Hanya Yanagihara
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Das Volk der Bäume
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Der junge Arzt Norton Perina kehrt mit einer unfassbaren Entdeckung von der Insel Ivu'ivu zurück: Hat er wirklich ein Mittel gegen die Sterblichkeit gefunden? Eine uralte Schildkrötenart soll die Formel des ewigen Lebens bergen. So kometenhaft er damit zur Spitze der Wissenschaft aufsteigt, so rasant vollzieht sich die Kolonisierung und Zerstörung der Insel. Mit gnadenloser Verführungskraft zieht Hanya Yanagihara uns hinein in den Forscherrausch im Urwald und lässt uns auch dann nicht entkommen, als Perina dort eine weitere Entdeckung macht: seine fatale Liebe zu Kindern. Wie betrachten w...
Der junge Arzt Norton Perina kehrt mit einer unfassbaren Entdeckung von der Insel Ivu'ivu zurück: Hat er wirklich ein Mittel gegen die Sterblichkeit gefunden? Eine uralte Schildkrötenart soll die Formel des ewigen Lebens bergen. So kometenhaft er damit zur Spitze der Wissenschaft aufsteigt, so rasant vollzieht sich die Kolonisierung und Zerstörung der Insel. Mit gnadenloser Verführungskraft zieht Hanya Yanagihara uns hinein in den Forscherrausch im Urwald und lässt uns auch dann nicht entkommen, als Perina dort eine weitere Entdeckung macht: seine fatale Liebe zu Kindern. Wie betrachten wir eine Lebensleistung, wenn sich das Genie als Monster entpuppt? Ein brillant geschriebener, gefährlicher Dschungel von einem Roman.
Hanya Yanagihara, 1974 geboren, ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Journalistin. Mit ihrem Roman Ein wenig Leben gewann sie den Kirkus Award und stand auf der Shortlist des Man Booker Prize, des National Book Award und des Baileys Prize. Ein wenig Leben ist eines der bestverkauften und meistdiskutierten literarischen Werke der vergangenen Jahre.
Produktbeschreibung
- Verlag: Hanser Berlin
- Originaltitel: The people in the trees
- Artikelnr. des Verlages: 516/26202
- 3. Aufl.
- Seitenzahl: 480
- Erscheinungstermin: Februar 2019
- Deutsch
- Abmessung: 218mm x 152mm x 35mm
- Gewicht: 683g
- ISBN-13: 9783446262027
- ISBN-10: 3446262024
- Artikelnr.: 54341894
Herstellerkennzeichnung
Hanser Berlin
Lehrter Straße 57 Haus 4
10557 Berlin
info@hanser.de
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Christoph Vormweg rät dringend, sich das Vorwort zu Hanya Yanagiharas Roman bis zum Ende aufzusparen. Ansonsten verlören die Erinnerungen des Forschungsreisenden Perina einiges an Spannung. Was der Erzähler über seine Reise zu einem isolierten mikronesischen Volksstamm berichtet, scheint Vormweg darüber hinaus präzis und bildreich gefasst, detailliert in den Naturbeschreibungen und von atmosphärischer Dichte. Über die Kabale im Forschermilieu scheint ihm die Autorin besonders gut Bescheid zu wissen, die Kollision eines primitiven Wertesystems mit dem christlichen Weltbild schildert Yanagihara laut Rezensent mitreißend, mit Gespür für menschliche Abgründe und enstprechend desillusionierend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Genie und Verbrechen - kann man das trennen?
"Das Volk der Bäume", der erste Roman der großartigen Autorin Hanya Yanagihara, erscheint auf Deutsch
Neulich im Café: Alles war gerade ganz friedlich, da kam plötzlich "Billie Jean". Und dann, als der Schock sich gelegt hatte, kurz danach auch noch "Black or White". Was tun? Sofort aufstehen? Sitzen bleiben und das nicht zu verhindernde innere Mitsingen nach außen hin durch einen besonders kritisch-alarmierten Gesichtsausdruck kompensieren? Auch nach all den Feuilletondebatten über die wahrscheinlich nötige, aber höchstwahrscheinlich unmögliche Trennung zwischen zu schützender Kunst und zu verurteilendem Künstler weiß man immer noch nicht mehr, als dass das Ganze ein
"Das Volk der Bäume", der erste Roman der großartigen Autorin Hanya Yanagihara, erscheint auf Deutsch
Neulich im Café: Alles war gerade ganz friedlich, da kam plötzlich "Billie Jean". Und dann, als der Schock sich gelegt hatte, kurz danach auch noch "Black or White". Was tun? Sofort aufstehen? Sitzen bleiben und das nicht zu verhindernde innere Mitsingen nach außen hin durch einen besonders kritisch-alarmierten Gesichtsausdruck kompensieren? Auch nach all den Feuilletondebatten über die wahrscheinlich nötige, aber höchstwahrscheinlich unmögliche Trennung zwischen zu schützender Kunst und zu verurteilendem Künstler weiß man immer noch nicht mehr, als dass das Ganze ein
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Dilemma ist. Unlösbar.
Ach, hätte man doch "Das Volk der Bäume" von Hanya Yanagihara im Café dabeigehabt! Dieser Roman nämlich, das Debüt der Schriftstellerin und Journalistin, die 2016 mit ihrem zweiten Buch "Ein wenig Leben" ("A Little Life") weltbekannt wurde, gibt eine sehr überzeugende ästhetische Antwort darauf, wie man Werk und Verbrechen trennen beziehungsweise: mit beiden zusammen umgehen kann.
Achtzehn Jahre hat Yanagihara an ihrem Debüt geschrieben. "Die Erinnerung daran ist vor allem die Erinnerung an eine furchtbare Zeit in meinem Leben: Es ist Sommer, alle sind irgendwo draußen am Strand, nur ich sitze am Schreibtisch", sagte sie neulich bei einer Lesung in Berlin ziemlich fröhlich. Es ist ja auch ein großes Glück: Nicht nur, dass sie achtzehn Jahre lang hartnäckig geblieben ist, sondern auch, dass das Buch sechs Jahre nach Publikation des amerikanischen Originals endlich ins Deutsche übersetzt worden ist.
"Das Volk der Bäume" ist ein grundlegend anderes Buch als "Ein wenig Leben": keines, das man fast ohne Pause verschlingt und beweint, keines, das rückhaltlose Identifikation mit den Hauptfiguren fordert. Hier geht es nicht um vier enge Freunde in New York, sondern um eine Gruppe einander nicht besonders sympathischer Wissenschaftler auf einer fiktiven Insel. Anstelle des Ortes, der einem zutiefst vertraut ist, und sei es nur aus anderen Büchern, Filmen, Songs, also ein imaginärer Ort, für dessen allererste innere Vorstellung man im Kopf erst Platz schaffen muss. Anstelle von Identifikationsfiguren eine Hauptfigur, die einem noch vor dem ersten Kapitel durch Zeitungsberichte als Verbrecher offenbart wird. Auch der sexuelle Missbrauch, der in beiden Texten zentral ist, wird von der entgegengesetzten Seite beleuchtet: in "Ein wenig Leben" durch die Psyche eines Überlebenden, in "Das Volk der Bäume" durch die Memoiren eines Täters. Wo "Ein wenig Leben" hineinzieht, hält "Das Volk der Bäume" auf Distanz. Und gerade die Konstruktion dieser Distanz ist es, die an dem Buch so sehr fasziniert, die es zu einem so beeindruckenden, beinahe experimentellen Stück Literatur macht.
Es geht um den Arzt Dr. Norton Perina, der in den 1950er Jahren als junger Medizinabsolvent zusammen mit einem berühmten Ethnologen eine Forschungsreise zu einer Inselgruppe in der Südsee unternimmt. Die wichtigste der fiktiven Inseln ist Ivu'ivu, Perina ist dort für die Untersuchung der indigenen Bewohner des Dschungels zuständig. Ziel der Forschungen ist es vor allem, hinter das Geheimnis der hohen Lebenserwartung der Inselbewohner zu kommen: Einige sind schon über zweihundert Jahre alt. Dabei entdeckt er unter anderem eine Schildkrötenart namens Opa'ivu'eke, verschiedene, auch problematische Rituale - und seine große Liebe zu den Kindern der Inselfamilien, von denen er über die Jahre insgesamt mehr als vierzig adoptieren und mit sich zurück in die Vereinigten Staaten nehmen wird. In den 1970er Jahren wird ihm für seine Entdeckungen der Nobelpreis verliehen, seine Veröffentlichungen machen die Insel aber auch bekannt und setzen sie massiven Eingriffen und Veränderungen aus. Perina ist darüber entsetzt. Für seine eigenen Taten, für die er 1997 angeklagt und verurteilt wurde, die mehrfache Vergewaltigung von einem seiner Adoptivsöhne, gilt das nicht.
Mehr braucht man zum Inhalt des Romans nicht zu wissen - höchstens noch, dass Dr. Perina ein reales Vorbild hat: der Mediziner Dr. Daniel Gajdusek, ebenfalls Nobelpreisträger, ebenfalls wegen sexuellen Missbrauchs an einem Adoptivsohn verurteilt, arbeitete mit Yanagiharas Onkel am gleichen Forschungszentrum, sein Name war ihr als Kind sehr vertraut. Dass sie eines Tages über ihn schreiben wollte, wusste sie schon früh. Für Recherche und Schreiben hat sie allerdings noch einmal achtzehn Jahre gebraucht. Als "Das Volk der Bäume" dann 2013 erschien, bekam es ein paar positive Rezensionen, wurde insgesamt aber wenig beachtet. Den zweiten Roman schrieb sie daraufhin in nur achtzehn Monaten, der Erfolg machte sie 2016 weltweit bekannt.
Das Entscheidende aber ist die Textform. "Das Volk der Bäume" ist als Herausgeberfiktion konstruiert. Das heißt, die Veröffentlichungsumstände der Erzählung werden miterzählt, als ebenfalls fiktionale Geschichte: Ronald Kubodera, Perinas ihm treu ergebener Assistent, spricht in einem Vorwort und in umfangreichen Fußnoten, und er schickt dem Text eine Karte der Inseln und zwei Zeitungsartikel zur Verhaftung Perinas voraus. Daran muss man erst einmal vorbei, ehe man zu den Memoiren kommt. Ganz am Ende folgen noch ein Epilog, ein Nachtrag, ein Anhang mit zeitlichem Überblick und einem Glossar ausgewählter u'ivuanischer Begriffe.
So entsteht eine Schutzzone um die Stimme des Verbrechers herum: Sie ordnen das, was er erzählen wird, in einen Kontext ein, sorgen zum Beispiel dafür, dass der Roman mit der Benennung der Taten beginnt und endet. Dazwischen folgt man Perinas eigener Erzählung seines Lebens, von der Kindheit über das Studium und die minutiöse Entdeckung und Erforschung der Insel bis zur Adoption und Erziehung der Kinder. Er scheint genau und beinahe naiv offen zu beschreiben. Entlarvend wirkt erst recht die bedingungslose Loyalität seines Assistenten. "Norton ist ein Genie, und das ist alles, was in meinen Augen zählt und meiner Ansicht nach für die Geschichte zählen sollte", schreibt er gleich zu Anfang: "Ich möchte nicht weniger als Nortons Ruf wiederherstellen. Weniger als das für einen Mann zu tun, welcher der Welt der Wissenschaft und der Medizin so viel gegeben hat, wäre, in einem Wort, unverzeihlich." Die übrigens großartige Übersetzung von Stephan Kleiner lässt den doppelbödigen Humor der stellenweise satirischen Übertreibungen und der Wissenschaftssprache der Fußnoten perfekt durchscheinen.
