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Einzigartiger visueller Journalismus: die Alltagserfahrungen einer ukrainischen Journalistin und eines russischen Künstlers im Ukrainekrieg - gegenübergestellt und farbig illustriert von Nora Krug, der preisgekrönten Autorin von »Heimat«
Eine ukrainische Journalistin und ein russischer Künstler, ein Jahr lang begleitet von einer deutsch-amerikanischen Illustratorin. Zwei Leben im Krieg, zwei Tagebücher über 52 Wochen, ein Buch voller Hoffnung auf Frieden.
Wenige Tage nach der russischen Invasion der Ukraine hat Nora Krug Kontakt aufgenommen zu zwei Menschen in Kiew und Sankt Petersburg,
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Produktbeschreibung
Einzigartiger visueller Journalismus: die Alltagserfahrungen einer ukrainischen Journalistin und eines russischen Künstlers im Ukrainekrieg - gegenübergestellt und farbig illustriert von Nora Krug, der preisgekrönten Autorin von »Heimat«

Eine ukrainische Journalistin und ein russischer Künstler, ein Jahr lang begleitet von einer deutsch-amerikanischen Illustratorin. Zwei Leben im Krieg, zwei Tagebücher über 52 Wochen, ein Buch voller Hoffnung auf Frieden.

Wenige Tage nach der russischen Invasion der Ukraine hat Nora Krug Kontakt aufgenommen zu zwei Menschen in Kiew und Sankt Petersburg, die ihr in wöchentlichen Gesprächen berichten, was der Krieg für sie bedeutet. Wie sie mit ihren Kindern darüber sprechen, mit Freunden und Fremden, ob sie arbeiten können und wie sie leben. Was es heißt, wenn die Heimat zerstört wird. Und wie es sich anfühlt, wenn sie einem genommen wird, weil die eigenen Überzeugungen nicht mit dem Krieg, den das Heimatland führt, vereinbar sind.Nora Krug hat 52 Wochen lang die Berichte gesammelt und illustriert. Auszüge aus den visuellen Tagebüchern wurden u.a. in Süddeutscher Zeitung und L.A. Times veröffentlicht. Dieses Buch umfasst das ganze erste Kriegsjahr. Das erste Jahr eines Krieges, von dem die Welt dachte, er würde keine sechs Tage dauern.

Ausgezeichnet mit dem Overseas Press Club Award 2023. Die L.A.-Times-Serie war für den Pulitzer Preis nominiert.

Ausstattung: durchgehend vierfarbig illustriert
Autorenporträt
Nora Krug, geboren 1977 in Karlsruhe, studierte Bühnenbild, Dokumentarfilm und Illustration in Liverpool, Berlin und New York. Ihre Zeichnungen und Bildergeschichten erscheinen regelmäßig in großen Tageszeitungen und Magazinen (u.a. 'The New York Times', 'The Guardian', 'Le Monde diplomatique'). Sie ist Fulbright-Stipendiatin und erhielt zahlreiche Preise und Förderungen, u.a. der John Simon Guggenheim Memorial Foundation, der Pollock-Krasner Foundation und der Maurice Sendak Foundation, außerdem verlieh ihr das Victoria and Albert Museum in London den Titel 'Illustrator of the Year'. Ihr Debüt 'Heimat. Ein deutsches Familienalbum' feierte als internationales Buchereignis einzigartige Erfolge, in den USA wurde es mit dem National Book Critics Award ausgezeichnet und in Deutschland 2022 zur Schullektüre ernannt. Krug ist Professorin für Illustration an der 'Parsons School of Design' in New York und lebt in Brooklyn.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit der Graphic Novel "Im Krieg" hat die Zeichnerin Nora Krug eine Darstellung des Lebens im und mit dem Krieg in der Ukraine geschaffen, die dessen Komplexität  herauskehrt, urteilt Rezensentin Martina Knoben. Krug hat zu Beginn des Krieges zwei Bekannte, die in Kiew lebende Journalistin K. und den russischen Künstler D., nach ihren Erfahrungen befragt. Deren wöchentliche Berichte finden sich nun, nebeneinander im ,Split Screen' angeordnet und durch Krug illustriert, in deren Buch wieder. Beide berichten darin von ihrem Erleben, ihren Gedanken und Ängsten. Krugs Zeichnungen fügen ihren Berichten, so Knoben, eine schlicht gehaltene visuelle Erzählebene hinzu, die sie nicht überdeckt, sondern wirksam unterstreicht. Ein so erschütterndes wie schönes Zeitdokument, so die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2024

Widerstand ist sinnvoll

Nora Krugs Buch "Im Krieg" erzählt vom Leben in der Tyrannei. Grundlage sind Berichte einer Ukrainerin und eines Russen seit dem 24. Februar 2022.

Vor einem Jahr erschien in der "Los Angeles Times" die letzte Folge einer beispiellosen wöchentlichen Reportagekolumne. Gleich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hatte sich die New Yorker Illustratorin Nora Krug an ihr bekannte Personen aus diesen beiden Ländern gewandt und sie um regelmäßige Schilderungen von deren jeweiliger Sicht auf den ausgebrochenen Krieg gebeten. Unter den Angeschriebenen fand sie zwei, die sich bereit erklärten, jeweils am Wochenende ihre Eindrücke der vergangenen Tage an Nora Krug zu übermitteln, die diese Berichte dann montags in schriftliche englische Form brachte, von ihren Informanten autorisieren ließ und sie bis zum Donnerstag zeichnete, damit die anonymen "illustrierten Tagebücher" freitags in der "Los Angeles Times" nebeneinander erscheinen konnten. Ein volles Jahr lang - ein Kraftakt für die an der Parsons School of Design lehrende Krug, aber eine Aufgabe, die ihr Herzenssache war. Ihre Zeitungshonorare spendete sie an Hilfsorganisationen für die Ukraine.

Das aus den 52 Beiträgen erwachsene Buch "Diaries of War" erschien in den Vereinigten Staaten im vergangenen Herbst, und jetzt kommt bereits die deutsche Ausgabe heraus: "Im Krieg". Auch das war ein Kraftakt, denn Krug hat die Eindrücke ihrer beiden Gewährsleute nicht einfach nur illustriert, also mit Bildern versehen; sie hat auch alle Texte in eine eigene graphische Form gebracht - wie sie es bereits in den beiden Vorgängerbüchern, dem vielfach ausgezeichneten Weltbestseller "Heimat" (2018) über ihre eigene deutsche Familiengeschichte in der NS-Zeit und "Über Tyrannei" (2021), einer von ihr illustrativ gestalteten Kampfschrift des amerikanischen Historikers Timothy Snyder, getan hatte. Gemeinsam mit ihrem jüngsten Werk sieht Krug darin eine Trilogie zum menschlichen Verhalten gegenüber staatlicher Gewalt (wofür die Autorin am 21. März den nach der Schoa-Überlebenden Gerty Spies benannten Literaturpreis der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz erhalten wird), und die Zusammengehörigkeit dieser Trias, eines autobiographischen Werks, eines Essays und der Tagebücher, wird über das große Thema hinaus durch deren innovative ästhetische Formgebung unterstrichen.

Allerdings setzt die siebenundvierzigjährige Krug diesmal weitaus sparsamer Bilder ein: "Die Berichte mussten im Vordergrund stehen", hat sie im Gespräch mit dieser Zeitung gesagt, und der Entschluss wurde umso konsequenter umgesetzt, je länger sie in Kontakt mit ihren Informanten stand. Von der vierzehnten Fortsetzung an gab es nur jeweils eine Einzelzeichnung zu den beiden wöchentlichen Einträgen pro Woche, während es zuvor meist vier Bilder gewesen waren, in der Auftaktfolge von Ende Februar 2022 sogar noch deren sechs. Auch Nora Krug, die sofort mit Kriegsausbruch die katastrophale Bedeutung des Ereignisses erkannt hatte, setzte bei dessen Schilderung erst einmal weiter auf die für sie bewährten Muster, bis sie den radikalen Schritt zur weitgehenden Zurückstellung der eigenen illustrativen Phantasie gegenüber der Bildlichkeit der ihr gelieferten Berichte wählte.

Eine Abkehr vom bisherigen Schema allerdings war von Beginn an konstitutiv für die entstehenden illustrierten Tagebücher: Deren Autoren schauen wir nie ins Gesicht. Nora Krug beschneidet die Körper ihren Protagonisten; selbst auf dem Umschlagbild liegt ein Balken über ihren Augen. Das hat zwei Gründe. Einmal ist es ja deren Perspektive, die wir einnehmen: Sie sprechen über sich und über das, was sie sehen, aber sich selbst sieht man ja nicht. Und es war klar, dass beide anonym bleiben mussten. Krugs ukrainische Gewährsfrau ist Journalistin und beruflich immer wieder auch an oder nahe der Front unterwegs. Geriete sie in russische Gefangenschaft, wäre sie als Mitautorin von "Im Krieg" in noch heiklerer Lage als ohnehin. Und der russische Gewährsmann, ein Künstler, hat zwar mittlerweile seine Heimatstadt St. Petersburg verlassen und lebt im westlichen Ausland, doch weiß man um mögliche Nachteile für zurückgebliebene Angehörige von russischen Exilanten oder auch um die Risiken für diese selbst, sofern sie sich offen gegen den Krieg aussprechen - und das tut der russische Diarist. Welche Beachtung Nora Krugs neues Buch in Russland findet (wo "Heimat" kurz nach Kriegsausbruch übersetzt veröffentlich wurde), zeigt die Tatsache, dass die Illustratorin unmittelbar nach dem Erscheinen von "Im Krieg" mehrere Hundert Hackerangriffe auf ihre Website verzeichnet hat.

Was macht das Buch so besonders? Sind nicht schon zahlreiche Berichte von ukrainischer wie russischer Seite über den Krieg erschienen? Das Ungewöhnlichste an Nora Krugs Buch ist neben seiner Form die buchstäbliche Gegenüberstellung der beiden Tagebücher: links auf einer Doppelseite jeweils die wöchentlichen Berichte der als K abgekürzten ukrainischen Journalistin, rechts dann die des als D firmierenden russischen Künstlers. Beide geben Auskunft über dieselben Kriegstage, aber nur selten sind es dieselben Dinge, die zur Sprache kommen - besonders schreckliche Angriffe etwa. Dagegen sind die Diskrepanzen groß zwischen der ständig unter Todesbedrohung lebenden Ukrainerin und dem militärisch in Sicherheit lebenden Russen. Wenn etwa im November 2022 nach der Befreiung der Stadt Cherson von russischer Besatzung die Einträge der dorthin gereisten Journalistin voller Eindrücke über dieses Ereignis sind, schreibt der russische Künstler, der sich angesichts der russischen Mobilmachung zeitweise nach Paris abgesetzt hatte, über einen Geburtstagsanruf bei seiner daheimgebliebenen Frau: "Das war für mich das Wichtigste, was letzte Woche passiert ist."

Nora Krug beurteilt in ihrer graphischen Umsetzung nichts von dem, was ihre Gewährsleute sagen - "auch wenn ich ganz anderer Meinung war, musste ich ihre Stimmen authentisch wiedergeben". So sei sie etwa nicht einverstanden gewesen mit einem Satz von D, der ausgerechnet in der letzten Folge steht und somit wie ein Fazit gelesen werden könnte: "Der Krieg hat mir auch gezeigt, dass man seine Regierung in keiner Weise beeinflussen kann." Das ist genau jene Einstellung, gegen die Krug mit ihrer Tyrannei-Trilogie anzeichnet: Jedes dieser Bücher ruft zum Widerstand gegen Gleichgültigkeit auf. Was K und D aus ihren jeweiligen Perspektiven über das Leben mit und in einem diktatorisch geführten Russland erzählen, kann nicht kaltlassen.

Sie selbst wäre gerne Kriegsreporterin geworden, sagt Nora Krug, "jetzt aber, mit Lehrjob und kleiner Tochter, geht das nicht mehr". Hinzusehen, wo Politik pervertiert wird, scheint ihr jedoch weiterhin eine Notwendigkeit, gerade auch mit Blick auf den anstehenden amerikanischen Wahlkampf. So arbeitet sie daran, die Grenzen des bisher aus Bildern Vertrauten zu erweitern, um Aufklärung zu begünstigen, und ließ sich dazu die Berichte über den Ukrainekrieg zuliefern. Dennoch versteht sie sich auch selbst als graphische Journalistin und ist stolz darauf, dass ihre Zeitungsserie der "Diaries of War" für den renommierten Preis des amerikanischen Overseas Press Club nominiert war. In gewisser Weise findet sich dazu ein Spiegelbild in K, die auch immer wieder mit ihrer Motivation als Journalistin hadert, sich zurückzieht in die Geborgenheit ihrer Familie, aber zugunsten der Berichterstattung doch immer wieder aufbricht: "Ich habe mich bei dem Gedanken ertappt, dass es für mich sogar besser ist, gar nicht bei den Kindern zu sein, denn wenn ich an meinen Reportagen arbeite, bin ich nervös und muss ständig mit schwierigen Situationen fertigwerden. Wenn sie bei mir sind, fühle ich mich noch verletzlicher und ängstlicher." Auch D leidet während der Exilphasen im Tagebuchzeitraum am meisten unter der Trennung von seinen beiden Söhnen. Im Menschlichen sind sich Russe und Ukrainerin ganz nahe, zwischen ihnen aber liegen Welten - und die Front.

Nora Krug hält bis heute den Kontakt zu beiden aufrecht. In zehn Tagen wird zum Jahrestag des Kriegsausbruchs noch einmal eine Fortsetzung der Tagebücher in der "L.A. Times" erscheinen. Die Illustratorin selbst hat schon das nächste Projekt im Auge. Im Rahmen eines einjährigen Fellowships an der Yale University wird sie von Herbst an mit dem Material des dortigen Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies arbeiten. "Aber nicht nur über den Holocaust", sagt sie, denn bei ihrer Beschäftigung mit dem Schrecklichen empfindet sie Einseitigkeit als verstörend: "Man muss über Opfer und Täter sprechen. Deshalb habe ich 'Heimat' gezeichnet. Und nun auch über Ukrainer und Russen. Mit wäre es unlauter erschienen, nur eine der beiden Seiten zu dokumentieren. Deshalb setze ich mich dem Vorwurf, auch die russische Seite zu Wort kommen zu lassen, gerne aus." Darin war sie sich mit ihrer Protagonistin K einig. Was D über sein Land sagt, spricht eh für sich. Und über die Vermittlung des Buchs von Nora Krug sprechen nun eine Ukrainerin und ein Russe miteinander. Das zwischen ihren unkenntlich gemachten Gesichtern brennende Haus auf dem Cover ist ein gemeinsames. ANDREAS PLATTHAUS

Nora Krug: "Im Krieg". Zwei illustrierte Tagebücher aus Kiew und St. Petersburg.

