Mika hat Angst. Angst vor dem Tod. Dem Tod mit 27. Die Zahl verfolgt ihn, so wie sie die meisten großen Musiker verfolgt hat, die dann zu Mitgliedern des Klub 27 wurden, doch Mika hat nichts mit Musik zu tun. Das Bewusstsein, niemand zu sein, treibt ihn dazu, jemand gewesen sein zu wollen, und er tut alles, um seinen selbst auferlegten Fluch zu erfüllen. Er wird einer der Großen, eine Ikone, lebt ein Leben, das er nicht mehr kontrollieren kann, das unaufhaltsam auf sein Ende zusteuert.
Er wird gewesen sein. Wird dazugehören. Er wird mit 27 sterben.
Er wird gewesen sein. Wird dazugehören. Er wird mit 27 sterben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2011Freischwimmer im Körpersaft
Kim Franks Bericht aus dem Leben eines Früchtchens
Kim Frank war wohl eines der erstaunlichsten Talente der jüngeren deutschen Popmusik. Mit seiner Gruppe Echt spielte der Sänger 1999, im Alter von siebzehn Jahren, das Album "Freischwimmer" ein, das neben allerlei gekonntem Pop und Soft-Punk das Lied "Du trägst keine Liebe in dir" enthielt, das in seiner Interpretation und mit dem Arrangement auch von Christian Anders hätte sein können, wie Echt überhaupt dem klassischen Siebziger-Schlager nicht ganz fernstanden.
Indes war die Band dann doch nicht mehr als ein Versprechen. Nach drei Platten löste sie sich auf; Kim Frank gab quasi den deutschen Ricky Nelson, spielte anstandslos in dem Leander-Haußmann-Film "NVA" mit und machte dann eine Soloplatte, auf der seine mit Melancholie durchtränkte Unbekümmertheit und Direktheit trotz der nun doch schon etwas enttäuschend verlaufenden Karriere noch nicht nennenswert gelitten hatte.
Nun gibt er den Sven Regener und wartet mit einem Roman auf. Und da muss man leider sagen: So etwas sollte man echten Kerlen überlassen. Mit "27" wagt er sich in den Karpfenteich, der von so popaffinen Hechten wie Nick Hornby oder, aus hiesigen Landen, Benjamin von Stuckrad-Barre schon vor zehn Jahren leer gefressen wurde, so dass die Geschichte um einen modernen, leicht verwahrlosten Taugenichts, der ins Musikgeschäft stolpert, nun doch etwas abgestanden wirkt.
Mika ist achtzehn und hat sich den Floh ins Ohr gesetzt, dass er mit 27 Jahren sterben wird - wie viele Große der Rockgeschichte: der Bluesmusiker Robert Johnson, Brian Jones, Jim Morrison, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Kurt Cobain (die Liste füllt anderthalb Seiten). Die an sich reizvolle Idee, die eigene, in diesem Fall nachgeholte Geschmackssozialisation einmal nicht anhand von Platten und Bestenlisten, sondern am in der Tat erstaunlichen Zufall dieser Lebensspanne aufzubereiten, wird allerdings verdorben durch das Missverhältnis zwischen Form und Inhalt: Die testosteronhaltigen, bisweilen auch einfach nur ranzigen Angeberanekdoten um den so lebensgierigen wie todesängstlichen Helden, aus dem plötzlich ein Popidol wird, werden mitgeteilt in einer Sprache, deren seminaristenhafte Ungelenkheit komisch wirkt ("Diese Ängste sind nicht rational, aber für den, der sie hat, nicht mehr wegzudiskutieren.")
Es hätten auch ein paar Nahtoderfahrungen weniger sein dürfen; man hat es ja schon häufiger gehört, dass das Showgeschäft eine aufreibende Sache ist. Und was soll man schließlich von einem Rock-Roman halten, in dem ein gewisser "John Bonhem" (sic) und ein gewisser "Ray Menzerick" (sic) erwähnt werden? Das Lektorat hätte nicht nur etwas von der vielen Körperflüssigkeit, sondern auch Fehler aufwischen müssen, die auch nicht wegzudiskutieren sind.