Zwischen diesen verschiedenen Textbausteinen findet das Spiel zwischen Distanz und Einfühlung statt: Man kann ja nicht anders, als sich in jemanden, dessen Lebenserzählung man liest, hineinzuversetzen - auch, wenn man von Anfang an weiß, dass man der Erzählung eines Verbrechers folgt. Ständig ist man beim Lesen damit beschäftigt, diese beiden Gefühlszustände auszutarieren: ohne Anteilnahme kann man einer Erzählung nicht folgen, ohne Distanz aber kann man eine Ich-Erzählung, die in die Vergewaltigung eines Kindes münden wird, nicht ertragen.
Und geht es bei der Hilflosigkeit gegenüber Michael Jacksons eingängiger Musik nicht genau darum: um die Angst, nichts tun zu können gegen eine automatische Identifikation, die Angst davor, den nötigen Abstand nicht halten zu können, sondern beim Zuhören automatisch zu bejahen und zu bestärken, weiter zu erhöhen und zu bewundern? Gibt es eine Art der Kunstrezeption, die nicht überhöhend, nicht affirmativ ist? Hanya Yanagihara zeigt mit "Das Volk der Bäume", dass es geht.
Die Haltung der Erzählerin ist dennoch eindeutig. Ein Zitat aus Shakespeares "Der Sturm" ist dem Roman als Motto vorangestellt: "Prospero: Ein geborner Teufel ist's, / An dem Erziehung nichts verbessern kann." Erziehung kann nichts verbessern. Erzählung schon. Vor allem wenn sie so vollkommen undidaktisch und erfinderisch ist wie in "Das Volk der Bäume".
"Ich interessiere mich dafür, was es bedeutet, menschlich zu sein" ("what it means to be human", formulierte sie neulich in einem Gespräch mit dem Fotografen Alec Soth im "T Magazine" der "New York Times", dessen Herausgeberin sie ist, ihren eigenen Schreibantrieb. Menschlich ist es auch, sich nach der vollkommenen Identifikation und Bejahung in der Kunst zu sehnen. "Ich kann verstehen, wenn jemand die Musik von Michael Jackson nicht mehr hören mag", sagte sie in Berlin auch: "Ich aber höre sie weiter." Kein Wunder: Sie weiß schließlich, wie das gelingt, die großartige Hanya Yanagihara.
JULIA DETTKE.
Hanya Yanagihara: "Das Volk der Bäume". Aus dem Englischen von Stephan Kleiner. Hanser Berlin, 480 Seiten, 25 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ach, hätte man doch "Das Volk der Bäume" von Hanya Yanagihara im Café dabeigehabt! Dieser Roman nämlich, das Debüt der Schriftstellerin und Journalistin, die 2016 mit ihrem zweiten Buch "Ein wenig Leben" ("A Little Life") weltbekannt wurde, gibt eine sehr überzeugende ästhetische Antwort darauf, wie man Werk und Verbrechen trennen beziehungsweise: mit beiden zusammen umgehen kann.
Achtzehn Jahre hat Yanagihara an ihrem Debüt geschrieben. "Die Erinnerung daran ist vor allem die Erinnerung an eine furchtbare Zeit in meinem Leben: Es ist Sommer, alle sind irgendwo draußen am Strand, nur ich sitze am Schreibtisch", sagte sie neulich bei einer Lesung in Berlin ziemlich fröhlich. Es ist ja auch ein großes Glück: Nicht nur, dass sie achtzehn Jahre lang hartnäckig geblieben ist, sondern auch, dass das Buch sechs Jahre nach Publikation des amerikanischen Originals endlich ins Deutsche übersetzt worden ist.
"Das Volk der Bäume" ist ein grundlegend anderes Buch als "Ein wenig Leben": keines, das man fast ohne Pause verschlingt und beweint, keines, das rückhaltlose Identifikation mit den Hauptfiguren fordert. Hier geht es nicht um vier enge Freunde in New York, sondern um eine Gruppe einander nicht besonders sympathischer Wissenschaftler auf einer fiktiven Insel. Anstelle des Ortes, der einem zutiefst vertraut ist, und sei es nur aus anderen Büchern, Filmen, Songs, also ein imaginärer Ort, für dessen allererste innere Vorstellung man im Kopf erst Platz schaffen muss. Anstelle von Identifikationsfiguren eine Hauptfigur, die einem noch vor dem ersten Kapitel durch Zeitungsberichte als Verbrecher offenbart wird. Auch der sexuelle Missbrauch, der in beiden Texten zentral ist, wird von der entgegengesetzten Seite beleuchtet: in "Ein wenig Leben" durch die Psyche eines Überlebenden, in "Das Volk der Bäume" durch die Memoiren eines Täters. Wo "Ein wenig Leben" hineinzieht, hält "Das Volk der Bäume" auf Distanz. Und gerade die Konstruktion dieser Distanz ist es, die an dem Buch so sehr fasziniert, die es zu einem so beeindruckenden, beinahe experimentellen Stück Literatur macht.
Es geht um den Arzt Dr. Norton Perina, der in den 1950er Jahren als junger Medizinabsolvent zusammen mit einem berühmten Ethnologen eine Forschungsreise zu einer Inselgruppe in der Südsee unternimmt. Die wichtigste der fiktiven Inseln ist Ivu'ivu, Perina ist dort für die Untersuchung der indigenen Bewohner des Dschungels zuständig. Ziel der Forschungen ist es vor allem, hinter das Geheimnis der hohen Lebenserwartung der Inselbewohner zu kommen: Einige sind schon über zweihundert Jahre alt. Dabei entdeckt er unter anderem eine Schildkrötenart namens Opa'ivu'eke, verschiedene, auch problematische Rituale - und seine große Liebe zu den Kindern der Inselfamilien, von denen er über die Jahre insgesamt mehr als vierzig adoptieren und mit sich zurück in die Vereinigten Staaten nehmen wird. In den 1970er Jahren wird ihm für seine Entdeckungen der Nobelpreis verliehen, seine Veröffentlichungen machen die Insel aber auch bekannt und setzen sie massiven Eingriffen und Veränderungen aus. Perina ist darüber entsetzt. Für seine eigenen Taten, für die er 1997 angeklagt und verurteilt wurde, die mehrfache Vergewaltigung von einem seiner Adoptivsöhne, gilt das nicht.
