes: Einerseits greift er auf die mythisch dunklen Motive eines Marc Chagall zurück, hier scheinen die Bilder in Öl gefertigt; dann wieder weisen sie als Montagen und Collagen auf die Gestaltungsformen der Moderne; manche Szenen muten surrealistisch an, schräge Bildausschnitte verfremden die Darstellungen zusätzlich. Dazwischen sieht man comicartige, mit modernem Strich gezeichnete einfache Kindfiguren. Die leuchtend farbenen Gapper erinnern an heiteres Fantasy-Getier.
Auch in der Wahl seiner Techniken gelingt es Lane Smith, außergewöhnliche Stimmungen zu erzeugen. Hier dient ihm übermaltes Zeitungspapier als Hintergrund, dort scheint er seine Bilder mit Leinwänden zu unterlegen, die eine vergilbte brüchige Patina aufweisen. Einige seiner Aquarelle wirken wie auf poröses Mauerwerk aufgetragen. Die stumpfe Farbigkeit vergangener Anstriche scheint durchzuleuchten und verleiht den Bildern eine melancholische Strenge. Smiths verrückte Bildgeschichten führen in eine eigene märchenhafte und dabei ganz moderne Welt. So ergänzen sich der Bild- und der Textkünstler. Gemeinsam erzählen sie eine hintergründige Geschichte, die aufwecken soll und zugleich zum Träumen verleitet.
CAROLINE ROEDER
George Saunders: "Die furchtbar hartnäckigen Gapper von Frip". Illustrationen von Lane Smith. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Frank Heibert. Bloomsbury Verlag, Berlin 2004. 92 S. geb., 12,90 [Euro]. Ab 6 J.
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