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Über Sprache, Macht und deren Grenzen
Die heimatlose Erzählerin verlässt New York, um am internationalen Gerichtshof in Den Haag als Dolmetscherin zu arbeiten. Als sie Adriaan kennenlernt, scheint die Stadt zur Antwort ihrer Sehnsucht nach einem Ankommen zu werden. Doch dann verschwindet er zu seiner Noch-Ehefrau und hinterlässt nichts als Fragen. Fragen, die sich zu einem existenziellen Abgrund auftun, als sie für einen angeklagten westafrikanischen Kriegsverbrecher dolmetschen muss und zweifelt: Was ist kalkulierte Lüge, was Wahrheit? Glauben nur noch die Naiven an Gerechtigkeit? Wer kann…mehr

Produktbeschreibung
Über Sprache, Macht und deren Grenzen

Die heimatlose Erzählerin verlässt New York, um am internationalen Gerichtshof in Den Haag als Dolmetscherin zu arbeiten. Als sie Adriaan kennenlernt, scheint die Stadt zur Antwort ihrer Sehnsucht nach einem Ankommen zu werden. Doch dann verschwindet er zu seiner Noch-Ehefrau und hinterlässt nichts als Fragen. Fragen, die sich zu einem existenziellen Abgrund auftun, als sie für einen angeklagten westafrikanischen Kriegsverbrecher dolmetschen muss und zweifelt: Was ist kalkulierte Lüge, was Wahrheit? Glauben nur noch die Naiven an Gerechtigkeit? Wer kann über wen richten? Katie Kitamuras subtiler Roman ist ein intellektuelles Vergnügen mit hypnotischer Sogwirkung.
Autorenporträt
Katie Kitamura, 1979 in Kalifornien geboren, ist eine amerikanische Schriftstellerin, Journalistin und Literaturkritikerin. Sie schreibt für zahlreiche Zeitungen, darunter ¿The New York Times¿, ¿Wired¿ und ¿The Guardian¿. Katie Kitamura lebt in New York.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2022

Ein fremdes Ich
Die Dolmetscherin und der Kriegsverbrecher:
Katie Kitamuras Roman „Intimitäten“ erzählt subtil von erzwungener Nähe
Dolmetschen heißt auf Englisch „interpretation“, und damit ist die Ambivalenz, die Katie Kitamuras Roman „Intimitäten“ ausmacht, auch schon ganz gut umrissen. Nach dem Tod ihres Vaters und dem Rückzug ihrer Mutter nach Singapur ist sie von New York nach Den Haag gezogen, um am Internationalen Strafgerichtshof eine befristete Stelle als Dolmetscherin anzutreten. Der Prozess gegen Liberias Ex-Diktator Charles Taylor wegen Kriegsverbrechen in Sierra Leone vor einem UN-Sondertribunal sei der Auslöser des Romans gewesen, sagte Katie Kitamura in einem Interview.
Doch in der fiktiven Figur des Angeklagten, des Ex-Präsidenten eines westafrikanischen Landes, wie es heißt, steckt mindestens so viel von Laurent Gbagbo, dem früheren Präsidenten der Elfenbeinküste. Er war der erste ehemalige Staatschef, dem überhaupt in Den Haag der Prozess gemacht wurde. Anders als Charles Taylor wurde er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Es ist ein Stoff, wie man ihn aus der Feder eines Ian McEwan oder Louis Begley kennt, aber die Perspektive ist eine völlig andere. Die amerikanische Schriftstellerin Katie Kitamura, Tochter japanischer Immigranten, entwirft ihre Erzählerin als eine Person, die keinen Wert auf Sichtbarkeit legt. Aus dem Kontrast zwischen dem „Charisma“ des Angeklagten und dem Berufsethos der Dolmetscherin, die sich als „Medium“ versteht, das eine Sprache möglichst verlustfrei in eine andere überträgt, macht Katie Kitamura einen Roman über Macht und Gewalt, über den Wunsch nach Nähe und erzwungene Intimität.
Dabei verschränkt sie die gesellschaftspolitische Dimension des Themas mit den nur scheinbar privaten Aspekten einer Liebesgeschichte. Seit vier Monaten trifft sie sich mit Adriaan, dessen „innere Ruhe“ sie ebenso anzieht wie sein Äußeres. Durchaus willkommen, hat sich bereits eine „gewisse Routine“ eingestellt, die auf eine feste Partnerschaft hoffen lässt. Dann erfährt sie nebenbei, dass er verheiratet ist und zwei Kinder im Teenageralter hat. Seine Frau ist mit einem anderen Mann nach Lissabon gezogen. Von einem Tag auf den anderen überrascht er sie mit der Ankündigung, er fliege für eine Woche oder länger zu seiner Familie, um einiges zu regeln. Und er wünscht sich, sie möge solange in seiner Wohnung wohnen, in der die Spuren des Familienlebens nach wie vor zu sehen sind. Morgens findet sie einen Zettel: „Während ich weg bin, werde ich mir vorstellen, dass du hier bist.“
Der Wunsch nach Sicherheit und Zugehörigkeit treibt viele um, die im internationalen Milieu Den Haags arbeiten. Die „Wurzellosigkeit“ sei typisch für deren Familienverhältnisse, meint eine Kollegin. Jana, Tochter eines äthiopischen Vaters und einer serbischen Mutter, hat sich im alten Bahnhofsviertel eine Wohnung gekauft. Es war schwer genug für die Museumsleiterin, als alleinstehende schwarze Frau um die vierzig einen Kredit zu bekommen. Eine eigene Wohnung sollte ihr das Gefühl geben, endlich angekommen zu sein. Als in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Mann brutal zusammengeschlagen wird, ist das Gefühl der Sicherheit schlagartig verschwunden.
Die Erzählerin, die eine viel zu große, nüchtern möblierte Wohnung in einem besseren Viertel gemietet hat, ist glücklich, in Adriaans Wohnung zu sein. Erstaunlicherweise fühlt sie sich dort zu Hause, auch wenn ihr klar ist, wie zwiespältig es ist, dass sie sich die Rolle der wartenden Frau aufnötigen lässt. Wie oft Frauen in demütigende Unterordnungsverhältnisse zu Männern geraten, registriert der Roman wie einen Subtext. Denn nicht immer sind es Situationen klarer Übergriffigkeit oder sexueller Ausbeutung. Wenn Adriaan mit der Erzählerin bei Jana eingeladen ist und als großzügige Geste in einem indonesischen Imbiss Essen eingekauft hat, loben ihn die beiden Frauen für seine raffinierte Zusammenstellung und registrieren gleichwohl, wie albern es ist, deshalb vor Begeisterung auf den Knien zu liegen. Andererseits sind es nun einmal Wertschätzungsgesten und Formen der Höflichkeit, die Frauen nicht unbedingt opfern wollen, nur weil sie Argwohn erzeugen – Argwohn nicht zuletzt gegen sich selbst.
In bedeutend heiklere Situationen gerät die Erzählerin bei ihrer Arbeit am Strafgerichtshof. Sie ist erledigt das Geforderte mit Bravour, doch genau das bringt sie in eine Lage, die ihr unerträglich wird. „Intimitäten“ kann auch als ein Roman übers Dolmetschen gelesen werden, so kundig sind hier alle Aspekte dieser anstrengenden Arbeit geschildert. Die Erzählerin ist sich im Klaren, wie viel von ihrer korrekten Übersetzung abhängt. Ungenauigkeiten können dazu führen, dass Zeugen plötzlich unglaubwürdig erscheinen, weil die Richterinnen den Verzerrungsfaktor unterschiedlicher Übersetzer nicht einkalkulieren. Eine Gerichtsverhandlung, bei der es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht, ist in dieser Hinsicht eine spezielle Herausforderung.
Der angeklagte Ex-Diktator versucht, sie zu seiner Komplizin zu machen. Wenn er den Gerichtssaal betritt, nickt er ihr zu. Oder er lässt sie zur Besprechung mit seinem Strafverteidiger rufen, und sie muss ihm, in intimer Nähe, Wörter ins Ohr flüstern. Aber auch wenn sie eine Zeugin übersetzt, deren Familie grausam ermordet wurde, empfindet sie einen Bruch, die ungerechtfertigte Aneignung einer fremden Identität: „wie verkehrt, dieses ich zu benutzen, das ihr gehörte und nicht mir, dieses Wort, das nicht geräumig genug war.“
Die Erzählstimme Katie Kitamuras hat eine ähnliche Dichte wie die von Rachel Cusk, auch wenn sie weniger klaustrophobisch klingt und ihre Intellektualität zurückhaltender ist. Sie verfügt über eine spielerische Offenheit, einen „Möglichkeitssinn“, der sich nicht nur auf die Biografie der Hauptperson bezieht, sondern auch auf das, was Sprache leisten kann.
Die Vorgänge vor Gericht werden kenntnisreich geschildert, der Kontext von Kriegsverbrecherprozessen einbezogen, auch eine Anspielung auf Hannah Arendts beim Jerusalemer Eichmann-Prozess gewonnenes Theorem von der „Banalität des Bösen“ fehlt nicht. Dennoch stehen eher die theatralen Qualitäten des Prozesses im Zentrum. Die Fähigkeit des Angeklagten, seine Miene jederzeit im Griff zu haben, übt auf die Erzählerin eine beängstigende Faszination aus. Sie sucht Sicherheit in Selbstkontrolle und träumt zugleich vom „fröhlichen Chaos“, das sie einmal in einer Familienszenerie hinter erleuchteten Fenstern zu sehen meint. Gelegentlich wartet Kitamura mit brillanten Einsichten auf, die von Siri Hustvedt stammen könnten. Etwa, wenn sie anlässlich eines Bildes der Malerin Judith Leyster, einer Vertreterin des Goldenen Zeitalters, nicht nur über Geschlechterrollen nachdenkt, sondern auch über die „kaum vorstellbare Vertraulichkeit“ zwischen Malerin und Modell. Das „Gewicht der verstreichenden Zeit“ stellt eine Form von Intimität her, die „heute nicht mehr innerhalb unseres Erfahrungshorizonts liegt“. „Intimacies“ ist Katie Kitamuras sechster Roman. Ihre dichte und gleichzeitig lockere Prosa, von Kathrin Razum hervorragend ins Deutsche gebracht, verhandelt große Themen auf kleinstem Raum: eine konzentrierte Suchbewegung, der Erkundung einer neuen Stadt verwandt.
MEIKE FESSMANN
Kitamura wartet mit brillanten
Einsichten auf, die von
Siri Hustvedt stammen könnten
Katie Kitamura:
Intimitäten.
Roman. Aus dem Englischen von Kathrin Razum.
Hanser Verlag,
München 2022.
222 Seiten, 24 Euro.
Jennifer Makumbi, betreten Sie Buchhandlungen in Ländern, deren Sprache Sie nicht beherrschen?
Natürlich, vor allem auf Flughäfen, wenn ich auf den Anschluss warte. Zuerst schaue ich mir die Cover an. Dann schaue ich,
ob irgendjemand übersetzt wurde, den ich kenne. Wenn ich afrikanische Autoren sehe, weiß ich, dass ich in
einem fortschrittlichen Land bin.
Jennifer Makumbi („Die erste Frau“) in der Buchhandlung InterKontinental in Berlin
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit viel Lob bespricht Rezensentin Meike Feßmann den sechsten Roman von Katie Kitamura, der die Geschichte einer Dolmetscherin erzählt, die dem Prozess gegen einen westafrikanischen Ex-Diktator beiwohnt. Schon wie Kitamura hier Privates und Gesellschaftspolitisches miteinander verknüpft, findet Fessmann beeindruckend: Jene Dolmetscherin, ein eher unsichtbarer Typ, hat eine Affäre mit Adriaan, der ebenfalls in den Prozess eingebunden ist - und zu dem sie in ein "demütigendes Unterordnungsverhältnis" gerät, resümiert die Rezensentin. Vor allem bewundert sie, wie Kitamura die sprachlichen Suchbewegungen der Dolmetscherin insbesondere während des Prozesses anlegt. Feßmann fühlt sich an Rachel Cusk erinnert, an Siri Hustvedt, aber auch an Hannah Arendts "Banalität des Bösen" - für sie ist dieser Roman offenbar ein Ereignis.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Kitamuras Sprache ist sehr klar. Eine dichte Erzählstimme, die von der erstaunlichen Spannung zwischen fast kühler Präzision und Feinfühligkeit getragen ist, führt durch den Roman." Carola Ebeling, taz, 14.01.23