Mehr braucht man zum Inhalt des Romans nicht zu wissen - höchstens noch, dass Dr. Perina ein reales Vorbild hat: der Mediziner Dr. Daniel Gajdusek, ebenfalls Nobelpreisträger, ebenfalls wegen sexuellen Missbrauchs an einem Adoptivsohn verurteilt, arbeitete mit Yanagiharas Onkel am gleichen Forschungszentrum, sein Name war ihr als Kind sehr vertraut. Dass sie eines Tages über ihn schreiben wollte, wusste sie schon früh. Für Recherche und Schreiben hat sie allerdings noch einmal achtzehn Jahre gebraucht. Als "Das Volk der Bäume" dann 2013 erschien, bekam es ein paar positive Rezensionen, wurde insgesamt aber wenig beachtet. Den zweiten Roman schrieb sie daraufhin in nur achtzehn Monaten, der Erfolg machte sie 2016 weltweit bekannt.
Das Entscheidende aber ist die Textform. "Das Volk der Bäume" ist als Herausgeberfiktion konstruiert. Das heißt, die Veröffentlichungsumstände der Erzählung werden miterzählt, als ebenfalls fiktionale Geschichte: Ronald Kubodera, Perinas ihm treu ergebener Assistent, spricht in einem Vorwort und in umfangreichen Fußnoten, und er schickt dem Text eine Karte der Inseln und zwei Zeitungsartikel zur Verhaftung Perinas voraus. Daran muss man erst einmal vorbei, ehe man zu den Memoiren kommt. Ganz am Ende folgen noch ein Epilog, ein Nachtrag, ein Anhang mit zeitlichem Überblick und einem Glossar ausgewählter u'ivuanischer Begriffe.
So entsteht eine Schutzzone um die Stimme des Verbrechers herum: Sie ordnen das, was er erzählen wird, in einen Kontext ein, sorgen zum Beispiel dafür, dass der Roman mit der Benennung der Taten beginnt und endet. Dazwischen folgt man Perinas eigener Erzählung seines Lebens, von der Kindheit über das Studium und die minutiöse Entdeckung und Erforschung der Insel bis zur Adoption und Erziehung der Kinder. Er scheint genau und beinahe naiv offen zu beschreiben. Entlarvend wirkt erst recht die bedingungslose Loyalität seines Assistenten. "Norton ist ein Genie, und das ist alles, was in meinen Augen zählt und meiner Ansicht nach für die Geschichte zählen sollte", schreibt er gleich zu Anfang: "Ich möchte nicht weniger als Nortons Ruf wiederherstellen. Weniger als das für einen Mann zu tun, welcher der Welt der Wissenschaft und der Medizin so viel gegeben hat, wäre, in einem Wort, unverzeihlich." Die übrigens großartige Übersetzung von Stephan Kleiner lässt den doppelbödigen Humor der stellenweise satirischen Übertreibungen und der Wissenschaftssprache der Fußnoten perfekt durchscheinen.
Zwischen diesen verschiedenen Textbausteinen findet das Spiel zwischen Distanz und Einfühlung statt: Man kann ja nicht anders, als sich in jemanden, dessen Lebenserzählung man liest, hineinzuversetzen - auch, wenn man von Anfang an weiß, dass man der Erzählung eines Verbrechers folgt. Ständig ist man beim Lesen damit beschäftigt, diese beiden Gefühlszustände auszutarieren: ohne Anteilnahme kann man einer Erzählung nicht folgen, ohne Distanz aber kann man eine Ich-Erzählung, die in die Vergewaltigung eines Kindes münden wird, nicht ertragen.
Und geht es bei der Hilflosigkeit gegenüber Michael Jacksons eingängiger Musik nicht genau darum: um die Angst, nichts tun zu können gegen eine automatische Identifikation, die Angst davor, den nötigen Abstand nicht halten zu können, sondern beim Zuhören automatisch zu bejahen und zu bestärken, weiter zu erhöhen und zu bewundern? Gibt es eine Art der Kunstrezeption, die nicht überhöhend, nicht affirmativ ist? Hanya Yanagihara zeigt mit "Das Volk der Bäume", dass es geht.
Die Haltung der Erzählerin ist dennoch eindeutig. Ein Zitat aus Shakespeares "Der Sturm" ist dem Roman als Motto vorangestellt: "Prospero: Ein geborner Teufel ist's, / An dem Erziehung nichts verbessern kann." Erziehung kann nichts verbessern. Erzählung schon. Vor allem wenn sie so vollkommen undidaktisch und erfinderisch ist wie in "Das Volk der Bäume".
"Ich interessiere mich dafür, was es bedeutet, menschlich zu sein" ("what it means to be human", formulierte sie neulich in einem Gespräch mit dem Fotografen Alec Soth im "T Magazine" der "New York Times", dessen Herausgeberin sie ist, ihren eigenen Schreibantrieb. Menschlich ist es auch, sich nach der vollkommenen Identifikation und Bejahung in der Kunst zu sehnen. "Ich kann verstehen, wenn jemand die Musik von Michael Jackson nicht mehr hören mag", sagte sie in Berlin auch: "Ich aber höre sie weiter." Kein Wunder: Sie weiß schließlich, wie das gelingt, die großartige Hanya Yanagihara.
JULIA DETTKE.