EDO REENTS
Kim Frank: "27". Roman.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2011. 254 S., br., 12,99 [Euro]. Ab 16 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Kim Franks Bericht aus dem Leben eines Früchtchens
Kim Frank war wohl eines der erstaunlichsten Talente der jüngeren deutschen Popmusik. Mit seiner Gruppe Echt spielte der Sänger 1999, im Alter von siebzehn Jahren, das Album "Freischwimmer" ein, das neben allerlei gekonntem Pop und Soft-Punk das Lied "Du trägst keine Liebe in dir" enthielt, das in seiner Interpretation und mit dem Arrangement auch von Christian Anders hätte sein können, wie Echt überhaupt dem klassischen Siebziger-Schlager nicht ganz fernstanden.
Indes war die Band dann doch nicht mehr als ein Versprechen. Nach drei Platten löste sie sich auf; Kim Frank gab quasi den deutschen Ricky Nelson, spielte anstandslos in dem Leander-Haußmann-Film "NVA" mit und machte dann eine Soloplatte, auf der seine mit Melancholie durchtränkte Unbekümmertheit und Direktheit trotz der nun doch schon etwas enttäuschend verlaufenden Karriere noch nicht nennenswert gelitten hatte.
Nun gibt er den Sven Regener und wartet mit einem Roman auf. Und da muss man leider sagen: So etwas sollte man echten Kerlen überlassen. Mit "27" wagt er sich in den Karpfenteich, der von so popaffinen Hechten wie Nick Hornby oder, aus hiesigen Landen, Benjamin von Stuckrad-Barre schon vor zehn Jahren leer gefressen wurde, so dass die Geschichte um einen modernen, leicht verwahrlosten Taugenichts, der ins Musikgeschäft stolpert, nun doch etwas abgestanden wirkt.
Mika ist achtzehn und hat sich den Floh ins Ohr gesetzt, dass er mit 27 Jahren sterben wird - wie viele Große der Rockgeschichte: der Bluesmusiker Robert Johnson, Brian Jones, Jim Morrison, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Kurt Cobain (die Liste füllt anderthalb Seiten). Die an sich reizvolle Idee, die eigene, in diesem Fall nachgeholte Geschmackssozialisation einmal nicht anhand von Platten und Bestenlisten, sondern am in der Tat erstaunlichen Zufall dieser Lebensspanne aufzubereiten, wird allerdings verdorben durch das Missverhältnis zwischen Form und Inhalt: Die testosteronhaltigen, bisweilen auch einfach nur ranzigen Angeberanekdoten um den so lebensgierigen wie todesängstlichen Helden, aus dem plötzlich ein Popidol wird, werden mitgeteilt in einer Sprache, deren seminaristenhafte Ungelenkheit komisch wirkt ("Diese Ängste sind nicht rational, aber für den, der sie hat, nicht mehr wegzudiskutieren.")
Es hätten auch ein paar Nahtoderfahrungen weniger sein dürfen; man hat es ja schon häufiger gehört, dass das Showgeschäft eine aufreibende Sache ist. Und was soll man schließlich von einem Rock-Roman halten, in dem ein gewisser "John Bonhem" (sic) und ein gewisser "Ray Menzerick" (sic) erwähnt werden? Das Lektorat hätte nicht nur etwas von der vielen Körperflüssigkeit, sondern auch Fehler aufwischen müssen, die auch nicht wegzudiskutieren sind.
EDO REENTS
Kim Frank: "27". Roman.
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2011. 254 S., br., 12,99 [Euro]. Ab 16 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Früher, Ende der Neunziger, war Kim Frank einmal "Echt". Schlagermusik, von Jugendlichen neu aufgetragen. Frank hatte Erfolg mit der Band, der war jedoch nicht von Dauer. Nun taucht der Ex-Sänger aus der Versenkung wieder auf, mit einem Roman, dessen Titel auf das Alter des Autors verweist. Rezensent Edo Reents hat derlei postadoleszente Prosa schon öfter gelesen, oft auch viel besser. Manches scheint ihm unfreiwillig komisch, nichts von besonderem literarischem Wert. Auch das Lektorat, klagt der Rezensent, hat an einigen Stellen versagt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH