Der Mann der mit der Kamera malt
Michael Ballhaus ist einer der bedeutendsten Bildregisseure und Kameramänner der Welt. In Bilder im Kopf erzählt Ballhaus erstmals die Geschichte seines Lebens. Von der Flucht vor den Bombenangriffen auf Berlin, von seiner Kindheit auf Schloss Wetzhausen, wo seine Eltern, beide Schauspieler, das »Fränkische Theater« leiteten, eine Künstlerkommune, die eine ganze Dynastie an kreativen Menschen hervorbrachte. Als er als junger Mann dem Regisseur Max Ophüls bei seinem Film »Lola Montez« assistieren darf, beschließt Ballhaus Kameramann zu werden. Der Beginn einer großen Karriere, die ihn in engen Kontakt zu den ganz Großen des Filmgeschäfts bringen sollte.
Michael Ballhaus war stets darauf bedacht, seine Unabhängigkeit zu erhalten. Er hat Distanz bewahrt, wie es ein Kameramann tut, und sich dadurch die Möglichkeit geschaffen, sehr genau hinzusehen. Was er gesehen hat, erzählt er hier. Ein aufmerksamer Beobachter, der in diesem Buch die Kamera aber auch wendet, um sie auf sich selbst zu richten.
Michael Ballhaus ist einer der bedeutendsten Bildregisseure und Kameramänner der Welt. In Bilder im Kopf erzählt Ballhaus erstmals die Geschichte seines Lebens. Von der Flucht vor den Bombenangriffen auf Berlin, von seiner Kindheit auf Schloss Wetzhausen, wo seine Eltern, beide Schauspieler, das »Fränkische Theater« leiteten, eine Künstlerkommune, die eine ganze Dynastie an kreativen Menschen hervorbrachte. Als er als junger Mann dem Regisseur Max Ophüls bei seinem Film »Lola Montez« assistieren darf, beschließt Ballhaus Kameramann zu werden. Der Beginn einer großen Karriere, die ihn in engen Kontakt zu den ganz Großen des Filmgeschäfts bringen sollte.
Michael Ballhaus war stets darauf bedacht, seine Unabhängigkeit zu erhalten. Er hat Distanz bewahrt, wie es ein Kameramann tut, und sich dadurch die Möglichkeit geschaffen, sehr genau hinzusehen. Was er gesehen hat, erzählt er hier. Ein aufmerksamer Beobachter, der in diesem Buch die Kamera aber auch wendet, um sie auf sich selbst zu richten.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.04.2014Zirkuläre Teilnahme
Kameramann Michael Ballhaus erzählt von seinem Leben und seiner Arbeit
Michael Ballhaus liebt Anfänge, aber rollen wir die Sache trotzdem mal von hinten auf: Am Ende von „Bilder im Kopf“, in dem er, mit Claudius Seidl, chronologisch die Geschichte seines Leben zusammengefasst hat, ist vollkommen klar, warum er die Lust am Filmemachen verlor und sich aus Hollywood zurückzog. Die Veränderungen, die das amerikanische Kino in den vergangenen zwanzig Jahren durchgemacht hat, haben mit Kameraarbeit nämlich sehr viel zu tun. Das moderne Publikum knüpft angeblich – ob das wirklich stimmt, ist ganz schwer zu beweisen – seine Aufmerksamkeit an Geschwindigkeit, also wird alles mit Tempo geschnitten. Für einen, der sich noch Zeit nahm, Bewegung in den Bildern selbst entstehen zu lassen, der mit seinen Fahrten berühmt wurde, muss das frustrierend geworden sein – lange bevor er so viel von seinem Augenlicht verlor, dass das Filmemachen schwer wurde.
Michael Ballhaus, geboren 1935 in Berlin, beendete seine Hollywood-Karriere mit Martin Scorseses „Departed“, 2006. Seine zweite Karriere, die erste war im Neuen Deutschen Film, die lange Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder; böse Zungen behaupten, der eine oder andere Fassbinder-Film wäre ohne Ballhaus nicht nur anders, sondern überhaupt nicht fertig geworden. Wie es zu seiner Allianz mit Fassbinder kam, das erzählt Ballhaus selbstverständlich auch im Buch – nicht zum ersten Mal, aber so durchdekliniert hat er es noch nie, von „Whity“ bis zur Vorbereitung von „Berlin Alexanderplatz“. Jenem Moment also, als Ballhaus fand, Fassbinders Genie könne seine Eskapaden und Launen nicht mehr recht ausgleichen. Es gäbe sicherlich bösere Geschichten über Fassbinder zu erzählen, als Ballhaus preisgibt – aber das Schmuddelige ist nicht sein Ding, er bleibt in seiner Erzählung irgendwie elegant. Sodass man sich manchmal doch ein wenig mehr wünschen würde – beispielsweise mehr Bilder, die all die Szenen, von denen Ballhaus erzählt, in Erinnerung rufen. Und eine Filmografie.
Einmal beschreibt er das Verhältnis von Kameramann und Schauspieler, diese merkwürdige Mischung aus einer größeren Nähe, als sie der Zuschauer je haben wird, und derselben Distanz. Wenn Ballhaus von den Fassbinder-Jahren erzählt, dann funktioniert das ganz ähnlich, als teilnehmende Beobachtung. Klugerweise drehte er immer auch mit anderen Regisseuren, war also nie so abhängig von der Entourage wie viele andere. Und er hatte, in dieser Umbruch- und Aufbruchphase, die der Neue Deutsche Film bedeutete, Dinge gemacht, von denen man auch in Amerika hörte. Von der 360-Grad-Fahrt beispielsweise, mit der er in Fassbinders „Martha“ (1974) Karlheinz Böhm und Margit Carstensen umrundete, die zu seinem Markenzeichen wurde – einer seiner schönsten Kreise ist jener, den er um Michelle Pfeiffer beschrieb, die sich auf Jeff Bridges’ Klavier räkelt in „Die fabelhaften Baker Boys“ (1989). So wurde Ballhaus der director of photography von Scorsese, mit dem er „Goodfellas“ drehte und „Gangs of New York“, „After Hours“ und „Zeit der Unschuld“, „Die Farbe des Geldes“ und „Die letzte Versuchung Christi“.
Das ist überhaupt das Schöne an dieser Lebensgeschichte: Wer sich mit dem Fassbinder’schen Intrigantenstadel nicht befassen mag, dem werden in der zweiten Hälfte wesentlich angenehmere Zeitgenossen begegnen. Paul Newman, Dustin Hoffman, Robert Redford, Mike Nichols und Volker Schlöndorff – der hatte immer schon ein Talent, überall da zu sein, wo was los ist. Und während er sich mit dem Gedanken trug, „Tod eines Handlungsreisenden“ zu machen, mit Dustin Hoffman und John Malkovich, nach einer Broadway-Produktion, lief er in New York zufällig Michael Ballhaus über den Weg, und weil Ballhaus’ Eltern zufällig Schauspieler waren, hatte er das Stück ungezählte Male gesehen.
Es gibt kaum eine deutsche Filmkarriere, die so spektakulär verlaufen ist wie die von Michael Ballhaus, eigentlich kommt er direkt nach Marlene Dietrich. Einen Oscar hat er aber, zwei Nominierungen zum Trotz, nie bekommen. Er befindet sich da in bester Gesellschaft, von Gordon Willis etwa, der „Der Pate“ fotografierte und „Die Unbestechlichen“ mit seinen bedrohlichen Vogelperspektiven. Eine wunderbare Sache, das Filmgeschäft – aber gerecht ist es nicht.
SUSAN VAHABZADEH
Michael Ballhaus (mit
Claudius Seidl): Bilder im Kopf. Die Geschichte meines Lebens. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014. 320 Seiten, Abbildungen, 22,99 Euro. E-Book 18,99 Euro.
Man weinte um Verdammte – Hanna Schygulla in „Whity“, dem ersten Ballhaus-Fassbinder-Film.
Foto: Atlantis/Kobal Collection
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Kameramann Michael Ballhaus erzählt von seinem Leben und seiner Arbeit
Michael Ballhaus liebt Anfänge, aber rollen wir die Sache trotzdem mal von hinten auf: Am Ende von „Bilder im Kopf“, in dem er, mit Claudius Seidl, chronologisch die Geschichte seines Leben zusammengefasst hat, ist vollkommen klar, warum er die Lust am Filmemachen verlor und sich aus Hollywood zurückzog. Die Veränderungen, die das amerikanische Kino in den vergangenen zwanzig Jahren durchgemacht hat, haben mit Kameraarbeit nämlich sehr viel zu tun. Das moderne Publikum knüpft angeblich – ob das wirklich stimmt, ist ganz schwer zu beweisen – seine Aufmerksamkeit an Geschwindigkeit, also wird alles mit Tempo geschnitten. Für einen, der sich noch Zeit nahm, Bewegung in den Bildern selbst entstehen zu lassen, der mit seinen Fahrten berühmt wurde, muss das frustrierend geworden sein – lange bevor er so viel von seinem Augenlicht verlor, dass das Filmemachen schwer wurde.
Michael Ballhaus, geboren 1935 in Berlin, beendete seine Hollywood-Karriere mit Martin Scorseses „Departed“, 2006. Seine zweite Karriere, die erste war im Neuen Deutschen Film, die lange Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder; böse Zungen behaupten, der eine oder andere Fassbinder-Film wäre ohne Ballhaus nicht nur anders, sondern überhaupt nicht fertig geworden. Wie es zu seiner Allianz mit Fassbinder kam, das erzählt Ballhaus selbstverständlich auch im Buch – nicht zum ersten Mal, aber so durchdekliniert hat er es noch nie, von „Whity“ bis zur Vorbereitung von „Berlin Alexanderplatz“. Jenem Moment also, als Ballhaus fand, Fassbinders Genie könne seine Eskapaden und Launen nicht mehr recht ausgleichen. Es gäbe sicherlich bösere Geschichten über Fassbinder zu erzählen, als Ballhaus preisgibt – aber das Schmuddelige ist nicht sein Ding, er bleibt in seiner Erzählung irgendwie elegant. Sodass man sich manchmal doch ein wenig mehr wünschen würde – beispielsweise mehr Bilder, die all die Szenen, von denen Ballhaus erzählt, in Erinnerung rufen. Und eine Filmografie.
Einmal beschreibt er das Verhältnis von Kameramann und Schauspieler, diese merkwürdige Mischung aus einer größeren Nähe, als sie der Zuschauer je haben wird, und derselben Distanz. Wenn Ballhaus von den Fassbinder-Jahren erzählt, dann funktioniert das ganz ähnlich, als teilnehmende Beobachtung. Klugerweise drehte er immer auch mit anderen Regisseuren, war also nie so abhängig von der Entourage wie viele andere. Und er hatte, in dieser Umbruch- und Aufbruchphase, die der Neue Deutsche Film bedeutete, Dinge gemacht, von denen man auch in Amerika hörte. Von der 360-Grad-Fahrt beispielsweise, mit der er in Fassbinders „Martha“ (1974) Karlheinz Böhm und Margit Carstensen umrundete, die zu seinem Markenzeichen wurde – einer seiner schönsten Kreise ist jener, den er um Michelle Pfeiffer beschrieb, die sich auf Jeff Bridges’ Klavier räkelt in „Die fabelhaften Baker Boys“ (1989). So wurde Ballhaus der director of photography von Scorsese, mit dem er „Goodfellas“ drehte und „Gangs of New York“, „After Hours“ und „Zeit der Unschuld“, „Die Farbe des Geldes“ und „Die letzte Versuchung Christi“.
Das ist überhaupt das Schöne an dieser Lebensgeschichte: Wer sich mit dem Fassbinder’schen Intrigantenstadel nicht befassen mag, dem werden in der zweiten Hälfte wesentlich angenehmere Zeitgenossen begegnen. Paul Newman, Dustin Hoffman, Robert Redford, Mike Nichols und Volker Schlöndorff – der hatte immer schon ein Talent, überall da zu sein, wo was los ist. Und während er sich mit dem Gedanken trug, „Tod eines Handlungsreisenden“ zu machen, mit Dustin Hoffman und John Malkovich, nach einer Broadway-Produktion, lief er in New York zufällig Michael Ballhaus über den Weg, und weil Ballhaus’ Eltern zufällig Schauspieler waren, hatte er das Stück ungezählte Male gesehen.
Es gibt kaum eine deutsche Filmkarriere, die so spektakulär verlaufen ist wie die von Michael Ballhaus, eigentlich kommt er direkt nach Marlene Dietrich. Einen Oscar hat er aber, zwei Nominierungen zum Trotz, nie bekommen. Er befindet sich da in bester Gesellschaft, von Gordon Willis etwa, der „Der Pate“ fotografierte und „Die Unbestechlichen“ mit seinen bedrohlichen Vogelperspektiven. Eine wunderbare Sache, das Filmgeschäft – aber gerecht ist es nicht.
SUSAN VAHABZADEH
Michael Ballhaus (mit
Claudius Seidl): Bilder im Kopf. Die Geschichte meines Lebens. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014. 320 Seiten, Abbildungen, 22,99 Euro. E-Book 18,99 Euro.
Man weinte um Verdammte – Hanna Schygulla in „Whity“, dem ersten Ballhaus-Fassbinder-Film.
Foto: Atlantis/Kobal Collection
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Michael Ballhaus hat eine spektakuläre Filmkarriere hingelegt, meint Susan Vahabzadeh, aus Deutschland übertrifft ihn höchstens noch Marlene Dietrich. Als Kameramann hat Ballhaus zunächst den Neuen Deutschen Film geprägt und vor allem mit Fassbinder eine höchst produktive künstlerische Beziehung geführt, bevor er nach Hollywood ging und dort insbesondere für Martin Scorsese bleibende Bilder schuf, berichtet die Rezensentin. Ballhaus hat einiges erlebt und mit etlichen der bedeutendsten Regisseure und Schauspieler seiner Zeit zu tun gehabt - er hat also viel zu erzählen und tut das auch, wobei er jedoch, etwa hinsichtlich Fassbinders berüchtigten Launen und Eskapaden - immer "irgendwie elegant" bleibt: "Das Schmuddelige ist nicht sein Ding", wie Vahabzadeh anerkennend, aber auch mit leisem Bedauern feststellt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Literatur vermag [vieles], was das Kino nicht kann. Nicht einmal dann, wenn ein Meister wie Michael Ballhaus die Kamera führt.« Bild.de, 08.03.2014