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Was brauchen wir für ein geglücktes Leben? Auf jeden Fall die Linse, durch die es geglückt erscheint. Hinreißend herzerwärmend erzählt Sanaka Hiiragis Roman von der Schönheit des Lebens im Auge des Betrachters.
Das Fotostudio von Herrn Hirasaka ist ein magischer Ort: Hier, an der Schwelle zum Jenseits, können die Besucher aus Fotografien ihren persönlichen Lebensfilm zusammenstellen. Hirasaka bietet dabei einen besonderen Service: Jeder Besucher erhält die Möglichkeit, zu einem bestimmten Moment seiner Vergangenheit zu reisen und eins der Fotos aufzufrischen. Ob eine einstige Erzieherin mit…mehr

Produktbeschreibung
Was brauchen wir für ein geglücktes Leben? Auf jeden Fall die Linse, durch die es geglückt erscheint. Hinreißend herzerwärmend erzählt Sanaka Hiiragis Roman von der Schönheit des Lebens im Auge des Betrachters.

Das Fotostudio von Herrn Hirasaka ist ein magischer Ort: Hier, an der Schwelle zum Jenseits, können die Besucher aus Fotografien ihren persönlichen Lebensfilm zusammenstellen. Hirasaka bietet dabei einen besonderen Service: Jeder Besucher erhält die Möglichkeit, zu einem bestimmten Moment seiner Vergangenheit zu reisen und eins der Fotos aufzufrischen. Ob eine einstige Erzieherin mit blasser Erinnerung ans Nachkriegs-Tokio, ein ermordetes Yakuza-Mitglied, das glaubt, nichts als eine bedauernswerte Schneise der Verwüstung hinterlassen zu haben, oder ein Mädchen aus perspektivlosen Verhältnissen - ihnen allen zeigt Hirasaka: Das Leben ist doch wunderschön, man muss nur im richtigen Moment hinsehen.

Autorenporträt
Sanaka Hiiragi (¿¿¿¿) wurde 1974 in der Präfektur Kagawa geboren und lebt heute in Tokio. Sie studierte in Kobe Literaturwissenschaften und Japanisch als Fremdsprache. Sieben Jahre lang hat sie im Ausland Japanisch unterrichtet, bevor sie sich mehr und mehr dem Schreiben widmete. Ihr Debütroman The Marriage-Hunting Dream Team gewann den Konomy Hidden Gem Award. 2015 landete sie mit The Mystery of Yanaka's Retro Camera Shop einen großen Bestseller. Hiiragi liebt Kimonos, alte Fotoapparate und natürlich das Fotografieren selbst. Zuletzt erschien von ihr bei Hoffmann und Campe der Roman Die Erinnerungsfotografen (2023).
Rezensionen
»Anrührend und poetisch.« HÖRZU

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.2024

Der Mann ohne Erinnerung und Eigenschaften
Restaurierter Lebensfilm: Sanaka Hiiragis filigrane Romananleitung zum glücklichen Ableben

"Ich habe Sie erwartet", sagt der ominöse Leiter eines aus der Zeit gefallenen Fotostudios namens Hirasaka. Seine Gäste sind keine Hochzeitspaare oder etwa Models, sondern kürzlich verstorbene Menschen, Geister auf Stippvisite. Die 1974 geborene japanische Autorin Sanaka Hiiragi spielt in ihrer Prosa, etwa im Bestseller "The Mystery of Yanaka's Retro Camera Shop" (2015), mit Mystery-Literatur und Mysterien des Lebens. Ihr Thema ist Vergänglichkeit und Archivierung von Erinnerungen im Ewigkeitsstreben der Fotografie.

Ihr nun übersetzter Roman "Die Erinnerungsfotografen" erschien in Japan 2019 unter dem sinngemäßen Titel "Wunder des Fotostudios des Lebens". Der Band spiegelt den dortigen Boom der shukatsu ("Lebensend-Aktivitäten") und einer auf selbstbestimmt-kreative Gestaltung des eigenen Ablebens zielende Anleitungsliteratur zum guten Sterben.

In drei Episoden treffen "Kunden" und arme Seelen verschiedener Schichten und Altersklassen, biographischer Epochen, Lebenswelten und Sterbehintergründe im Fotostudio ein. Der Name des Inhabers und Seelenfährmanns, Hirasaka, spielt auf "Yomotsu Hirasaka" an, den in der Mythensammlung "Kojiki" genannten Grenzbereich zwischen der Welt der Lebenden und der Toten. Hirasaka selbst sieht sich im säkularen Japan aber schlicht als "Wegbegleiter", der mit seinen Gästen eine Tasse Tee als Übergangsritus zum Jenseits trinkt: Aufgabe der Gäste ist es dann, aus Kisten von Fotos für jedes Lebensjahr eines auszuwählen. Ferner soll jeder Gast als "letzte Erinnerung" als unsichtbarer Beobachter des eigenen Ichs auf einer Zeitreise ein verblichenes Lieblingsfoto neu aufnehmen. Diese Zeitreisen ins Selbst, die mit Sonnenaufgang des jeweiligen "denkwürdigen" Tags unter Begleitung Hirasakas beginnen, dienen als Binnenerzählungen.

