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Augustus Baum, ein berühmter Theaterregisseur, liegt nach einem leichten Schlaganfall im Krankenhaus. Herausgerissen aus der Inszenierung der Möwe von Anton Tschechow, inszeniert er weiter, vom Krankenzimmer aus. Nicht nur das Stück, sondern auch sich selbst. Die Nachtschwester Ute-Marie, seine Frau Dr. Gerda und er sind die Personen, die er so handeln lässt, dass ein Roman draus wird. Es ist ein Roman, der ohne Erzähler auskommt. Die Figuren handeln durch Rede und Gegenrede, mit einander und gegen einander redend handeln sie: Sie stehen auf dem Spiel, darum müssen sie sprechen. Obwohl es in…mehr

Produktbeschreibung
Augustus Baum, ein berühmter Theaterregisseur, liegt nach einem leichten Schlaganfall im Krankenhaus. Herausgerissen aus der Inszenierung der Möwe von Anton Tschechow, inszeniert er weiter, vom Krankenzimmer aus. Nicht nur das Stück, sondern auch sich selbst. Die Nachtschwester Ute-Marie, seine Frau Dr. Gerda und er sind die Personen, die er so handeln lässt, dass ein Roman draus wird.
Es ist ein Roman, der ohne Erzähler auskommt. Die Figuren handeln durch Rede und Gegenrede, mit einander und gegen einander redend handeln sie: Sie stehen auf dem Spiel, darum müssen sie sprechen. Obwohl es in der «Inszenierung» um nichts als Liebe geht, ist, was darin verhandelt wird, etwas Unerhörtes, eine Sensation: Dr. Gerda, die Ehefrau, und Ute-Marie, die Nachtschwester, sind bei aller Lebensverschiedenheit gleich gut, gleich bedeutend, gleich zurechnungsfähig und auch gleich schön. Das gibt dem Uralt-Thema eine überraschende Aktualität.
Nicht erst seit seinem flammenden Roman «Ein liebender Mann» kreist Martin Walser um Themen wie Leidenschaft, Abhängigkeit und Wahn. «Die Inszenierung» ist ein zwischen Ironie und Tragik oszillierendes Kammerspiel über das Kunstwerk der Verheimlichung, die Ehe, und das seriöseste und zugleich lächerlichste Leiden überhaupt: die Liebe.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Walser, MartinMartin Walser, 1927 in Wasserburg geboren, lebt in Überlingen am Bodensee. Für sein literarisches Werk erhielt er zahlreiche Preise, darunter 1981 den Georg-Büchner-Preis, 1998 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und 2015 den Internationalen Friedrich-Nietzsche-Preis. Außerdem wurde er mit dem Orden «Pour le Mérite» ausgezeichnet und zum «Officier de l'Ordre des Arts et des Lettres» ernannt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.09.2013

Der heiße Augustus
Martin Walsers neuer Roman "Die Inszenierung"

So langsam ist er alle Fesseln los. Die Phase des Spätwerks von Martin Walser, 86, hat ja schon vor vielen Jahren begonnen, und da er im Alter in rasender Geschwindigkeit schreibt und Bücher erscheinen lässt, ist der Umfang dieser Werkphase inzwischen so voluminös und vielbändig, dass wir Leser längst den Überblick verloren haben. In seinem siebt- oder sechstletzten Roman "Angstblüte" hatte er eine Erklärung für dieses Phänomen in der Pflanzenkunde gefunden: Blumen, die ihr nahes Ende ahnen, lassen panisch Blüte um Blüte erstehen, um ein letztes Mal zu leuchten, um lange in Erinnerung zu bleiben und vor allem: um sich noch einmal fortzupflanzen.

