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Als Michael Frank die heute hundertjährige Stella Levi zufällig kennenlernt, nimmt eine große Geschichte ihren Anfang. Sie lädt ihn in ihr New Yorker Apartment ein, und bald wird aus den Besuchen ein Ritual: An hundert Samstagen erzählt Levi dem Schriftsteller ihr Leben. Gemeinsam suchen und erkunden die beiden eine fast märchenhafte, verlorene Welt. Levi, geboren 1923, wuchs auf im jüdischen Viertel La Juderia auf der Mittelmeerinsel Rhodos - eine Kindheit und Jugend zwischen sephardischer Tradition und Moderne, inmitten einer Vielfalt von Kulturen und Sprachen zwischen Orient und Okzident.…mehr

Produktbeschreibung
Als Michael Frank die heute hundertjährige Stella Levi zufällig kennenlernt, nimmt eine große Geschichte ihren Anfang. Sie lädt ihn in ihr New Yorker Apartment ein, und bald wird aus den Besuchen ein Ritual: An hundert Samstagen erzählt Levi dem Schriftsteller ihr Leben. Gemeinsam suchen und erkunden die beiden eine fast märchenhafte, verlorene Welt. Levi, geboren 1923, wuchs auf im jüdischen Viertel La Juderia auf der Mittelmeerinsel Rhodos - eine Kindheit und Jugend zwischen sephardischer Tradition und Moderne, inmitten einer Vielfalt von Kulturen und Sprachen zwischen Orient und Okzident. Stella eifert der Schwester Felicie nach, die Freud und Henri Bergson liest; sie selbst träumt vom Studium in Italien. Schließlich aber werden diese Welt und die Familie grausam zerrissen, und Stella Levi erzählt auch davon: Im Herbst 1943 besetzen die Deutschen die Insel, für Levi der Anfang eines Leidenswegs, der sie bis nach Auschwitz führt. Sie überlebt - und beginnt ein ganz neues Leben in den USA.

Stella Levis Geschichte ist ein faszinierendes historisches Zeugnis. Sie erzählt von einer einzigartigen Welt, die zerstört wurde - und setzt ihr zugleich ein Denkmal, das die Vielfalt und Fülle des Lebens zeigt.
Autorenporträt
Michael Frank, Schriftsteller und Publizist, hat unter anderem für die 'New York Times', den 'Atlantic' und 'Time Magazine' geschrieben. Für seine Familienerinnerungen 'The Mighty Franks' (2017) erhielt er den JQ Wingate Prize, 2019 erschien sein Debütroman 'What Is Missing'. 2015 lernte Frank die damals über neunzig Jahre alte Stella Levi kennen. Geboren 1923, wuchs Levi in einer Gemeinschaft sephardischer Juden auf Rhodos auf. 1944 wurde sie nach Auschwitz deportiert; sie überlebte. Ihr Weg führte sie über Italien in die USA. Levi ist Vorstandsmitglied des Centro Primo Levi in New York. 'Einhundert Samstage' wurde vom 'Wall Street Journal' zu einem der zehn besten Bücher des Jahres 2022 gewählt. Es wurde mit dem National Jewish Book Award, dem Natan Notable Book Award und der Sophie Brody Medal ausgezeichnet. 
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2024

In der Mordmaschinerie
Die Schoa erreichte auch die jüdischen Gemeinden an Europas Peripherie: Stella Levi erzählt ihr Leben

Rhodos hat eine bewegte Geschichte, immer wieder wurde die griechische Insel erobert: Auf die Römer und andere folgten Jahrhunderte unter osmanischer Herrschaft, bevor 1912 die Italiener das Eiland übernahmen. Erst 1943 wurden diese von den Deutschen gewaltsam ersetzt. Nur zwei Jahre dauerte die Besetzung durch die Nazi-Truppen, doch sie reichten aus, um die kleine jüdische Gemeinde (mit Unterbrechungen womöglich seit vorbiblischer Zeit hier ansässig) nahezu vollständig auszulöschen. Nichts blieb von der bunten Welt der "Juderia", wie der Wohnbezirk genannt wurde, der mit seinen Gebräuchen und Geschichten, unverwechselbaren Gerüchen und Geräuschen einen ganz eigenen Kosmos bildete. Noch bis weit ins dritte Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts war das Leben hier geprägt von jüdischen Riten, aber auch absonderlichen Kuren: "Bei Symptomen, die mit dem bösen Blick (oju malo auf Judäo-Spanisch) in Verbindung gebracht werden, [...] sollte man einen blauen Stein oder eine blaue Perle tragen. Oder beim Urinieren eine Handvoll Salz in die Toilette werfen."

In diese Welt wird 1923 Stella Levi hineingeboren, eine der wenigen, die heute noch von ihr erzählen können. An einhundert Samstagen hat sie dem Schriftsteller und Publizisten Michael Frank ("The Mighty Franks") von ihren Erinnerungen berichtet: von den vielen Traditionen und Ritualen, die Sicherheit gaben, aber auch von der Enge der Gemeinde, aus der die junge Stella ausbrechen wollte. Levi erzählt von der Moderne, die den Fluss des Lebens, wie er in der Juderia so lange ruhig dahinfloss, mächtig aufzuwirbeln begann. Für viele Jüngere wurde die Verbindung zum jüdischen Ritus dadurch immer schwächer, doch eröffneten sich gleichzeitig neue Möglichkeiten. Stellas Mutter hatte zum Beispiel nichts dagegen, dass sich ihre Tochter mit gleich drei Männern regelmäßig traf und ihnen ganz offensichtlich den Kopf verdrehte.

