Dieses Buch ist ja nicht wirklich dick mit seinen gerade mal 173 Seiten. Und auch die Tatsache, dass es - man höre und staune - ohne eine einzige Kapiteleinteilung, und fast ohne Absätze daherkommt, könnte einen denken lassen, es eigne sich gut zur Überbrückungslektüre zwischen mehreren Wälzern. So
nahm ich es mir ganz unvorbereitet und spontan zur Hand, und musste doch entdecken, dass es alles…mehrDieses Buch ist ja nicht wirklich dick mit seinen gerade mal 173 Seiten. Und auch die Tatsache, dass es - man höre und staune - ohne eine einzige Kapiteleinteilung, und fast ohne Absätze daherkommt, könnte einen denken lassen, es eigne sich gut zur Überbrückungslektüre zwischen mehreren Wälzern. So nahm ich es mir ganz unvorbereitet und spontan zur Hand, und musste doch entdecken, dass es alles andere ist als ein Buch für "zwischendurch".
Zum Glück habe ich doch ein wenig Erfahrung mit neumodischen literarischen Techniken, und war von daher nicht ganz so "erschlagen" vom wirklich ambitionierten Stil wie manch ein Leser vor mir. Dennoch, ich kann letzten Endes weder sagen, ob mir das Buch wirklich gefallen hat - noch, ob es gut oder schlecht war. Geschweige denn, ob ich das Ende wirklich verstanden habe. So man es denn überhaupt als ein "Ende" verstehen kann.
Ich vermute, dass hier verschiedene Dinge zusammenkommen, die mir den Zugang erschwert haben. Zum einen enthält das Buch, so kann man vermuten, doch zahlreiche autobiographische Bezüge, da auch die Autorin, wie die Protagonistin, vor etwa 37 Jahren in Moskau geboren wurde, aber seit der Kindheit in Deutschland lebt. Vieles ist aus dieser Zeit un- oder halbverdaut geblieben, und bricht sich nun in diesen Zeilen Bahn.
Zweitens, und das muss ich dem Buch wirklich lassen, ist es eine ziemlich plastische und authentische Darstellung dessen, was man als "russische Volksseele", als russische Mentalität bezeichnen könnte. Doch, leider, die ist nun so gar nicht meins! Ich bin ein fröhlicher und optimistischer Mensch, und hätte die junge Mascha am liebsten öfters geschüttelt, sie solle sich doch um alles in der Welt nicht so hängen lassen, und über Vergangenem brüten...
Drittens, das Buch hat keinen wirklichen Abschluss, und man muss eher raten, was die eher traum- oder fieberhaften Sequenzen gegen Ende zu bedeuten haben. Im Klappentext steht zwar zu lesen, Mascha komme einem Familiengeheimnis auf die Spur - doch das stimmt so, meiner Meinung nach, nicht. Das Problem ist, dass sich sowieso der überwiegende Teil der "Handlung" in Maschas Kopf abspielt. Und von daher kann man einfach nicht sagen, ob sie nun etwas "herausgefunden" oder sich nur eingebildet hat.
Es ist wirklich sehr schwierig, etwas Objektives zu diesem Buch zu sagen. Mascha berichtet die ganze Zeit in einem ununterbrochenen Fluss aus wirren Gedanken und sonstigen Splittern - die eigentliche Handlung gerät dabei eindeutig in den Hintergrund. Das ist in zwei Sätzen gesagt. Sie fährt nach Russland, um das Haus ihrer Großmutter zu verkaufen - begegnet vor Ort aber ihren unverdauten Erinnerungen, und flüchtet wieder. Damit sind natürlich keine 173 Seiten gefüllt. Dementsprechend wird der überstürzte Ausflug nach Russland denn auch eher als Folie für ihre eigene Vergangenheitsbewältigung benutzt. Aber, und das ist es gerade, wird hier eigentlich etwas bewältigt? Am Ende bin ich genauso schlau, was Mascha betrifft, wie am Anfang. Eine Entwicklung oder "Bewältigung" im eigentlichen Sinne kann ich da nicht ausmachen!
Ich kann letztlich nicht mehr tun, als drei etwas ratlose Sterne zu verleihen - da ich sehe und anerkenne, dass hier schriftstellerisch neue Wege beschritten werden sollten. Aber "gemocht" habe ich das Buch wohl eher nicht. Es blieb mir letzten Endes fremd - was aber, wie gesagt, auch an der russischen Melancholie und Trägheit gelegen haben kann. Empfehlen würde ich das Buch jedenfalls nur solchen Lesern, die sehr (!) viel Willen zur Mitarbeit und Sinnkonstruktion mitbringen.