Hanya Yanagihara: "Das Volk der Bäume". Aus dem Englischen von Stephan Kleiner. Hanser Berlin, 480 Seiten, 25 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Eine sehr überzeugende ästhetische Antwort darauf, wie man Werk und Verbrechen trennen beziehungsweise: mit beiden zusammen umgehen kann. ...Ein beeindruckendes, beinahe experimentelles Stück Literatur." Julia Dettke, Frankfurter Allgemeine Sonntagzeitung, 07.07.19 "Sprachlich imminent wuchtig, auf verschiedenen Ebenen klug komponiert inklusive wissenschaftlichen Berichten, die mit erfundenen Fußnoten über halbe Seiten Zeitungsartikel zitieren, gearbeitet. Und man kann sich nur wundern, dass damals noch eine junge Frau ihr erstes Werk so reif, so fantastisch komponieren kann. Es ist sprachlich ungeheuer fesselnd und eindringlich." Robert Habeck, Literarisches Quartett, 04.03.19 "Es ist wirklich sprachlich fantastisch, wie diese unberührte
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Natur beschrieben wird." Volker Weidemann, Literarisches Quartett, 04.03.19 "Ich habe irgendwann völlig vergessen, dass es ein Roman ist und habe es irgendwann für die Wirklichkeit gehalten. ... Es hat mich total fasziniert, es hat mich total reingezogen und das ist ein Buch, was ich von Herzen weiterempfehlen möchte. Das ist ein Buch, mit dem man unbedingt mit jemanden drüber reden möchte." Christine Westermann, Literarisches Quartett, 04.03.19 "Heilloser und zugleich üppiger ist die Natur, ob Menschennatur, Pflanzennatur, Tiernatur, selten einmal literarisch bebildert worden als hier. Das ist unheimlich und faszinierend." Christoph Bartmann, Süddeutsche Zeitung, 23.02.19 "Die Lektüre von Yanagiharas Roman gleicht einer Expedition in einen Dschungel der Düsternis." Claudia Voigt, Der Spiegel, 09.02.19 "[Der Autorin gelingt es] diese vielfältigen Aspekte dieses Stoffs sehr übersichtlich zu entfalten und auch klug zu organisieren. Dieser Roman hat einen große Detailreichtum und eine große Faktenfülle und damit gibt er sich einen derart überzeugenden dokumentarischen Anstrich, dass es sogar dann glaubwürdig wirkt, wo er mit dem Thema Unsterblichkeit ins Fantastische abdreht." Sigrid Löffler, Deutschlandfunk Kultur,31.01.19 "'Das Volk der Bäume' handelt von den Abgründen der Forschung, von Ehrgeiz, westlicher Arroganz, dem Sog des Fremden und - wieder - vom Missbrauch der Schwächsten. Das alles ist im Dschungel, so sinnlich erzählt und übersetzt, dass man denkt, man ist drin." Barbara Weitzel, Welt am Sonntag kompakt, 27.01.19
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Fassungslos!!
Fee zum Buchinhalt:
Ein Forscher sorgt für die Zerstörung einer Insel, nur weil er einen Forschungserfolg haben möchte. Privat vergeht er sich an Kinder. Seine Kindheit wird sehr weit – großzügig ausholend – erzählt. Quasi als …
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Fassungslos!!
Fee zum Buchinhalt:
Ein Forscher sorgt für die Zerstörung einer Insel, nur weil er einen Forschungserfolg haben möchte. Privat vergeht er sich an Kinder. Seine Kindheit wird sehr weit – großzügig ausholend – erzählt. Quasi als Entschuldigung für seine Rücksichtslosigkeit.
Fees Meinung:
Das Cover
Auf dem Cover sieht man wohl den Arzt Norton Perina als er noch jung war. Der Rückentext passt auch sehr gut dazu. Mir gefällt das Cover und würde ihm eine 2- geben.
Die Stimmen
Gunter Schoß (Dr. Norton Perina) und Matthias Bundschuh (Dr. Kubodera, Mitarbeiter von Dr. Perina) lesen wirklich hervorragend, aber auch sie können nix tun, damit die Aufmerksamkeit bleibt, denn die gnadenlosen langen Passagen wo Sachen erklärt werden und dann geht es wieder weiter mit dem Buch, das verwirrt zu sehr und kostet 1000 prozentige Aufmerksamkeit. Man kann nicht nebenher puzzeln und muss sich total auf das Hörbuch konzentrieren. Trotzdem möchte ich den Sprechern eine 2 geben. Ich kann sie gut auseinanderhalten und weiß immer, wer spricht.
Der Schreibstil/Charakter und Sonstiges
Ich merke, dass die Autorin wirklich gut schreiben kann, aber dieses Buch ist wirklich schrecklich. Eigentlich geht es ja nur um den Forscher Norton Perina, um sein Leben, sein Werk, seine Zerstörung.
Der grausamen Forscher, der nur Zerstörung, Quälung, Vergewaltigung von Kindern und den Tod von Menschen und Tieren mit sich bringt. Er zerstört Natur, Menschen, Kinder und Tiere.
Das Buch war so schrecklich quälerisch mit all seinem Tun und dazu eine Autorin, die seine Kindheit so weit erklärt, dass ich fast wieder eingeschlafen bin und quasi als Entschuldigung für die unfassbaren Taten die Perina verursacht hat. Ich weiß nicht, wie man ihn da als Forscher hochjubeln kann.
Schlimm fand ich, wie oben schon erwähnt, die seitenlangen Erklärungen, wo ich dann einfach nicht mehr wusste, von was die Autorin gerade schrieb. Unfassbare 1075 Minuten musste ich mir dieses Machwerk anhören. Warum wird so viel Gutes gekürzt und dieses Gebilde erscheint mir ungekürzt viel zu lang? Wie kann solch ein Mensch den Nobelpreis bekommen und das entschuldigt all seinen zerstörerischen, rücksichtslosen Handlungen? Ok, es ist ein wahrer Fall, aber ich kann diese Schriftstellerin nicht verstehen, wie sie praktisch Entschuldigungen für seine Taten findet.