Aus dem Englischen von Alexander Weber. Penguin Verlag, München 2024. 128 S., Abb., geb., 28,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.06.2024

Der Mensch auf der anderen Seite
In der Graphic Novel „Im Krieg“ stellt Nora Krug die Erfahrungen einer Journalistin aus Kiew und eines Künstlers aus Sankt Petersburg gegenüber.
Ein beliebtes Stilmittel im Film und in Computerspielen ist der Split Screen. Der Bildschirm wird geteilt, um gleichzeitig Stattfindendes gleichzeitig zu zeigen. Vergleiche, Unterschiede und Ähnlichkeiten drängen sich auf. In ihrer Graphic Novel „Im Krieg. Zwei illustrierte Tagebücher aus Kiew und St. Petersburg“ stellt Nora Krug auf ähnliche Art und Weise die Erfahrungen einer Journalistin aus Kiew und eines Künstlers aus Sankt Petersburg im ersten Jahr des Ukraine-Kriegs gegenüber.
Getrennt sind die von ihren Regierungen zu „Feinden“ erklärten Tagebuchschreiber nur durch die Falz. Auf jeder Doppelseite stehen links die illustrierten Texte der Ukrainerin, rechts sind die ebenfalls bebilderten Notizen des Russen zu lesen. Um sie zu schützen, bleiben die Schreiber anonym.
Nora Krug hatte sie wenige Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine kontaktiert, um zu fragen, wie es ihnen geht; beide waren damals nur flüchtige Bekannte. Die Antworten der in Kiew lebenden Journalistin K. und des russischen Künstlers D. hätten sie dann so berührt, schreibt Krug im Vorwort zu ihrem Buch, dass sie sie fragte, ob sie in wöchentlichen Abständen berichten könnten, was der Krieg für sie bedeutet. Und ob sie aus den Antworten ein illustriertes Tagebuch gestalten dürfe.
Das Buch, das auf diese Weise entstand, ist ein Zeitdokument – und so erschütternd ist wie schön. „Ich bin todmüde und gleichzeitig ängstlich“, schreibt etwa K. in der neunten Kriegswoche. „Laut meiner App schaue ich 10 Stunden am Tag auf mein Handy. So viele Menschen haben wegen des Krieges den Verstand verloren. Der Hass auf die Russen ist zum Hass auf uns selbst geworden. Es gibt Auseinandersetzungen zwischen denen, die in der Ukraine geblieben sind, und jenen die jetzt aus der Europäischen Union zurückkehren und denen man vorwirft, nicht mutig genug gewesen zu sein.“
Auf der Buchseite gegenüber berichtet D.: „Heute habe ich meinen ersten Löwenzahn gesehen. Normalerweise verleiht mir der Frühling neuen Schwung, doch nicht dieses Jahr. Den ganzen Tag lese ich Berichte aus Butscha, höre Militärexperten zu, schaue mir Bilder des Krieges an. Es ist schwer zu ertragen. Ich hoffe, dass die russische Armee den Krieg verliert. Gleichzeitig will ich nicht, dass all diese gewöhnlichen Soldaten sterben. ... In meinem Kopf herrscht kognitive Dissonanz.“
Die Kriegstagebücher von K. und D. erschienen erstmals in der L.A. Times, die Serie war 2023 für den Pulitzer-Preis nominiert. Auszüge wurden in der Süddeutschen Zeitung und anderen deutschen Publikationen veröffentlicht, jetzt erscheinen die Notizen des ersten Kriegsjahres gesammelt auf Deutsch. Aber darf man das überhaupt? Berichte aus Russland und der Ukraine, die Seite des Aggressors und die der Überfallenen, gleich gewichten? In diesem Fall: unbedingt!
Denn auf der jeweils anderen (Buch)Seite schreibt eben kein Feind – Krug hat keine Hardliner, keine Krieger, keine durchgeknallten Nationalisten befragt. D. und K. erzählen beide, wie sie dem Krieg entfliehen wollen, wie sie seinen Folgen ausgeliefert sind, wie sie leiden. Beide werden von ihren Familien und Freunden getrennt, erzählen von Schuldgefühlen und Selbsthass, der Verlorenheit im Ausland, wie sie ihre Kinder vermissen.
