Was zählt, ist nur der Sieg ...Für ihren Traum vom Olympischen Gold optimieren »Freestyler« ihre Körper ganz legal mit High-Tech-Prothesen und Implantaten. Die junge Sprinterin Jola ist nicht sicher, ob sie sich operieren lassen will. Der Druck ist hoch: Mit einem modifizierten Körper hätte sie vielleicht eine Chance auf eine Medaille bei den Olympischen Spielen 2032 - so wie Ryan, der beinamputierte Sprinter, in den sie sich verliebt hat. Aber die neue Technik birgt Gefahren. Und bald geht es nicht mehr nur um den Sieg, sondern um Leben und Tod ...
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.05.2016Neue Körper
Das Leben junger Sportler im Jahre 2030
Fragt man sich nicht manchmal, wie Sport in Zukunft ausschaut? Welche Sportarten es gibt? Ob noch gedopt wird, und wenn: Wie? Katja Brandis zeichnet in ihrem Roman Freestyler ein düsteres Bild der Sportwelt im Jahr 2030. Ihre Geschichte spielt in einer nahen Zukunft, die sich auf den ersten Blick stark von unserer Gegenwart unterscheidet, beim zweiten Hinsehen aber für unser Leben eine erschreckende Perspektive aufzeichnen könnte: Wer zu langsam ist, lässt sich künstliche Muskeln implantieren, Sehnen werden durch Karbonfasern ersetzt, oder man spritzt sich Nanoroboter in den Blutkreislauf, um sich zu optimieren. Bald unterscheidet nur noch die physische Grundlage unseres Verstands, wer Mensch und wer Maschine ist.
Auch Jola ist skeptisch ob der neuen Möglichkeiten. Von Optimierungen hält sie nicht viel. Die junge, ambitionierte Sprinterin trainiert täglich für ihren großen Traum, einmal bei Olympia auf dem Treppchen zu stehen. Sie geht auf in ihrem Sport, es ist ihr Leben. Bei einem Training lernt sie Ryan kennen. Er ist nach einem Autounfall unterschenkelamputiert und verpasst als Zuschauer keine ihrer Trainingseinheiten. Doch dann bekommt er moderne Carbon-Prothesen und darf selbst mittrainieren. Es ist der Startschuss für eine außergewöhnliche Freundschaft. Jola wird immer erfolgreicher, aber ihr Körper hält dem Druck und der steigenden Belastung nicht stand. Sie verletzt sich. An die Weltspitze wird sie so nicht kommen. Das sagt zumindest ihr Trainer Till, selbst ehemaliger erfolgreicher Olympionike und Freestyler. Freestyler sind die, die sich optimieren lassen. Bogenschützen lassen sich elektronische Augen mit Zoom anfertigen, Tischtennisspieler ihren Arm modifizieren und Sprinter sich, zusätzlich zu ihren Muskeln, künstliche implantieren.
Mit Till führt Jola eine heimliche Beziehung. Er rät ihr, sich optimieren zu lassen und bei den sowieso viel populäreren Freestylern zu starten. Ryan und ihre Familie sind dagegen, die Verletzung wird heilen und Jola soll es doch auf normalem Weg probieren. Doch Jola wird 18 und gibt dem Druck ihres Trainers nach. Sie entscheidet sich für neue Muskeln und Sehnen und startet von nun an in der Kategorie Freestyle M. M wie modifiziert. Mit ihrem neuen Körper läuft sie Fabelzeiten, wird Europameisterin und qualifiziert sich gemeinsam mit Ryan für ihren großen Traum Olympia. Doch einmal in Buenos Aires, der Olympia-Austragungsstätte, angekommen, fangen die Probleme an. Nicht alle Sportler sind den „Neuen“ gegenüber aufgeschlossen und ausgereift ist die neue Technologie auch nicht, das bekommen beide zu spüren. Die scheinbare Erfolgsgeschichte bekommt schnell erste Kratzer.
Was sind wir bereit, aufs Spiel zu setzen, zu riskieren, um immer weiter zu werfen, höher zu springen, schneller und erfolgreicher zu sein? Was muss man auf sich nehmen, um gut genug zu sein? Katja Brandis gelingt es zu kritisieren, ohne jemanden zu diffamieren – und das bei einem überaus kontroversen und komplexen Thema.