Die Helden in Martin Walsers Büchern pflanzen sich seit vielen Jahren panisch fort. Sie zücken gern und eifrig ihren Penis wie eine kleine Waffe gegen die Sterblichkeit, sie verlieben sich in jede junge Dame, die auf den Bücherseiten auftaucht, sie verdammen ihre Ehefrauen für ihre moralische Kleinlichkeit, die den Helden jede neue Liebesfreude mit ihren monogamen Einwänden verdirbt. Sie sind glücklich, Künstler zu sein und also einen Beruf zu haben, in dem es einzig um Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit geht und darum, jedem Liebestrieb augenblicklich Folge zu leisten. Walsers neuester Held heißt Augustus Baum, er ist ein berühmter Theaterregisseur, hat einen leichten Schlaganfall erlitten und liegt im Krankenhaus. Er könnte eigentlich längst schon als geheilt entlassen werden, doch er hat sich in die Nachtschwester Ute-Marie verliebt und simuliert nun mühsam schwere Leiden, um bei der Geliebten bleiben zu können. Seine Frau heißt Dr. Gerda, bringt ihm seit 29 Jahren das Frühstück ans Bett und wird von seinen permanenten Liebesgeständnissen gelangweilt. Sie kennt ihren heißen Augustus und sie weiß: "Der GV ist zweifellos der Motor, der unsere Welt in Gang hält." Vor allem die Augustus-Welt. Die Frauen, sagt Dr. Gerda, seien für ihn wie Steckdosen. "Und du hast für den Strom, den sie dir lieferten, nicht bezahlt." Darauf entgegnet Augustus routiniert, das habe auch Goethe schon so gemacht. Und Brecht. Und andere.

Augustus Baum schimpft auf die Moral-Industrie, die die Ehefrauen dieses Planeten erschaffen haben, um ihm die Liebe zu verderben. Herrschsucht. Macht. Verlogenheit. Der Dreiklang jeder Ehe. Der Mann, sein Penis, ewiges Opfer eines verbotenen Magnetismus: "Auch ich fühle mich ausgeliefert dem, was ihr zwischen den Beinen habt. Diese senkrecht stehende Partie Lippen zu nennen, war ein wunderbarer Einfall, um diese Partie zu zivilisieren."

Walsers Projekt, sein Traum und der Traum der Altershelden seiner Bücher, ist die Entzivilisierung dieser Partie. Entgrenzung, Freiheit, Regellosigkeit. Und dazu von der Ehefrau Frühstück ans Bett. "Die Inszenierung" ist das Buch eines pubertierenden Greises, und Walsers Spätwerk ist direkt in ein Superfrühwerk übergegangen. So kann es ewig weitergehen.

VOLKER WEIDERMANN

Martin Walser: "Die Inszenierung". Rowohlt, 175 Seiten, 18,95 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

In Martin Walsers Roman "Die Inszenierung" ist der Titel Programm, und zwar in mehrerer Hinsicht, verrät Peter Kümmel. Zum einen arbeitet der Protagonist Augustus Baum tatsächlich an einer Inszenierung von Tschechows "Die Möwe", als er mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus kommt, berichtet der Rezensent. Aber die Figuren inszenieren sich zum anderen auch ganz allgemein vor- und füreinander, spielen ihre Rollen nur wenn einer hinsieht - oder wenigstens, wenn sie hoffen, dass es einer tut, erklärt Kümmel. Und zu guter Letzt inszeniert sich auch Martin Walser in diesem Buch selbst als lebensfroher Junggebliebener, der immer noch Spaß daran hat, neue Begriffe für Altbekanntes zu erdichten, der hier, auf die Figuren verteilt, irgendwie einen gewaltigen Monolog hält und sich vor dem Leser so nackt macht wie nur irgend möglich, meint der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH
Eine vergnügliche Selbstverspottung von federnder Doppelbödigkeit. Süddeutsche Zeitung
Ein mit allen Wassern gewaschener Theaterroman, ein wunderbar verzweigtes literarisches Spiegelkabinett - von unerhörter sprachlicher Musikalität. FAZ.NET