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Was hält eine Familie zusammen, in der es nur Fliehkräfte zu geben scheint und alles darauf hinausläuft, dass etwas zu Bruch geht? Am Ende nur die eigene Geschichte. Dana von Suffrin hat einen virtuosen Roman über modernes jüdisches Leben zwischen München und Tel Aviv geschrieben.Der Tod ihres Vaters und die Auflösung seiner Wohnung bringen für Rosa vieles in Bewegung, bei dem sie eigentlich froh war, dass es geruht hatte. Denn die Geschichte der Familie Jeruscher ist ein einziges Durcheinander aus Streitereien, versuchten oder gelungenen Fluchten, aus Sehnsüchten und enttäuschten Ho...
Was hält eine Familie zusammen, in der es nur Fliehkräfte zu geben scheint und alles darauf hinausläuft, dass etwas zu Bruch geht? Am Ende nur die eigene Geschichte. Dana von Suffrin hat einen virtuosen Roman über modernes jüdisches Leben zwischen München und Tel Aviv geschrieben.
Der Tod ihres Vaters und die Auflösung seiner Wohnung bringen für Rosa vieles in Bewegung, bei dem sie eigentlich froh war, dass es geruht hatte. Denn die Geschichte der Familie Jeruscher ist ein einziges Durcheinander aus Streitereien, versuchten oder gelungenen Fluchten, aus Sehnsüchten und enttäuschten Hoffnungen und dem vergeblichen Wunsch, irgendwo heimisch zu werden. Nun ist alles wieder da: die Erinnerungen an ihre irrwitzige Kindheit in den 90ern, an das Scheitern der Ehe der Eltern und die Verwandtschaft in Israel, aber auch ihre verschwundene ältere Schwester, mit der sie aus gutem Grund gebrochen hatte.
Kraftvoll und mit großartigem schwarzen Humor erzählt Dana von Suffrinvon einer deutsch-jüdischen Familie, in der ein ganzes Jahrhundert voller Gewalt und Vertreibung nachwirkt - und von zwei Schwestern, die sich entzweien und wieder versöhnen, weil es etwas gibt, das nur sie aneinander verstehen.
Der Tod ihres Vaters und die Auflösung seiner Wohnung bringen für Rosa vieles in Bewegung, bei dem sie eigentlich froh war, dass es geruht hatte. Denn die Geschichte der Familie Jeruscher ist ein einziges Durcheinander aus Streitereien, versuchten oder gelungenen Fluchten, aus Sehnsüchten und enttäuschten Hoffnungen und dem vergeblichen Wunsch, irgendwo heimisch zu werden. Nun ist alles wieder da: die Erinnerungen an ihre irrwitzige Kindheit in den 90ern, an das Scheitern der Ehe der Eltern und die Verwandtschaft in Israel, aber auch ihre verschwundene ältere Schwester, mit der sie aus gutem Grund gebrochen hatte.
Kraftvoll und mit großartigem schwarzen Humor erzählt Dana von Suffrinvon einer deutsch-jüdischen Familie, in der ein ganzes Jahrhundert voller Gewalt und Vertreibung nachwirkt - und von zwei Schwestern, die sich entzweien und wieder versöhnen, weil es etwas gibt, das nur sie aneinander verstehen.
Dana von Suffrin wurde 1985 in München geboren. Studium in München, Neapel und Jerusalem. 2017 Promotion mit einer Arbeit zur Rolle von Wissenschaft und Ideologie im frühen Zionismus. Ihr Romandebüt 'Otto' wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Klaus-Michael-Kühne-Preis (2019), dem Ernst Hoferichter-Preis (2020) und dem Förderpreis des Friedrich-Hölderlin-Preises (2020). Sie lebt in München.
Produktbeschreibung
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- 4. Aufl.
- Seitenzahl: 240
- Erscheinungstermin: 7. März 2024
- Deutsch
- Abmessung: 208mm x 135mm x 26mm
- Gewicht: 332g
- ISBN-13: 9783462002973
- ISBN-10: 346200297X
- Artikelnr.: 69134232
Herstellerkennzeichnung
Kiepenheuer & Witsch GmbH
Bahnhofsvorplatz 1
50667 Köln
produktsicherheit@kiwi-verlag.de
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Jan Drees wünscht sich nach "Otto" und diesem neuen Roman schnell eine Fortsetzung von Dana von Suffrins jüdischer Familiengeschichte. Aber daran hat der Kritiker wenig Zweifel, ist Suffrin doch mit dem Freud'schen Wiederholungszwang bestens vertraut, wie nicht nur der Titel verspricht. Auch die Geschichte selbst kreist immer wieder um das ungleiche Schwesternpaar Rosa und Nadja, die nach dem Tod des Vaters und dem Verschwinden der Mutter letzte Dinge zu regeln haben. Immer wieder werden die Episoden unterbrochen von retrospektiven Anekdoten Rosas, die sich an ihre Kindheit, das komplizierte Elternverhältnis oder die nicht weniger schwierige Beziehung zu ihrer Schwester erinnert. Nach und nach blickt der Kritiker durch ein "Kaleidoskop" der Neurosen, das München der Achtziger schimmert ebenso durch wie die Besuche bei der Großmutter in Israel. Vor allem aber, und das betont Drees, bestechen der Witz und die Ironie, mit denen Suffrin mit vermeintlichen Identitäten spielt, etwa wenn sie ihre deutsche Mutter mit BDM-Zöpfen beschreibt. Und wenn Suffrin ihre "Woody-Allen-Figuren" vor dem Hintergrund von Holocaust und Antisemitismus ohne jede Sentimentalität Familiendramen erleben lässt, sieht Drees sie gar in der Tradition des großen jüdisch-amerikanischen Romans.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Das, was jeder richtige jüdische Vater hat
Nomen est omen: Dana von Suffrins neuer Roman "Nochmal von vorne" variiert das Vorgängerbuch
Dana von Suffrin hat ihren zweiten deutsch-jüdischen Familienroman geschrieben, der eine Variation ihres ersten deutsch-jüdischen Familienromans ist, der wiederum von einem moribunden Patriarchen aus Siebenbürgen und dessen Töchtern handelte. Jetzt ist es ein Telefonanruf, der den Tod eines weiteren Kranken mit siebenbürgischen Wurzeln vermeldet. Herr Jeruscher ist soeben seinem Krebsleiden erlegen.
Es gibt zwei Töchter, die sich um die Formalitäten kümmern und zu ihrer jetzt abwesenden Familie eine Haltung entwickeln müssen. Denn auch ihre nichtjüdische Mutter ist tot -
Nomen est omen: Dana von Suffrins neuer Roman "Nochmal von vorne" variiert das Vorgängerbuch
Dana von Suffrin hat ihren zweiten deutsch-jüdischen Familienroman geschrieben, der eine Variation ihres ersten deutsch-jüdischen Familienromans ist, der wiederum von einem moribunden Patriarchen aus Siebenbürgen und dessen Töchtern handelte. Jetzt ist es ein Telefonanruf, der den Tod eines weiteren Kranken mit siebenbürgischen Wurzeln vermeldet. Herr Jeruscher ist soeben seinem Krebsleiden erlegen.
Es gibt zwei Töchter, die sich um die Formalitäten kümmern und zu ihrer jetzt abwesenden Familie eine Haltung entwickeln müssen. Denn auch ihre nichtjüdische Mutter ist tot -
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oder auf ihrem späten Selbstfindungstrip in Thailand verschollen gegangen. "Nochmal von vorne" ist damit ein Titel, der auf die Geschichte des Romans ebenso verweist wie auf dessen 2019 erschienenen Vorgänger "Otto". Seine 1985 in München geborene Autorin, die Tochter einer deutschen Mutter und eines israelischen Vaters, erforscht darin die Prägungen durch eine schwierige Elternkonstellation. Diese ist das Ergebnis kultureller Missverständnisse und einer gescheiterten Familienplanung zwischen Haifa und München: "Mein Vater hatte, wie jeder richtige jüdische Vater, immer Verstopfung und gab uns abwechselnd die Schuld daran, meiner Mutter wegen ihrer peripheren Küchenkenntnisse, Nadja und mir wegen unserer 'Launen', 'Flausen' oder 'Aufsässigkeiten'."
Die ersten zehn Seiten des Romans sind spektakulär, weil sie alles, wovon die Geschichte auf der privaten Ebene handelt, weltgeschichtlich komprimieren. Nicht nur die Geschichte der Siebenbürger Juden, sondern auch die Geschichte der Familie Jeruscher, die Opfer dieser Geschichte wurde. Rumänien 1940: "Der zweite Wiener Schiedsspruch wurde verkündet, und der arme rumänische Außenminister, der sich schon lange nicht gut gefühlt hatte, fasste sich an die Brust, er spürte einen stechenden Schmerz vom Brustbein bis in den Kiefer, es war natürlich ein Herzanfall, aber er musste trotzdem am Bankett teilnehmen, und er saß schweißüberströmt an seinem Platz, alles war gedeckt mit Meißener Porzellan, und die Bediensteten brachten ihm einen Gang nach dem anderen und räumten ungerührt die vollen Teller wieder ab, denn der Außenminister konnte nicht einmal mehr die Gabel zum Mund führen."
Folgendes war geschehen: Nordsiebenbürgen wurde auf Druck des Dritten Reichs wieder von Rumänien abgetrennt und an das faschistische Ungarn übergeben, womit die nordsiebenbürgischen Juden ihr Todesurteil erhielten. Sie wurden 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert, während die Deportationen im siebenbürgischen Rumänien erst verschoben und später unterlassen wurden. Jene Juden, die den Zweiten Weltkrieg in Ungarn überlebt haben, emigrierten später wie auch die Familie Jeruscher meist nach Israel. "Wir können uns diese Leute kaum vorstellen", schreibt Rosa Jeruscher, die Erzählerin: "Wir sehen eine Masse und montieren Gesichter hinein, die wir irgendwo gesehen haben, damit wir überhaupt irgendetwas sehen, und wir erfinden Geschichten oder wiederholen, was uns irgendjemand erzählt hat. Ich weiß nicht, wer uns alle durch die Geschichte schmettert und uns an den blödesten Orten aufkommen lässt. Mein Großvater hätte gesagt: Der liebe Gott!, und er hätte sich nicht beschwert, denn Lewitas aus Jabne sagt: Sei sehr, sehr demütig, denn die Hoffnung des Menschen ist das Gewürm."
Rosas Vater hatte aus dieser kollektiven Demut schon lange eine pragmatische Schule des Lebens gemacht. "Er fand, dass man das tun muss, was das Leben einem eben aufgibt, er glaubte also an eine Art Schicksal, aber nicht in einem metaphysischen Sinne, eher so wie ein Autofahrer, der stets einen Wagenheber und ein Ersatzrad dabei hat." So kommt man durchs Leben, wenn auch etwas beschwert und eher defensiv.
Rosas Vater war in Israel aufgewachsen und zum Studieren nach Deutschland gekommen. Dort hatte er Rosas Mutter kennengelernt. Und es dann den eigenen Erwartungen zum Trotz nicht zum Topwissenschaftler gebracht, sondern nur zum Laboranten der Münchner Stadtwerke, wo er ein ganzes Berufsleben lang Wasserproben aus der Kanalisation auf Rückstände untersuchte. Ironie der Geschichte: Ein Jude bewahrt die Deutschen vor ihren körpereigenen Keimen.
Das Leben des Laboranten ist aber auch außerhalb der Stadtwerke eine Geschichte zwischen Frust und Resignation. Frau und Mann verkümmern im je toten Winkel des anderen. "Es wäre natürlich schöner, die Geschichte einer großen Liebe zu erzählen, einer Liebe zwischen einer Deutschen und einem Israeli, zwischen einer Katholikin und einem Juden, die sich gegen alle Widerstände durchgesetzt haben, die händchenhaltend durch die Gedenkstätte in Dachau spaziert sind", schreibt Rosa, "aber so war es natürlich nicht, es war ganz anders, es war völlig banal." Während die große Tochter Nadja ihrem Vater nämlich mit aufsässigem Verhalten Kummer bereitet und die eigene Ehefrau sich in zynischen Sticheleien über die jüdische Angst ergeht, ist Rosa diejenige, die alles zusammenhält, wobei sie sich selbst abhanden kommt.
Ihr Erkenntnisinteresse sei es nachzuzeichnen, nicht wie jemand glücklich werde, sagte Dana von Suffrin in einem Fernsehbericht, sondern wie er unglücklich werde. Ihr Buch widmet sich dieser Aufgabe wiederum auf glückliche, will sagen: heitere Weise. Die Erzählerin unternimmt hierfür eine Reise in die bundesdeutschen Neunzigerjahre, schildert eine Jugend in Münchner Vororten, ein Teenagerleben unter Traumatisierten und Desillusionierten, aber auch zwischen Nirvana-Alben und Bärbel-Schäfer-Talkshows. Dana von Suffrin webt auch historische Episoden über jüdisches Leben und jüdische Erzählungen zwischen Osteuropa und Israel in ihre Erzählung ein.
Daraus entsteht ein Fragment, das immer wieder funkelt, aber nach der eigenen Form noch sucht. Einzelne Episoden bleiben auf der Strecke, wie etwa der mysteriöse Tod des Vaterbruders in einem Münchner Vorort. Auch das Leben der sadistisch kalten, dann selbstgefährdenden Schwester der Erzählerin gibt Rätsel auf. Man würde gerne mehr über dieses heikle Romanpersonal erfahren und hofft deshalb auf eine Wiederbegegnung im nächsten Buch. KATHARINA TEUTSCH
Dana von Suffrin: "Nochmal von vorne". Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024. 235 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Die ersten zehn Seiten des Romans sind spektakulär, weil sie alles, wovon die Geschichte auf der privaten Ebene handelt, weltgeschichtlich komprimieren. Nicht nur die Geschichte der Siebenbürger Juden, sondern auch die Geschichte der Familie Jeruscher, die Opfer dieser Geschichte wurde. Rumänien 1940: "Der zweite Wiener Schiedsspruch wurde verkündet, und der arme rumänische Außenminister, der sich schon lange nicht gut gefühlt hatte, fasste sich an die Brust, er spürte einen stechenden Schmerz vom Brustbein bis in den Kiefer, es war natürlich ein Herzanfall, aber er musste trotzdem am Bankett teilnehmen, und er saß schweißüberströmt an seinem Platz, alles war gedeckt mit Meißener Porzellan, und die Bediensteten brachten ihm einen Gang nach dem anderen und räumten ungerührt die vollen Teller wieder ab, denn der Außenminister konnte nicht einmal mehr die Gabel zum Mund führen."
Folgendes war geschehen: Nordsiebenbürgen wurde auf Druck des Dritten Reichs wieder von Rumänien abgetrennt und an das faschistische Ungarn übergeben, womit die nordsiebenbürgischen Juden ihr Todesurteil erhielten. Sie wurden 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert, während die Deportationen im siebenbürgischen Rumänien erst verschoben und später unterlassen wurden. Jene Juden, die den Zweiten Weltkrieg in Ungarn überlebt haben, emigrierten später wie auch die Familie Jeruscher meist nach Israel. "Wir können uns diese Leute kaum vorstellen", schreibt Rosa Jeruscher, die Erzählerin: "Wir sehen eine Masse und montieren Gesichter hinein, die wir irgendwo gesehen haben, damit wir überhaupt irgendetwas sehen, und wir erfinden Geschichten oder wiederholen, was uns irgendjemand erzählt hat. Ich weiß nicht, wer uns alle durch die Geschichte schmettert und uns an den blödesten Orten aufkommen lässt. Mein Großvater hätte gesagt: Der liebe Gott!, und er hätte sich nicht beschwert, denn Lewitas aus Jabne sagt: Sei sehr, sehr demütig, denn die Hoffnung des Menschen ist das Gewürm."
Rosas Vater hatte aus dieser kollektiven Demut schon lange eine pragmatische Schule des Lebens gemacht. "Er fand, dass man das tun muss, was das Leben einem eben aufgibt, er glaubte also an eine Art Schicksal, aber nicht in einem metaphysischen Sinne, eher so wie ein Autofahrer, der stets einen Wagenheber und ein Ersatzrad dabei hat." So kommt man durchs Leben, wenn auch etwas beschwert und eher defensiv.
Rosas Vater war in Israel aufgewachsen und zum Studieren nach Deutschland gekommen. Dort hatte er Rosas Mutter kennengelernt. Und es dann den eigenen Erwartungen zum Trotz nicht zum Topwissenschaftler gebracht, sondern nur zum Laboranten der Münchner Stadtwerke, wo er ein ganzes Berufsleben lang Wasserproben aus der Kanalisation auf Rückstände untersuchte. Ironie der Geschichte: Ein Jude bewahrt die Deutschen vor ihren körpereigenen Keimen.
Das Leben des Laboranten ist aber auch außerhalb der Stadtwerke eine Geschichte zwischen Frust und Resignation. Frau und Mann verkümmern im je toten Winkel des anderen. "Es wäre natürlich schöner, die Geschichte einer großen Liebe zu erzählen, einer Liebe zwischen einer Deutschen und einem Israeli, zwischen einer Katholikin und einem Juden, die sich gegen alle Widerstände durchgesetzt haben, die händchenhaltend durch die Gedenkstätte in Dachau spaziert sind", schreibt Rosa, "aber so war es natürlich nicht, es war ganz anders, es war völlig banal." Während die große Tochter Nadja ihrem Vater nämlich mit aufsässigem Verhalten Kummer bereitet und die eigene Ehefrau sich in zynischen Sticheleien über die jüdische Angst ergeht, ist Rosa diejenige, die alles zusammenhält, wobei sie sich selbst abhanden kommt.
Ihr Erkenntnisinteresse sei es nachzuzeichnen, nicht wie jemand glücklich werde, sagte Dana von Suffrin in einem Fernsehbericht, sondern wie er unglücklich werde. Ihr Buch widmet sich dieser Aufgabe wiederum auf glückliche, will sagen: heitere Weise. Die Erzählerin unternimmt hierfür eine Reise in die bundesdeutschen Neunzigerjahre, schildert eine Jugend in Münchner Vororten, ein Teenagerleben unter Traumatisierten und Desillusionierten, aber auch zwischen Nirvana-Alben und Bärbel-Schäfer-Talkshows. Dana von Suffrin webt auch historische Episoden über jüdisches Leben und jüdische Erzählungen zwischen Osteuropa und Israel in ihre Erzählung ein.
Daraus entsteht ein Fragment, das immer wieder funkelt, aber nach der eigenen Form noch sucht. Einzelne Episoden bleiben auf der Strecke, wie etwa der mysteriöse Tod des Vaterbruders in einem Münchner Vorort. Auch das Leben der sadistisch kalten, dann selbstgefährdenden Schwester der Erzählerin gibt Rätsel auf. Man würde gerne mehr über dieses heikle Romanpersonal erfahren und hofft deshalb auf eine Wiederbegegnung im nächsten Buch. KATHARINA TEUTSCH
Dana von Suffrin: "Nochmal von vorne". Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2024. 235 S., geb., 23,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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»Dana von Suffrin versteht es meisterhaft, tonnenschwere Themen federleicht zu erzählen. Klug, witzig und liebevoll, dabei mit herrlich schwarzem Humor.« Sabine Abel BR Fernsehen "Wir in Bayern" 20250321
Rezensent Jan Drees wünscht sich nach "Otto" und diesem neuen Roman schnell eine Fortsetzung von Dana von Suffrins jüdischer Familiengeschichte. Aber daran hat der Kritiker wenig Zweifel, ist Suffrin doch mit dem Freud'schen Wiederholungszwang bestens vertraut, wie nicht nur der Titel verspricht. Auch die Geschichte selbst kreist immer wieder um das ungleiche Schwesternpaar Rosa und Nadja, die nach dem Tod des Vaters und dem Verschwinden der Mutter letzte Dinge zu regeln haben. Immer wieder werden die Episoden unterbrochen von retrospektiven Anekdoten Rosas, die sich an ihre Kindheit, das komplizierte Elternverhältnis oder die nicht weniger schwierige Beziehung zu ihrer Schwester erinnert. Nach und nach blickt der Kritiker durch ein "Kaleidoskop" der Neurosen, das München der Achtziger schimmert ebenso durch wie die Besuche bei der Großmutter in Israel. Vor allem aber, und das betont Drees, bestechen der Witz und die Ironie, mit denen Suffrin mit vermeintlichen Identitäten spielt, etwa wenn sie ihre deutsche Mutter mit BDM-Zöpfen beschreibt. Und wenn Suffrin ihre "Woody-Allen-Figuren" vor dem Hintergrund von Holocaust und Antisemitismus ohne jede Sentimentalität Familiendramen erleben lässt, sieht Drees sie gar in der Tradition des großen jüdisch-amerikanischen Romans.
