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Die Pfingstrosenlaterne ist ein noch heute in Japan bekanntes Werk: Die berühmte Gespenstergeschichte aus dem 17. Jahrhundert erzählt, wie zwei Schönheiten aus dem Jenseits einem jungen Mann die Lebensgeister aussaugen.
Die Geschichte von Sanyutei Encho beginnt wie die Populärfassung einer griechischen Tragödie: Der junge Samurai Heitaro gerät auf dem Markt mit einem stadtbekannten Trunkenbold in Streit - und tötet ihn. Aber der Getötete war selbst Samurai, dessen Nachkommen durch ihren Ehrenkodex zur Blutrache verpichtet sind. Das Erzählen schlägt noch mancherlei Haken. Gespenster treten…mehr

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Produktbeschreibung
Die Pfingstrosenlaterne ist ein noch heute in Japan bekanntes Werk: Die berühmte Gespenstergeschichte aus dem 17. Jahrhundert erzählt, wie zwei Schönheiten aus dem Jenseits einem jungen Mann die Lebensgeister aussaugen.

Die Geschichte von Sanyutei Encho beginnt wie die Populärfassung einer griechischen Tragödie: Der junge Samurai Heitaro gerät auf dem Markt mit einem stadtbekannten Trunkenbold in Streit - und tötet ihn. Aber der Getötete war selbst Samurai, dessen Nachkommen durch ihren Ehrenkodex zur Blutrache verpichtet sind. Das Erzählen schlägt noch mancherlei Haken. Gespenster treten auf und werden zur Heimsuchung, Liebe und Anzüglichkeiten haben ihren Ort, Schürzenjäger suchen ihr Glück und finden es.

Wir lesen eine Erzählung, die übervoll ist an Wendungen und neuen Verwicklungen. Es ist Unterhaltungsliteratur von Weltrang, der wir lesend statt lauschend folgen können: Der hohe Ton, in dem japanische Vorstellungen von Ehre und Schicksalhaftigkeit zur Sprache kommen, wird gebrochen durch komödiantische Szenen. Schelmisch gerissene Charaktere begegnen dem Ethos der Edelleute mit Bauernschläue.

Kein Tod ist bei Encho so tragisch, als dass er nicht neben und eng verbunden mit dem Lächerlichen stehen könnte. Zwischen Wirklichkeit und Phantasie sowie Menschen- und Geisterwelt springt die Pfingstrosenlaterne mit Leichtigkeit hin und her; zwischen Realität und Traum zu unterscheiden, fällt in diesem Bilderbogen nicht leicht. Encho lässt kaum ein Motiv der volkstümlichen Literatur Japans aus und immer wieder wendet er sich kommentierend an seine Zuhörer und an uns Leser.
Autorenporträt
Sanyutei Encho (1839-1900) war einer der populärsten "Rakugoka" seiner Zeit, also Rezitator kurzer, oft humoristischer oder satirischer Geschichten. In Japan sind seine Werke zu Klassikern der Unterhaltungsliteratur geworden, die transkribiert - je nach Edition - acht bis zwölf Bände umfassen. Franziska Neubert studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und an der École Nationale Supèrieure des Arts Décoratifs, Paris. Nach dem Studium schloss sich ein Meisterschülerstudium ebenfalls an der Leipziger Hochschule an. Ihre Arbeiten werden regelmäßig im In- und Ausland in Ausstellungen gezeigt und sind mehrfach prämiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2019

Stelldichein mit Gespenstern
Sanyutei Enchos Erzählung über geheime Liebschaften der Samurai

Schon die Genese dieser seit langem vergriffenen, nun glücklicherweise wieder neu edierten Erzählung über die Samurai-Zeit von Sanyutei Encho (1839 bis 1900) ist etwas Besonderes: Es handelt sich um ein von Stenographen 1884 notiertes mündliches Vortragsstück. Als Meister der Erzählkunst des "Rakugo" rezitierte Encho, dessen einzige Requisiten ein Fächer und ein kleines Handtuch waren, mit Vorliebe Gespenstergeschichten. Dazu zählte auch "Die Pfingstrosenlaterne", die Geschichte zweier Schönheiten aus dem Jenseits, die einem jungen Mann die Lebensgeister aussaugen. Sie geht auf eine chinesisch inspirierte japanische Legende aus dem siebzehnten Jahrhundert zurück, und Encho erweiterte sie um das Motiv der treuen Gefolgschaft eines Samurai zu dessen Herrn und um dessen Lehren: "Das wichtigste für einen Samurai ist die Kunst, mit dem Schwert umzugehen. Der Kern dieser Kunst besteht im Wissen, was zu tun ist, wenn über deinem Haupt der todbringende Stahl aufblitzt. Auf keinen Fall darfst du zurückweichen. Du verbrennst nicht im Feuer und ertrinkst nicht im Wasser. Fasse Mut und gehe vorwärts."