Allein 1/3 des Buches – hab ich den Eindruck – ist Perinas Werdegang gewidmet, bis er endlich zur Expedition aufbricht. Die Schilderungen wie die Tiere gequält wurden – im Namen der Wissenschaft – einfach grausam. Da frag ich mich, kann die Autorin nachts noch schlafen? Ich wurde jedenfalls beim Hören gequält.
Dieses Hörbuch ist - für mich - kaum zu ertragen gewesen. Manchmal dachte ich auch, es war ein Sachbuch, weil so viel Information und Erklärungen auf mich einprasselten.
Leider hatte ich den Eindruck, die Autorin rechtfertigte die Taten dieses Monsters, im Namen der Wissenschaft und was er so alles herausgefunden hat. Und so ein Mensch, der rücksichtslos alles zerstört bekommt den Nobelpreis. Ich bin ehrlich fassungslos!
Lesezeichenfees Fazit:
Der Autorin ist ein äußerst erschreckender, verstörender, entsetzlicher, gruselig-grausamer Roman gelungen. Hätte sie nicht so viele Erklärungen und Anmerkungen (teilweise seitenlang) gemacht, seine Kindheit nicht entschuldigend für seine Taten so ewig beschrieben und die Tierquälereien nicht so ausführlich ausgebreitet, dass ich meinte, ich bin dabei, aber leider taubstumm und gelähmt, weil ich das nicht verhindern konnte, dann wäre es sicher ein guter Roman geworden. So aber schwankte ich zwischen Langeweile und – Ich muss mich gleich übergeben, das ist ja entsetzlich – und WANN IST DENN DAS HÖRBUCH ENDLICH ZU ENDE?
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Meine Meinung zum Hörbuch :
Nachdem ich ein "Ein wenig leben" letztes Jahr gelesen habe und dieses seitdem als ein Lieblingsbuch bezeichne, war ich sehr gespannt den einzigartigen Stil der Autorin in ihrem neu erschienen Buch, dieses mal in Hörbuch Form wieder genießen zu …
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Meine Meinung zum Hörbuch :
Nachdem ich ein "Ein wenig leben" letztes Jahr gelesen habe und dieses seitdem als ein Lieblingsbuch bezeichne, war ich sehr gespannt den einzigartigen Stil der Autorin in ihrem neu erschienen Buch, dieses mal in Hörbuch Form wieder genießen zu können.
Und auch wenn "das Volk der Bäume " nicht ganz daran heran reicht, ist dieses Buch dennoch ein absolut literarisches Highlight, welches anspruchsvoll und dennoch leicht lesbar erscheint.
Mal wieder schafft es die Autorin ihre Leser auf eine höchst ungewöhnliche Art und Weise zu berühren und an eine so ungewöhnliche Geschichte zu fesseln. Genauso gelungen ist die Hörbuch Version, die das literarische perfekt zu unterstützen weiß !
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Schon auf den ersten Seiten erhalten wir eine Kurzzusammenfassung, worum es in diesem Buch geht. Es sind die Aufzeichnungen von Norton Perina, einem Wissenschaftler, über siebzig Jahre alt, Nobelpreisträger, der im Gefängnis sitzt wegen Missbrauchs. Die Aufzeichnungen sind mit einem …
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Schon auf den ersten Seiten erhalten wir eine Kurzzusammenfassung, worum es in diesem Buch geht. Es sind die Aufzeichnungen von Norton Perina, einem Wissenschaftler, über siebzig Jahre alt, Nobelpreisträger, der im Gefängnis sitzt wegen Missbrauchs. Die Aufzeichnungen sind mit einem Vorwort und Kommentaren seines wissenschaftlichen Mitarbeiters Ronald Kubodera versehen.
Norton Perina erzählt uns seine Lebensgeschichte, die vor allem nach Abschluss seines Medizinstudiums richtig interessant wird. Denn er bricht zu einer Forschungsreise auf, um zusammen mit einem Anthropologen ein völlig isoliert lebendes Volk auf einer mikronesischen Insel zu finden und zu studieren. Diese Reise wird sein ganzes Leben verändern, beruflich wie auch privat, denn er stößt dort auf eine Schildkrötenart, deren Verzehr den körperlichen Alterungsprozess verlangsamt, beinahe stoppt, nicht aber den geistigen Verfall.
Dieses Buch hat mich sehr fasziniert. Zum einem das Setting. Diese Inseln, auf denen die Regeln, nach denen wir hier leben, gar keine Bedeutung haben. Die Schilderung des Urwalds, mit seinen Tieren und Früchten. Sie ist so lebhaft, als wäre man selbst dort und müsste sich von dem ernähren, was der Wald zu bieten hat.
Und zum anderen wirft das Buch ständig neue ethische Fragen auf, über die man stundenlang diskutieren könnte! Ich will nicht zu viel verraten, aber hier einige Beispiele: Ist es in Ordnung, ein isoliert lebendes Volk zu stören? Dinge der Zivilisation in ihr Leben zu bringen? Und wenn das Volk Rituale hat, die bei uns strafbar sind, was soll man davon halten?
„Das Volk der Bäume“ ist ein Roman, der einem ständig durch den Kopf schwirrt. Ich habe gekocht und an Hunonos gedacht. Ich bin Auto gefahren und habe mit dem Schicksal der Träumer gehadert. Ich habe das Bad geputzt und über die Kinder nachgedacht, die Perina adoptiert hat. So ein Buch ist das!
Ich will keinesfalls spoilern, aber was mich auch begeistert hat, ist der Aufbau des Buches. Es sind Perinas Erinnerungen, kommentiert von einem Mitarbeiter (und Freund). Der Leser bekommt also eine sehr subjektive Erzählung präsentiert und die Wahrheit steht zwischen den Zeilen.
Und nun die große Frage, die sicher jeder stellen wird: ist das Buch so gut wie „Ein wenig Leben“? Ich finde es schwierig zu beantworten, da die Bücher so unterschiedlich sind. Was Ihnen gemeinsam ist: Die Wucht, die Intensität, mit der die Autorin erzählt. Mit der sie dem Leser den Boden unter den Füssen weg zieht. Für mich persönlich ist „Das Volk der Bäume“ besser als „Ein wenig Leben“. Ich mag das Setting: das Abenteuer, den Urwald, die Forschung. Ich liebe Bücher zu diesen Themen, deswegen bin ich da voreingenommen. Außerdem ist dieses Buch nicht ganz so schmerzhaft für den Leser wie „Ein wenig Leben“.
Zusammenfassend kann ich also sagen: Wen das Thema auch nur im Geringsten interessiert, der sollte das Buch lesen! Ich denke aber, dass es zu diesem Buch nicht nur positive Meinungen geben wird und bin sehr gespannt auf die Diskussion.
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Der junge Arzt Dr. Norton Perina entdeckt auf einer mikronesischen Insel Menschen eines bisher unbekannten Stammes, die körperlich nicht zu altern scheinen, aber geistig verwirrt sind. Es stellt sich heraus, dass die Bewohner das Fleisch einer besonderen Schildkröte verzehrt haben, die ihr …
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Der junge Arzt Dr. Norton Perina entdeckt auf einer mikronesischen Insel Menschen eines bisher unbekannten Stammes, die körperlich nicht zu altern scheinen, aber geistig verwirrt sind. Es stellt sich heraus, dass die Bewohner das Fleisch einer besonderen Schildkröte verzehrt haben, die ihr Lebensspanne deutlich verlängert. Bald schon wird Norton für seinen wissenschaftlichen Durchbruch gefeiert, doch dann wird er wegen Kindesmissbrauchs angeklagt... .
Hanya Yanagihara hat hier Roman geschrieben, der gleichzeitig beeindruckend, aber auch verstörend ist und mich nachdenklich zurück lässt.
Sie hat hier eine Art fiktionale Biographie entworfen, die die angebliche Geschichte des Dr. Norton Perina erzählt, der erst durch seine bahnbrechende Entdeckung den Nobelpreis erhält, aber dann wegen seiner pädophilen Neigung bei allen in Ungnade fällt.
Man bekommt hier wirklich den Eindruck, man würde eine echte Biographie eines tatsächlich existierenden Wissenschaftlers lesen. Dies wird noch durch angebliche Zeitungsartikel und vor allem durch das Vorwort und die Fußnoten des Herausgebers Dr. Kubodera verstärkt.
Auf mich wirkte Dr. Norton Perina von Anfang an unsympathisch, was nicht nur an seinen pädophilen Neigungen, sondern auch daran liegt, wie er schon als Jugendlicher über andere Menschen urteilt und wie anmaßend und respektlos er mit seiner Mutter umgeht. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte merkt man immer wieder eine gewisse Gefühlslosigkeit, als er beispielsweise die Laborratten tötet und untersucht und sich bei seiner Ankunft auf Ivu´ivu gleich vornimmt, die Forscherin Esme Duff zu hassen.Später, als er viele Kinder in die USA holt, adoptiert und großzieht, hat man bereits ein flaues Gefühl, weil man ja schon weiß, dass etwas passieren wird.
Die Autorin hat es im Roman wirklich geschafft, den Leser mit in die Handlung hinein zu ziehen und mit vielen Fragen gerade moralischer Art zu konfrontieren. Besonders anschaulich und betörend beschrieben ist die Zeit im Dschungel, der eine unglaubliche Pflanzen- und Tiervielfalt bietet und seine Gäste in seinen Bahn zieht. Umso mehr trifft es einen selbst, als nach Nortons Entdeckung scharrenweise Wissenschafter nach Ivu´ivu kommen und dort den Dschungel zerstören.
Gelesen wird das Hörbuch zum größten Teil von Gunter Schoß. der Dr. Perina spricht. Seine Stimme passt hervorragend zu der Figur und man stellt sich unweigerlich einen älteren Herrn vor, der seine Geschichte ganz unbedarft erzählt. Auch Matthias Bundschuh, der Dr. Kubodera spricht, klingt wirklich wie der Mitarbeiter, der sein Vorbild trotz allem anhimmelt und sein Handeln rechtfertigt.
Insgesamt ist ,,Das Volk der Bäume" ein besonders Hörerlebnis, welches gleichzeitig fasziniert und schockiert. Gerne empfehle ich es hier weiter.
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Ein bemerkenswerter Debütroman!
Das Volk der Bäume ist mit 18 Stunden auf 3 MP3 ein langes Hörbuch, das über das Leben eines Wissenschaftlers berichtet.
Die Sprecher machen ihre Sache gut, aber über dem Buch schwebt das Thema Missbrauch, daher ist das Zuhören …
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Ein bemerkenswerter Debütroman!
Das Volk der Bäume ist mit 18 Stunden auf 3 MP3 ein langes Hörbuch, das über das Leben eines Wissenschaftlers berichtet.
Die Sprecher machen ihre Sache gut, aber über dem Buch schwebt das Thema Missbrauch, daher ist das Zuhören überwiegend beklemmend.
Die Träumer, wie die Forscher sie nennen, sind sehr alte Menschen auf der tropischen Insel Ivu Ivu in Mikronesien.
Es geht von den Beschreibungen im Dschungel Faszination aus, aber es gibt auch erschreckendes wie z.B. primitive Rituale.