Die Fotos werden den Gästen von Hirasaka nach ihrer Rückkehr von der Zeitreise auf einer "Drehlaterne" als Rückblende und Kaleidoskop des Lebens vorgeführt. Wenn die "letzte Erinnerung" gezeigt wurde, hält sie an, und es ist Zeit zu gehen. Die Gäste sind Helden und Antihelden zugleich, von Nöten der Zeitgeschichte oder vom unmenschlichen Zeitgeist Malträtierte. So zum Beispiel die zweiundneunzigjährige Hatsue, die für ihr Erinnerungsfoto als ein Sinnbild für die von Glück im Unglück geprägte "existenzielle Krise" Nachkriegsjapans eine Zeitreise ins ausgebombte Tokio unternimmt: Sie macht eine Neuaufnahme eines ausrangierten Busses der Tokioter Verkehrsbetriebe, der der jungen idealistischen Erzieherin ehedem als Provisorium eines Kindergartens diente. Atmosphärisch schildert Hiiragi die unmittelbare Nachkriegszeit zwischen Inflation, Schwarzmarkt und Demokratisierung.

Zweiter Gast ist der siebenundvierzigjährige Verbrecher Waniguchi, der als Übergangsgetränk ins Jenseits Whiskey präferiert und gemeinsam mit Hirasaka sein ebenso erratisches wie erfülltes Ganovenleben rekapituliert. Ausgerechnet dieser hartgesottene Yakuza wählt als Zeitreise eine Rückkehr zum Weihnachtstag des Vorjahrs, in ein Tokio voller Kunstschnee und Kitsch. Bei der gedanklichen Neujustierung der Vergangenheit verhindert die Unsichtbarkeit des Zeitreisenden, dass sich wie zu Lebzeiten die Massen vor dem Mafioso teilen. Sein Lieblingsfoto nimmt der durch einen Schwerthieb Getötete dann in der Werkstatt seines der Geldwäsche dienenden "Gebrauchtwarenshops Andromeda" neu auf: Am Weihnachtstag flickte sein autistischer Angestellter einem vietnamesischen Jungen dessen von Schulkameraden zerrissenes Familienfoto. Der Roman spielt mit der Relativität der Zuschreibungen von Normalität, Gemeinsinn und Moral, wenn ein ehrlicher Autist die rigiden Mafiahierarchien hinterfragt oder ausgerechnet ein Yakuza schulisches Mobbing und die Kultur des Wegsehens aufarbeitet.

Im dritten Kapitel nimmt Hirasaka ein Mädchen aus prekärem Milieu unter seine Fittiche und weist sie ein in die Kunst des Fotografierens. Im Atelier an der Grenze zum Jenseits entschleunigen sich die Irrwege der Individuen, die sich als an Schicksalsfäden hängende Marionetten entpuppen, gebunden durch Weggabelungen, Überangebote und Schwellenängste der Moderne, der sie mit stiller Resilienz, lauter Systemkritik und Courage begegneten. Sanaka Hiiragi besticht in ihrer zarten Parabel mit Jenseitsbildern und einer Poesie der Übergänge, wenn ihre Helden Jogger auf einem Damm als Sinnbild der Lebensgrenze beobachten oder das "diffuse Leuchten der Sakurablüten" Vergänglichkeit evoziert.

Dabei ist Hirasaka als asiatischer Charon und Sterbebegleiter volatiler Seelen eine enigmatische Figur. Der Fotograf, der selbst als Mann ohne Erinnerungen und Eigenschaften beschrieben wird, arbeitet auch, um "sich seiner selbst zu vergewissern". Im Tarieren und Korrigieren tragischer Schicksale gleicht er als zugewandter Jenseitsreisebegleiter einer Bodhisattwa-Figur.

So lehrt uns das bezaubernde Büchlein und Passagenwerk über Erinnerung und Erlösung, die Universalität der Gefühle und die Kunst des Loslassens, auch schwierige Vergangenheiten und gescheiterte Biographien in ihren Brüchen und Widersprüchen anzunehmen - wie Hirasaka, der seine Gäste unterschiedslos freudvoll erwartet. STEFFEN GNAM

Sanaka Hiiragi: "Die Erinnerungsfotografen". Roman.

Aus dem Japanischen von Yukiko Luginbühl und Sabine Mangold. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2023. 176 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sanaka Hiiragi greift in ihrem "bezaubernden Büchlein" laut Rezensent Steffen Gnam den japanischen Trend zur selbstbestimmten Ausgestaltung des Sterbens auf. Er übersetzt es in einen Plot um den Erinnerungsfotografen Hirasaka, der unlängst Verstorbene in einer Zwischenwelt empfängt, ihnen Fotografien aus ihrem Leben vorlegt und ihnen schließlich dabei hilft, eine vergangene Fotografie via Zeitreise neu aufzunehmen, so Gnam, der einige dieser Zeitreiseepisoden beschreibt, die unter anderem in die unmittelbare Nachkriegszeit zurückführen. Insgesamt gelingt es Hiiragi, ihre parabelhafte Jenseitserzählung mit einer "Poesie der Übergänge" und einem Gespür für die Vielfalt und Kontingenz menschlicher Lebenswege aufzuladen, lobt der Kritiker.

© Perlentaucher Medien GmbH