Das im achtzehnten Jahrhundert spielende Buch beginnt mit der Tötung des betrunken herumpöbelnden, herrenlosen Samurai Kozo durch den direkten Vasallen des Shoguns und hochrangigen Samurai Heitaro, der den Vorfall pflichtbewusst der Obrigkeit meldet, doch für schuldlos erklärt wird. Nach dem Tod seiner Frau macht Heitaro die Dienerin O-Kuni zur Konkubine, die ihn aber mit dem Samurai des Nachbarhauses Genjiro betrügt und, um diesen zum Erben zu machen, einen Mordkomplott gegen Heitaro schmiedet. Achtzehn Jahre nach Kozos Tod heuert sein Sohn Kosuke als Diener an, um bei Heitaro als Meister der Fechtkunst zu lernen und dann eines Tages seinen gefallenen Vater zu rächen - nicht ahnend, dass der Herr, dem er fortan treu dient, dessen Mörder ist.

Die tempo- und fintenreiche Story bietet ebenso vergnügliche wie gruselige Einblicke in Japans Geistes- und Geisterwelt. Konfliktlinien der japanischen Kultur und feudalen Ständegesellschaft scheinen aber auch im zweiten Erzählstrang auf, der von der unmöglichen Liebe zwischen dem herrenlosen Samurai Hagiwara und Heitaros Tochter O-Tsuyu als Spross aus gutem Hause handelt. An diesem amour fou zerbrechend und zuletzt sterbend, kehrt O-Tsune gemeinsam mit ihrer Dienerin O-Yone, die jene titelgebende mit Pfingstrosen verzierte Laterne trägt, als gespenstische Wiedergängerin der Liebe zu Hagiwaras Haus zurück.

Die mündliche Erzähltradition der an zwölf Abenden vorgetragenen Geschichte verwendet Techniken wie Cliffhanger oder das "Klipp-Klapp" der Geta-Sandalen bei der ewigen Wiederkehr der Gespenster. Die buddhistische Moritat erzählt von spirituellem Vampirismus und karmischer Liebe: "Gleichwohl verfolgt dich der Geist nicht aus Bosheit, sondern aus großer Liebe. Schon seit drei oder vier Wiedergeburten verfolgt dich, wechselnd zwischen Leben und Tod und ihre Gestalt verändernd, eine Frau, die dich liebt."

Wenn im "Dracula"-Mythos Rosenkränze zum Schutz vor Vampiren dienen, so werden hier Sutras gebetet, und Hagiwaras Haus wird mit Amuletten zur Geisterabwehr behängt. Doch ist es ein gebrochener, dekonstruierter Grusel, wenn etwa ein neugieriger Nachbar Hagiwaras bemerkt, dass in chinesischen Romanen tatsächlich "Gespenster wie Liebende zum Stelldichein kommen". Und mit den sich als vernunftbegabt entpuppenden Gespenstern lässt sich sogar Handel treiben, wenn etwa die Nachbarn für hundert Goldstücke Hagiwaras Abwehrzauber entfernen.

Neben Erotisch-Groteskem finden sich zwischen Schwank und Schauer burleske Elemente wie die Figur des Quacksalbers oder des tumben Dieners. So entwirft Encho ein Sittengemälde der sinnesfreudigen, zwar von einer langen Friedensperiode geprägten Edo-Zeit, in der aber Habgier, Gewinnstreben und menschliche Begierden alte Tugendkataloge untergraben.

Die japantypischen dramatischen Konflikte und Schuldigkeitshierarchien - wie Sohnespflicht kontra Treuebindung dem Herrn gegenüber - finden im furiosen Finale ihre ehrenvolle Auflösung oft nur im Selbstmord: wenn Heitaro eine Verwechslung inszeniert, um sich von Kosuke töten zu lassen, der ihn für Genjiro hielt, welchen er als Blutrache für den Ehebruch töten wollte. Oder wenn Kosukes lange verschollene Mutter, die zugleich Stiefmutter O-Kunis ist und Kosuke bei der Verfolgung O-Kunis und Genjiros helfen, sie aber zugleich decken will, Hand an sich anlegt.

Im trotzdem eintretenden Happy Ending wird Heitaros entehrtes Kriegergeschlecht - Kosuke tötet nach vielen Prüfungen O-Kuni und Gentaro - mit Kosukes Sohn an der Spitze rehabilitiert. Der magische Realismus spiegelt japanische Denkwelten und Ideologien. Da wären buddhistisch-karmische Aspekte (wenn Kosukes im Freitod sterbender Herr zu ihm sagt, dass ihre Beziehungen während dreier Wiedergeburten die eines Herrn zu seinem Diener sein sollten), taoistische Talismane und Tabus bis zum Ehrenkodex der Samurai.

Atmosphärisch-suggestive Holzschnitte der Leipziger Grafikerin Franziska Neubert als Bilderbögen aus dem Zwischenreich sowie Martina Schönbeins informatives Nachwort erweitern die Lektüre zum ganzheitlichen Gruselgefühl und Schmökergenuss. Das Leben, so verrät es das mit zahlreichen Zen-Weisheiten angefüllte Buch, gleiche einem Gang über eines Schwertes Schneide.

STEFFEN GNAM.

Sanyutei Encho: "Die Pfingstrosenlaterne".

Mit Holzschnitten von Franziska Neubert und einem Nachwort von Martina Schönbein. Aus dem Japanischen von Ingo Böhm. Die Andere Bibliothek, Berlin 2019. 336 S., Abb., geb., 44,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein großes Lesevergnügen, und mit den wunderbaren Holzschnitten von Franziska Neubert auch ein bisschen ein Manga." SWR 2 20200116