Der Protagonist Norton Perina ist ein kalter Mensch, schon deswegen kein Sympathieträger. Man bleibt als Zuhörer auf Distanz. Hanya Yanagihara schreibt aber nicht zufällig so. Sie setzt sogar die Methode des Erzählens mit Fußnoten ein. Fast wie ein Sachbuch, aber die Story an sich ist fiktiv. Es gab allerdings ein reales Vorbild für den Nobelpreisträgers Norton Perina.
Man erfährt viel über die Arbeit der Forscher, teilweise mehr als man wissen möchte. Das gilt zum Beispiel bei den Tierversuchen, aber auch die Menschen des Dschungelvolks werden nur als Objekte der Forschung gesehen. Und es ist auch kein Wunder, dass der Einbruch der Zivilisation jeglich paradiesisches der Insel zerstören wird.
Das Hörbuch ist etwas zu lang, doch man kann sich damit arrangieren, weil es sich lohnt.
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Wann wird ein Held zum Teufel?
Einst Nobelpreisträger, landet Dr. Norton Perina mit über 70 Jahren wegen Pädophilie im Gefängnis. Sein ihm völlig ergebener Mitarbeiter Dr. Kubodera überredet ihn, dort seine Geschichte aufzuzeichnen. So erfährt der …
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Wann wird ein Held zum Teufel?
Einst Nobelpreisträger, landet Dr. Norton Perina mit über 70 Jahren wegen Pädophilie im Gefängnis. Sein ihm völlig ergebener Mitarbeiter Dr. Kubodera überredet ihn, dort seine Geschichte aufzuzeichnen. So erfährt der Leser/Hörer hier also aus erster Hand – aber natürlich auch aus nur dieser Perspektive – wie Perina aus dem Labor heraus auf der Insel Ivu’ivu landete. Dort stellt er Forschungen zu den dortigen offenbar ewig lebenden Eingeborenen an. Eine bestimmte Schildkrötenart, die nur auserwählte Menschen verzehren dürfen, scheint der Schlüssel dafür zu sein. Perina erzählt von seinen Entdeckungen – die leider in allen Belangen erschreckend sind …
Eigentlich wollte ich weder das Buch lesen noch das Hörbuch hören. Doch dann habe ich das Hörbuch geschenkt bekommen und wagte mich doch daran. Ich hatte mich darauf eingestellt, sehr lange dafür zu brauchen, viele Pausen einlegen zu müssen. Das Thema – oder besser: die Themen – sind nicht einfach und gehören zu den Dingen, die ich nur schwer verkrafte. Auch finde ich das Cover einfach schrecklich. Das ist allerdings tatsächlich einfach nur mein persönlicher Geschmack - ich mag keine Personen bzw. deren Gesichter auf Covern.
Kaum hatte ich mit dem Hören begonnen, konnte ich kaum aufhören. Trotz aller immer mal wieder auftauchenden Schrecklichkeiten bzw. den vordergründig relativ harmlosen Szenen, die aber jede Menge Alarmglocken auslösten und so ganz von selbst Gedankengänge auslösten, die gar nicht gut waren.
Perina, absolut davon überzeugt, das Richtige getan zu haben, erzählt wirklich ehrlich. Nur wird spätestens am Ende klar, wie er die Wahrheit sieht. Er spricht von Entdeckungen und den Folgen, von Versuchen und Erkenntnissen. Von Aktionen und Reaktionen, von der Insel und der Rückkehr. Nur zwischen den Zeilen wird deutlich, welch Zerstörung seine Forschungen ausgelöst haben. Umso fassungsloser steht man dann aber da.
Ganz von selbst beginnt man, über Sinn und Unsinn von der Möglichkeit, durch irgendwelche Möglichkeiten (hier eben das Verzehren einer bestimmten Schildkrötenart) ewiges Leben zu erlangen, zumal die „Nebenwirkungen“ auch hier nicht unerheblich sind. Welche unfassbare Zerstörung die Entdeckung nach sich zieht, erwähnt Perina nur am Rande, doch dem Leser/Hörer bleibt einfach nicht erspart, das vor dem geistigen Auge zu realisieren.
Doch wird auch klar, dass wir mit unseren Maßstäben die Riten der Ureinwohner messen und über Dinge urteilen, die wir gar nicht verstehen. Jeder noch so kleine Eingriff von außen zerstört das fragile Gleichgewicht der Natur. Perina versucht einerseits, seine Schuld dadurch zu begleichen, indem er Kinder von der nun zerstörten Insel rettet, doch das Ende des Buches raubt mir den Atem und schmerzt mich umso mehr, als ich tatsächlich bereit war, Perinas Beweggründe zu verstehen, Entschuldigungen für ihn zu finden und Mitleid mit ihm zu haben.
Hanya Yanagihara ist meiner Meinung nach ein großartiger Roman gelungen, der wachrüttelt und auch verängstigt. Durch die „Fußnoten“ von Kubodera gelangt man zu Erkenntnissen, die ohne diese schwieriger gewesen wären. Gleichzeitig lassen sie erkennen, dass Perina niemanden aufgehalten hat. Und das offenen Auges. Besonders erwähnen möchte ich auch noch, dass es immer mal wieder Szenen gab, bei denen ich laut auflachen musste. So sehr haben Perina und Kubodera mich auf die falsche Spur geschickt – und dadurch wird klar, dass es niemals genug ist, nur eine Seite einer Geschichte zu kennen und manchmal sogar zwei zu wenig sind.
Die Autorin schafft es, ein paar sehr unangenehme und unbequeme Themen ans Licht zu zerren und den Leser dazu zu zwingen, hinzusehen. Das ist ein erster Schritt, weitere und vor allem reale Verbrechen dieser Art zu verhindern. Ein Buch, das fesselt und durch das man geradezu fliegt. Wunderbare Schilderungen eines einzigartigen Naturvolkes. Ganz viel Diskussionsstoff. Noch mehr Blendwerk. Aber beeindruckend ohne Ende. Manchmal
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