Dieses Buch weist nach, daß der Antisemitismus nicht nur eine Beigabe zum modernen Djihadismus darstellt, sondern dessen Kern ausmacht. Im Zentrum steht die 1928 in Ägypten gegründete Organisation der "Muslimbrüder", die im Kontext der Weltwirtschaftskrise die Idee des kriegerischen Djihad und die Todessehnsucht als Leitideal des Märtyrers neu entdeckt und die wichtigsten gegenwärtigen Djihad-Bewegungen - al-Qaida und Hamas - maßgeblich inspiriert hat. Der antijüdische Wahn der Islamisten ist keinem metaphysischen "Bösen", sondern einer historisch und systematisch erklärbaren Sichtweise auf den Kapitalismus entsprungen. Er generiert einen antijüdischen Krieg, in welchem nicht nur alles Jüdische als Böse, sondern zugleich alles Böse als jüdisch halluziniert wird: Der "große Satan" wird nicht nur wegen seiner Unterstützung für Israel, sondern als das imaginierte Zentrum einer materialistisch-egoistischen (ergo: jüdischen) Weltordnung bekämpft.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Matthias Küntzels Studie über den islamischen Antisemitismus hat bei Rezensent Robert Misik einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Die theoretische Perspektive des Autors erscheint Misik problematisch. Den Großteil der Antiglobalisierungsbewegung halte Küntzel etwa für "zumindest implizit antisemitisch", und der deutschen Außenpolitik unterstelle er, dass sie die "Zentren des Islamismus um jeden Preis auf ihre Seite" ziehen wolle. Allerdings sollte man sich davon nicht allzu sehr irritieren lassen, empfiehlt Misik. Denn trotz dieser Fragwürdigkeiten ist Küntzel seines Erachtens eine "materialreiche, gut komponierte und verstörende Studie" über den islamischen Antisemitismus gelungen. Diesen Antisemitismus charakterisiert Misik als relativ junges Phänomen, das erst mit der jüdischen Kolonisation in Palästina, dem Entstehen der ägyptischen Muslimbrüderschaft und der Radikalisierung des palästinensischen Widerstandes verschärfte Formen annahm. Küntzels Analyse der "ideologische Wahnwelt" hinter diesem Antisemitismus, den er als "eliminatorischen Antizionismus" beschreibe, findet Misik auf jeden Fall empfehlenswert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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