Es gibt vieles, was sie ähnlich erleben – anderes ist dann aber auch ganz anders. So erzählt D. von der Wut auf „seine“, die russische Regierung, der zunehmenden Entfremdung von seinem Land. Während K. Angst um das Leben von Freunden und Bekannten hat, von Folterungen hört und von Menschen, die bei russischen Angriffen ums Leben kamen. Wo der eine sich grübelnd in sich selbst zurückzieht, wird die andere kämpferisch.
Am Anfang überwiegen noch die Bilder, dann gibt es auf den Seiten mehr und mehr Text. Weil sich D. und K. dem Projekt geöffnet haben? Weil die Kriegswirklichkeit immer komplizierter wird? Krug hat die Schilderungen der beiden symmetrisch angeordnet, Texte und Bilder mit je eigenen Farben hinterlegt und die Wochen nummeriert. In diesem ordentlichen Rahmen darf es dann unübersichtlich werden. Spätere Seiten erinnern an Wimmelbilder: Überlebensstrategien im Krieg sind selten einfach oder geradlinig.
Nora Krug nennt sich selbst eine „visuelle Journalistin“. Ihre Aufgabe sieht sie darin, die Perspektiven ihrer Protagonisten „akkurat und einfühlsam zu dokumentieren“. Ihre Illustrationen wirken schlicht, sie sind zurückhaltend koloriert und mit sparsamen Strichen gezeichnet. Als ob die Bilder nicht zu laut sein wollten aus Respekt vor dem (und denjenigen), die sie zeigen. Und doch fügen sie den Texten viel hinzu – eine eigene visuelle Erzählebene.
Wenn etwa K. darüber nachdenkt, „was der Krieg mit meinem Körper macht“, ist ihr Gesicht hinter einer Fensterscheibe zu sehen (da ist sie gerade wieder in Dänemark bei ihrer Mutter und ihren Kindern). Sie sieht von einem kaum erkennbaren „Innen“ hinaus auf einen Park mit Enten auf einem Bach, ein Radfahrer kurbelt durchs Bild. Dieses Draußen im Frieden könnte idyllisch wirken, ist aber wie ausgebleicht gezeichnet, als Wahrnehmung einer Geflüchteten.
Die friedliche Szene ist gebrochen durch K.s in der Scheibe gespiegeltes, mit wenigen Strichen als faltig gekennzeichnetes Gesicht. Dazu der Text: „Ich habe Angst, zu altern, und ich glaube, ich sehe bald viel älter aus, als ich es tatsächlich bin. Auch habe ich Angst davor, vorzeitig zu sterben, weil mein Körper das Trauma, das ich durchmachen muss, nicht verkraften kann.“
Bekannt wurde Nora Krug 2018 mit ihrem Buch „Heimat: Ein deutsches Familienalbum“, in dem die 1977 in Karlsruhe geborene Zeichnerin sich mit der eigenen Familiengeschichte in der NS-Zeit beschäftigt. Auch das vermintes historisches Terrain, das sie sorgfältig durchmisst.
Durch die begrenzte Perspektive der Tagebuchschreiber, die Reduktion der Erzählung auf meist Alltägliches und Persönliches, vermittelt ihr neues Buch nun womöglich mehr von der Kriegswirklichkeit als die üblichen Frontverlaufsberichte. Wobei das Wimmelbildartige vieler Seiten der Komplexität dieser Wirklichkeit aufgreift. Denn das lässt sich in diesen Notizen sehr gut nachvollziehen – wie das alltägliche Leben im Krieg zerbröselt, sich Fliehkräfte entwickeln, vieles auseinandertreibt. Da gibt es dann mehr als eine Front, es sind vielmehr viele persönliche Grenzen, an denen die Tagebuchschreiber kämpfen. Auch darum, den Menschen auf der anderen Seite nicht nur als Feind zu sehen.
MARTINA KNOBEN
Darf man die ukrainische
und die russische Seite
gleich gewichten?
Die Schriftstellerin Nora Krug wurde 2018 mit ihrem Buch „Heimat: Ein Familienalbum“ bekannt.
Foto: Imago
Nora Krug: Im Krieg. Aus dem Englischen von Nora Krug und Alexander Weber.
Penguin Verlag,
München 2024.
128 Seiten, 28 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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