Natürlich berichtet Stella Michael Frank auch von der großen Katastrophe, die alles endgültig veränderte, von der Deportation, die für die "Rhodeslis", wie sie sich selbst nannten, am 16. August 1944 in Auschwitz endete. Noch heute wundert sich Stella Levi über die tödliche Absurdität dieser Verschleppung: "Warum nahmen sie wegen einer so kleinen Gemeinde den weiten Weg auf sich, und dann noch in letzter Minute, zwei Monate bevor Griechenland befreit wurde, um was zu tun? Im Wesentlichen, um Alte zu deportieren. Worin lag der Sinn, über 1700 Menschen zusammenzutreiben, sie auf eine Reise zu schicken, die einen Monat dauerte und wer weiß wie viel kostete?"

Sie hat eine Vermutung: "Manchmal denke ich, dass es [...] vielleicht gar nicht mehr um den Hass auf die Juden ging. Die Deutschen hatten eine Maschinerie aufgebaut und benutzen sie weiter, obwohl sie wussten, dass der Krieg vorbei war." Diese Mordmaschinerie überlebten Stella und ihre Schwester Renée, mit der sie die ganze Leidenszeit zusammenbleiben konnte, nur mit Glück, aber auch mithilfe der Fähigkeit, sich psychisch abzuspalten: "Ich löste mich von der Stella, die in Auschwitz war. Es schien, als würde alles, was ihr widerfuhr, einer anderen Stella widerfahren, nicht der Stella, die ich war, nicht der Stella aus Rhodos, der Stella, die ich kannte."

Einem Todesmarsch aus Birkenau folgten weitere Lagererfahrungen, ehe die Schwestern befreit wurden. Sie beschlossen, nicht nach Rhodos zurückzukehren - was oder wen hätten sie dort finden können? -, sondern nach Amerika zu gehen, wohin ein Teil ihrer Familie schon vor der Katastrophe hatte auswandern können. Dort begann Stella viel und brach es wieder ab, wurde Mutter eines Sohnes, den sie aber nach der Trennung von ihrem Ehemann nur noch selten sah: "Ich glaube, für ihn war es so am besten." Erst spät fühlte sie sich zur Zeitzeugin berufen und musste auch von Michael Frank zu dem gemeinsamen Buchprojekt überredet werden.

"Einhundert Samstage", das literarische Protokoll ihrer vielen Gespräche, ist freilich nicht nur eine Erzählung über Stella Levis Leben und eine "verlorene Welt", wie es im Untertitel heißt, es ist auch ein Buch über die Kraft des Erzählens selbst: "Stella ist eine unheimliche und zugleich clevere Scheherazade. Sie versteht es, mich hängen zu lassen, Woche für Woche, Moment für Moment, Satz für Satz. [...] Meistens ist es interessanter, abzuwarten und zu sehen, was sie mir - auf ihre Weise - erzählen will." Nicht nur für den Zuhörer (und Leser) hat diese Erzählweise eine ungeheure Wirkung, Stella hat tatsächlich etwas von der Überlebenskünstlerin aus "Tausendundeine Nacht": "Nun, unsere Gespräche, irgendwie haben sie mich am Leben gehalten", lässt sie ihren Chronisten am Ende wissen. SASCHA FEUCHERT

Michael Frank: "Einhundert Samstage". Stella Levi und die Suche nach einer verlorenen Welt.

Aus dem Englischen von Brigitte Jakobeit. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2023. 335 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Sascha Feuchert zeigt sich überzeugt von Michal Franks "Einhundert Samstage", das die Lebensgeschichte der auf Rhodos geborenen Schoa-Überlebenden Stella Levi erzählt. An einhundert Samstagen in Levis New Yorker Appartement notiert, handelt dieser Bericht nicht nur von den Traditionen und Ritualen der kleinen jüdischen Gemeinde an Europas Peripherie, sondern auch von der zweijährigen Besetzung der griechischen Insel durch die nationalsozialistischen Truppen sowie der Deportation ihrer Einwohner nach Auschwitz, die Levi gemeinsam mit ihrer Schwester Renée überlebte. Feuchert zufolge bringt das Buch nicht nur die "verlorene Welt", so der Untertitel, der ausgelöschten Gemeinde näher, es ergreift ihn auch als Zeugnis für die Kraft des Erzählens selbst: Wie Scheherazade aus "Tausendundeiner Nacht" versteht sich Levi darauf, ihren Chronisten sowie die Leserin von Gespräch zu Gespräch in Bann zu halten, lobt er.

© Perlentaucher Medien GmbH
'Einhundert Samstage' ist nicht nur eine Erzählung über Stella Levis Leben und eine 'verlorene Welt', es ist auch ein Buch über die Kraft des Erzählens selbst. Frankfurter Allgemeine Zeitung
Rezensent Sascha Feuchert zeigt sich überzeugt von Michal Franks "Einhundert Samstage", das die Lebensgeschichte der auf Rhodos geborenen Schoa-Überlebenden Stella Levi erzählt. An einhundert Samstagen in Levis New Yorker Appartement notiert, handelt dieser Bericht nicht nur von den Traditionen und Ritualen der kleinen jüdischen Gemeinde an Europas Peripherie, sondern auch von der zweijährigen Besetzung der griechischen Insel durch die nationalsozialistischen Truppen sowie der Deportation ihrer Einwohner nach Auschwitz, die Levi gemeinsam mit ihrer Schwester Renée überlebte. Feuchert zufolge bringt das Buch nicht nur die "verlorene Welt", so der Untertitel, der ausgelöschten Gemeinde näher, es ergreift ihn auch als Zeugnis für die Kraft des Erzählens selbst: Wie Scheherazade aus "Tausendundeiner Nacht" versteht sich Levi darauf, ihren Chronisten sowie die Leserin von Gespräch zu Gespräch in Bann zu halten, lobt er.

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