"Ein großartiger Roman über Unsicherheit ... hochreflexiv und zugleich spannend." Katharina Borchardt, Zeit Online, 04.01.23

"Ihre brillanten Einsichten könnten von Siri Hustvedt stammen. ... Ihre dichte und gleichzeitig lockere Prosa, von Kathrin Razum hervorragend ins Deutsche gebracht, verhandelt große Themen auf kleinstem Raum" Meike Feßmann, Süddeutsche Zeitung, 15.10.22

"Sehr reduziert, aber einfühlsam erzählt Kitamura vom Wunsch einer Frau, endlich ankommen zu wollen." Daniela Stohn, Brigitte, 12.10.22

"Kitamuras 'Intimitäten' greift Themen unserer Zeit auf. Die Frage nach globaler Gerechtigkeit, die Sehnsucht nach Eindeutigkeit, das Streben nach Verwurzelung in Zeiten weltweiter Mobilität. Ein Roman so verstörend wie mitreißend." HilkaSinning, ARD ttt, 18.09.22

"Hier werden menschliche Grundfragen auf eine literarische Weise verhandelt, die ganz unspektakulär wirkt und doch aufregend neu ist. Und die von Kathrin Razum wieder in ein makelloses Deutsch gebracht wurde. Das alles macht diesen Roman zu einem wirklich großen, großartigen Buch." Andreas Wirthensohn, WDR3 Lesestoff, 12.09.22

"Jede Geste und jede noch so kleine Körperbewegung hat in dieser Erzählung Bedeutung. Die Autorin ist eine Meisterin darin, atmosphärische Zwischentöne und Störungen wie ein Seismograph aufzuzeichnen, in einer zurückgenommenen und zugleich präzisen Sprache." Franziska Wolffheim, Tagesspiegel, 21.08.22

"Kitamura führt uns vielerlei Spielarten von Intimität vor. Den innigen Blick, das ungewollte Durchschauen und, ganz fantastisch beschrieben, die Nähe, die entsteht, wenn die Dolmetscherin flüsternd übersetzt, was nur das Ohr des Angeklagten erreicht. ... Paradox: Die Kühle dieses Romans kann Funken schlagen. Er ist schon jetzt ein Favorit im Bücherherbst." Claudia Ingenhoven, MDR Kultur, 20.08.22
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