Ein sehr zu empfehlendes Jugendbuch, mit Spannung, Liebe, erstem Sex und Erwachsenwerden. (ab 13 Jahre)
FABIAN MÜLLER
Katja Brandis: Freestyler. Beltz & Gelberg 2016. 438 Seiten, 16,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Das Leben junger Sportler im Jahre 2030
Fragt man sich nicht manchmal, wie Sport in Zukunft ausschaut? Welche Sportarten es gibt? Ob noch gedopt wird, und wenn: Wie? Katja Brandis zeichnet in ihrem Roman Freestyler ein düsteres Bild der Sportwelt im Jahr 2030. Ihre Geschichte spielt in einer nahen Zukunft, die sich auf den ersten Blick stark von unserer Gegenwart unterscheidet, beim zweiten Hinsehen aber für unser Leben eine erschreckende Perspektive aufzeichnen könnte: Wer zu langsam ist, lässt sich künstliche Muskeln implantieren, Sehnen werden durch Karbonfasern ersetzt, oder man spritzt sich Nanoroboter in den Blutkreislauf, um sich zu optimieren. Bald unterscheidet nur noch die physische Grundlage unseres Verstands, wer Mensch und wer Maschine ist.
Auch Jola ist skeptisch ob der neuen Möglichkeiten. Von Optimierungen hält sie nicht viel. Die junge, ambitionierte Sprinterin trainiert täglich für ihren großen Traum, einmal bei Olympia auf dem Treppchen zu stehen. Sie geht auf in ihrem Sport, es ist ihr Leben. Bei einem Training lernt sie Ryan kennen. Er ist nach einem Autounfall unterschenkelamputiert und verpasst als Zuschauer keine ihrer Trainingseinheiten. Doch dann bekommt er moderne Carbon-Prothesen und darf selbst mittrainieren. Es ist der Startschuss für eine außergewöhnliche Freundschaft. Jola wird immer erfolgreicher, aber ihr Körper hält dem Druck und der steigenden Belastung nicht stand. Sie verletzt sich. An die Weltspitze wird sie so nicht kommen. Das sagt zumindest ihr Trainer Till, selbst ehemaliger erfolgreicher Olympionike und Freestyler. Freestyler sind die, die sich optimieren lassen. Bogenschützen lassen sich elektronische Augen mit Zoom anfertigen, Tischtennisspieler ihren Arm modifizieren und Sprinter sich, zusätzlich zu ihren Muskeln, künstliche implantieren.
Mit Till führt Jola eine heimliche Beziehung. Er rät ihr, sich optimieren zu lassen und bei den sowieso viel populäreren Freestylern zu starten. Ryan und ihre Familie sind dagegen, die Verletzung wird heilen und Jola soll es doch auf normalem Weg probieren. Doch Jola wird 18 und gibt dem Druck ihres Trainers nach. Sie entscheidet sich für neue Muskeln und Sehnen und startet von nun an in der Kategorie Freestyle M. M wie modifiziert. Mit ihrem neuen Körper läuft sie Fabelzeiten, wird Europameisterin und qualifiziert sich gemeinsam mit Ryan für ihren großen Traum Olympia. Doch einmal in Buenos Aires, der Olympia-Austragungsstätte, angekommen, fangen die Probleme an. Nicht alle Sportler sind den „Neuen“ gegenüber aufgeschlossen und ausgereift ist die neue Technologie auch nicht, das bekommen beide zu spüren. Die scheinbare Erfolgsgeschichte bekommt schnell erste Kratzer.
Was sind wir bereit, aufs Spiel zu setzen, zu riskieren, um immer weiter zu werfen, höher zu springen, schneller und erfolgreicher zu sein? Was muss man auf sich nehmen, um gut genug zu sein? Katja Brandis gelingt es zu kritisieren, ohne jemanden zu diffamieren – und das bei einem überaus kontroversen und komplexen Thema.
Ein sehr zu empfehlendes Jugendbuch, mit Spannung, Liebe, erstem Sex und Erwachsenwerden. (ab 13 Jahre)
FABIAN MÜLLER
Katja Brandis: Freestyler. Beltz & Gelberg 2016. 438 Seiten, 16,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Fabian Müller empfiehlt Katja Brandis' Jugendbuch als spannende Lektüre über ein kontroverses Thema. Es geht um die Optimierung des Körpers im Sport, um erste Liebe und Sex und das Erwachsenwerden. Wie es sich mit künstlichen Muskeln und Sehnen sprintet, als Zwitterwesen zwischen Mensch und Maschine bei den Olympischen Spielen im Jahr 2030, erfärt Müller hier. Und wie sich an derartigen Visionen Kritik üben lässt, ohne zu diffamieren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Obwohl die spannende Geschichte in der Zukunft spielt, hat sie mit der Gegenwart mehr zu tun, als man wahrhaben möchte." GEOlino extra, 9/ 2016