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»Du bist also an dem Tag, an dem wir sozusagen unsere Wurzeln verloren haben, über eine Wurzel gefallen, das ist doch hochinteressant, sagt sie, das ist quasi freudianisch, hast du darüber nicht nachgedacht heute Nacht? Ich antworte nicht, denn ich bin ja nur über die Wurzel …
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»Du bist also an dem Tag, an dem wir sozusagen unsere Wurzeln verloren haben, über eine Wurzel gefallen, das ist doch hochinteressant, sagt sie, das ist quasi freudianisch, hast du darüber nicht nachgedacht heute Nacht? Ich antworte nicht, denn ich bin ja nur über die Wurzel gefallen, weil sie in meinem Weg war.« |230
Wem gehört unsere Geschichte? Unseren Eltern und was ist mit der Generation darüber? Und wann gehört unsere Geschichte uns selbst? Ist es, wenn Mutter und Vater gestorben sind und ihre Wurzeln nicht mehr im Weg? Ist es, wenn die Geschichten über unsere Großeltern zu fragmentierten Anekdoten werden? Oder ist es nie so weit, stellen sie sich immer quer und verästeln sich immer weiter in viele Richtungen? Es gibt doch immer Andere, die anderen Verläufe folgen und auch auf Quellen der Geschichte kommen.
Rosa ist voll von verästelten Wurzeln, den sichtbaren, den entdeckten und den verborgenen. Ihr Papa, der stark nach der Vaterfigur des Debütromans »Otto« klingt, ist gerade gestorben und nun sitzt sie in seiner Wohnung, isst sein abgepacktes Brot, die Oliven aus dem Glas und denkt über ihn und die Familie nach. Sie tastet seine zurückgezogene Schweigsamkeit ab, seine Strenge, die Bescheidenheit und den Wunsch nach ruhiger Normalität. Sie folgt der Geschichte ihres Vaters, der Jude war, der in Israel zur Welt kam als Kind einer Holocaustüberlebenden aus Ungarn, der ausgerechnet nach Deutschland ging und eine aus Sicht von Rosa lieblose Ehe mit einer Deutschen einging. Dass diese aus der Ehe ausbrach, wie zuvor aus ihrem Nazi-Elternhaus und dann für immer verschwand, ist eine Randnotiz für Rosa, während sie für ihre Schwester den Mittelpunkt ihrer Biographie bildet.
Harmonisch, gleichmütig fließend erzählt sich der Roman, unter dessen Oberfläche es brodelt, ohne zu explodieren. Von Suffrin gelingt es, über Andeutungen und in Nacherzählung von fragmentarisch überlieferten Geschichten, Spannungen in der jüdisch-deutschen Familiengeschichte aufzubauen. Mit der Schwester zeigen sich die Variationsmöglichkeiten in einer Familiengeschichte.
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Wie schon in ihrem Debut "Otto" widmet sich Dana von Suffrin auch in "Nochmal von vorne" einer dysfunktionalen, traumatisierten deutsch-(ost)jüdischen Familie. Das ist oft schwarz-humorig, bohrt in Abgründen ohne immer Antworten zu haben. Das Buch hat wenig Handlung, …
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Wie schon in ihrem Debut "Otto" widmet sich Dana von Suffrin auch in "Nochmal von vorne" einer dysfunktionalen, traumatisierten deutsch-(ost)jüdischen Familie. Das ist oft schwarz-humorig, bohrt in Abgründen ohne immer Antworten zu haben. Das Buch hat wenig Handlung, beleuchtet in Rückblenden das Familienleben mit all seinen Abgründen. Und obwohl das Buch durchaus Potential zu einer sehr dunklen Lektüre hat, wird es nicht dauerhaft düster. Die Ich-Erzählerin Rosa vermittelt immer die Hoffnung, zwar nicht auf eine strahlende Zukunft, aber darauf, irgendwie mit diesem Leben und all seinem Ballast zurecht zu kommen.
Wem "Otto" gefallen hat, der wird auch das neue Buch von Dana von Suffrin mögen. Wer hingeben ein Problem mit Schachtelsätzen und/oder der Abwesenheit einer Handlung hat, wird mit diesem Buch nicht glücklich werden.
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Da capo
Auch der zweite Roman von Dana von Suffrin mit dem Titel «Nochmal von vorne» widmet sich dem Thema jüdisches Leben in Deutschland, die promovierte Historikerin beschreibt darin die komplizierte Geschichte einer vierköpfigen Familie aus der Perspektive der …
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Da capo
Auch der zweite Roman von Dana von Suffrin mit dem Titel «Nochmal von vorne» widmet sich dem Thema jüdisches Leben in Deutschland, die promovierte Historikerin beschreibt darin die komplizierte Geschichte einer vierköpfigen Familie aus der Perspektive der jüngeren Tochter. Dabei deckt diese unverkennbar autobiografisch gefärbte, fragmentarisch erzählte Geschichte einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren ab. Sie beginnt in der Jetztzeit mit dem Tod des aus Siebenbürgen stammenden Vaters, um dann in vielen Rückblenden bis in die 90er Jahre hinein, bis in die Kindheit der Ich-Erzählerin Rosa zurück zu schweifen. Schon der Buchtitel deutet auf ein Da capo hin, denn der Debütroman «Otto» handelte von ebendieser chaotischen Familie, die in dem neuen, für den Deutsche Buchpreis nominierten Roman nun erneut im Fokus steht.
Diese deutsch-rumänische Familie ist von extremen Fliehkräften geprägt, denn alle Vier, Vater, Mutter, Rosa und ihre ältere Schwester Nadja, trachten aus ganz unterschiedlichen Gründen danach, ihrer Familie zu entkommen. Beweggründe dafür sind unerfüllte Sehnsüchte, Heimatlosigkeit, Freiheitsdrang, Überdruss der Ehepartner, dauernde Streitereien und die Divergenz der intellektuellen Fähigkeiten, die da ungebremst aufeinander prallen. Der Vater hat in Rumänien ein Studium der Chemie absolviert, das aber in Deutschland nicht anerkannt wird. Er arbeitet deshalb nun als Laborant der Münchner Stadtwerke und kontrolliert Proben des Abwassers. Studienabbrecher sind auch die beiden ungleichen Schwestern. Rosa ist wenigstens im Archiv ihrer Fakultät an der Uni untergekommen, Nadja hingegen schlägt sich mit ständig wechselnden Jobs mehr schlecht als recht durchs Leben. Am Ende des Romans lebt sie mit einer Professorin für Medien-Theorie in deren, nach Ansicht Rosas, hässlichem Einfamilienhaus zusammen und führt, ganz ungewöhnlich für sie, den gemeinsamen Haushalt.
Nach dem Tod des Vaters ist die Ich-Erzählerin gezwungen, sich um die Auflösung seiner Wohnung in Rumänien zu kümmern. Mit ihrer älteren Schwester hat Rosa seit sechs Jahren keinen Kontakt mehr, also muss sie sich alleine um den Nachlass kümmern. Sie bestellt eine Firma, um die Wohnung auszuräumen und den armseligen Hausrat zu entsorgen. Und da sie auch keine irgendwo versteckten Ersparnisse fand, muss sie auch noch allein für die Bestattungs-Kosten aufkommen, denn sie kann die exzentrische Nadja nicht mal mehr telefonisch erreichen. Zwischen Vater und Mutter tobte ein ständiger Streit, der meistens von der aggressiven Mutter ausging, die ihren Mann für einen Schlappschwanz hielt, der sich antriebslos in seiner unter-qualifizierten Stellung eingerichtet hat, wodurch die Familie zu einem sehr bescheidenen Leben gezwungen war. Ein Ausbruch der Mutter aus diesen bedrückenden Verhältnissen war dann ihre Selbstfindungs-Reise nach Thailand, von der sie nie mehr zurück gekehrt ist. Sie war zu weit ins Meer hinaus geschwommen, kam nicht mehr zurück und wurde nach zwei Wochen für tot erklärt. Schlimmer noch als die Mutter ist die launische Nadja mit ihren Neurosen, die oft nicht reagiert, wenn man sie anspricht, oder einfach mitten im Gespräch wegläuft. Sie ist eine Exzentrikerin durch und durch, die sich keinen Konventionen beugt, sich wie ein Paradiesvogel herrichtet und anzieht, manchmal von einem Tag zum anderen wieder ganz anders.
Unter Verzicht auf einen linear erzählten Plot und mit nicht immer nachvollziehbaren Szenewechseln wird in dieser Familiengeschichte ein Jahrhundert voller politischer Verwerfungen gespiegelt, ohne dass ein Holocaust-Roman daraus geworden ist. Erzählt wird in einer schlichten, leicht lesbaren und vorwärts drängenden Sprache, in der unverkennbar eine leichte Ironie mitschwingt und manchmal auch die jüdische Abart des schwarzen Humors.
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Nochmal von vorne
Eine deutsch-jüdische Familiengeschichte.
Die Familie, das sind die Erzählerin Rosa, ihre Schwester Nadja, die deutsche Muttern, der aus Israel stammende Vater und Onkel Ari.
Erzählt wird aus Anlaß des Todes des Vaters. Daher wird nicht linear sondern …
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Nochmal von vorne
Eine deutsch-jüdische Familiengeschichte.
Die Familie, das sind die Erzählerin Rosa, ihre Schwester Nadja, die deutsche Muttern, der aus Israel stammende Vater und Onkel Ari.
Erzählt wird aus Anlaß des Todes des Vaters. Daher wird nicht linear sondern in der Zeit springend zurückerinnert.
Es war keine einfache Kindheit für Rosa. Die ewig streitenden Eltern, die eigenwillige Schwester. Das überforderte das ruhige, harmoniesüchtige Kind.
Dana von Suffrin hat einen eigenständigen Stil und sie versteht es, die Emotionen der Figuren zu vermitteln.
Fazit: Eine bemerkenswerte Familiengeschichte, mit Figuren, die beim Lesen lebendig werden.
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Wieder ein Buch, das quasi rückwärts erzählt wird. In letzter Zeit scheint das in Mode gekommen zu sein. Den Erzählstil fand ich sehr anstrengend, die Sätze sind oft wahnsinnig lang. Thomas Man konnte das auch, aber seine Sprache war poetischer. Hier sind es oft einfach …
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Wieder ein Buch, das quasi rückwärts erzählt wird. In letzter Zeit scheint das in Mode gekommen zu sein. Den Erzählstil fand ich sehr anstrengend, die Sätze sind oft wahnsinnig lang. Thomas Man konnte das auch, aber seine Sprache war poetischer. Hier sind es oft einfach Aneinanderreihungen in einem Satz. Das hat mich beim Lesen sehr genervt.
Grundsätzlich finde ich die Geschichte, den Rückblick Rosas nach dem Tod ihres Vaters auf ihre Familiengeschichte, interessant. Es gab auch ein paar schöne Sätze, die ich mir rausgeschrieben habe. Aber grundsätzlich fehlte mir die Tiefe in dieser Geschichte. Es ist kein Buch, das mir im Gedächtnis bleiben wird.
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eBook, ePUB
Familienverhältnisse
Rosa erzählt in 'Nochmal von vorne', dem Roman von Dana von Suffrin, die komplizierte Geschichte ihrer deutsch-jüdischen Familie, die mit dem Tod ihres Vaters ihren Anfang findet. Die Protagonistin lässt ihre Gedanken von der Jetztzeit bis in die neunziger …
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Familienverhältnisse
Rosa erzählt in 'Nochmal von vorne', dem Roman von Dana von Suffrin, die komplizierte Geschichte ihrer deutsch-jüdischen Familie, die mit dem Tod ihres Vaters ihren Anfang findet. Die Protagonistin lässt ihre Gedanken von der Jetztzeit bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, in die Zeit ihrer Jugend und Kindheit schweifen. Einen Zusammenhalt in der vierköpfigen Familie scheint es nicht gegeben zu haben. Jeder trachtete auf seine Weise danach, dem Verbund zu entfliehen, Vater, Mutter, Rosa und auch ihre ältere Schwester Nadja. Hier spielen vor allem Themen wie stetige Streitigkeiten und Unzufriedenheit eine wichtige Rolle. Auch intellektuelle Unzufriedenheit im Berufsleben führte zu Verdruss, zu extremen Zerwürfnissen zwischen den Eltern. Der Kontakt zwischen den Schwestern ist abgebrochen und so kümmert sich Rosa allein um den Nachlass des Vaters in Rumänien.
Der Buchtitel suggeriert einen Neubeginn zur Korrektur begangener Fehlhandlungen. Es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern eher um das Verstehen, um das Heilen gekränkter Gefühle und einer Versöhnung mit den Geschehnissen.
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