Shida Bazyar erzählt voller Wucht und Furor von den Spannungen und Ungeheuerlichkeiten der Gegenwart - und von drei jungen Frauen, die zusammenstehen, egal was kommt. Erstmals im KiWi-Taschenbuch.
Seit ihrer gemeinsamen Jugend in der Siedlung verbindet Hani, Kasih und Saya eine tiefe Freundschaft. Nach Jahren treffen die drei sich wieder, um ein paar Tage lang an die alten Zeiten anzuknüpfen. Doch egal ob über den Dächern der Stadt, auf der Bank vor dem Späti oder bei einer Hausbesetzerparty, immer wird deutlich, dass sie nicht abschütteln können, was jetzt so oft ihren Alltag bestimmt: die Blicke, die Sprüche, Hass und rechter Terror. Ihre Freundschaft aber gibt ihnen Halt. Bis eine dramatische Nacht alles ins Wanken bringt.
»Drei Kameradinnen« ist ein aufwühlender, kompromissloser und berührender Roman über das außergewöhnliche Bündnis dreier junger Frauen - und über das einzige, das ein selbstbestimmtes Leben möglich macht in einer Gesellschaft, die keine Andersartigkeit duldet: bedingungslose Freundschaft.
Seit ihrer gemeinsamen Jugend in der Siedlung verbindet Hani, Kasih und Saya eine tiefe Freundschaft. Nach Jahren treffen die drei sich wieder, um ein paar Tage lang an die alten Zeiten anzuknüpfen. Doch egal ob über den Dächern der Stadt, auf der Bank vor dem Späti oder bei einer Hausbesetzerparty, immer wird deutlich, dass sie nicht abschütteln können, was jetzt so oft ihren Alltag bestimmt: die Blicke, die Sprüche, Hass und rechter Terror. Ihre Freundschaft aber gibt ihnen Halt. Bis eine dramatische Nacht alles ins Wanken bringt.
»Drei Kameradinnen« ist ein aufwühlender, kompromissloser und berührender Roman über das außergewöhnliche Bündnis dreier junger Frauen - und über das einzige, das ein selbstbestimmtes Leben möglich macht in einer Gesellschaft, die keine Andersartigkeit duldet: bedingungslose Freundschaft.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Der hier rezensierende Autorin Mithu Sanyal ist außerordentlich angetan von diesem Roman Shida Bazyars, der "wütend, scharfsichtig und präzise" von drei Freundinnen mit Migrationshintergrund erzählt. Hintergrund der Geschichte wiederum sind die NSU-Morde, die hier als "Jahrhundertbrand" in einer Mietskaserne erzählt werden, erfahren wir. Erzählerin Kasih nennt den LeserInnen weder die Namen noch die Herkunft der Menschen in dem Roman, um Schubladendenken zu verhindern, obwohl sie selbst mit Vorurteilen belastet denkt. Aber sie weiß es wenigstens, meint Sanyal, der die Angriffslust der Autorin ebenso imponiert wie ihre Stärke.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2021Unter Verdacht gestellt, egal welchen
Shida Bazyars Roman "Drei Kameradinnen" erprobt eine Schockpädagogik für die Mehrheitsgesellschaft
Dieses Buch ist eine umfassende Anklage. Die "weiße Dominanzgesellschaft" steht vor einem gnadenlosen Tribunal. Und damit pauschal die Leserschaft, von der die "drei Kameradinnen" in diesem Roman annehmen, dass sie aus der ständig adressierten großen Gruppe, die mit "ihr" angesprochen wird, bestehe und nicht aus der ausgegrenzten, kleineren, die im Buch als "wir" bezeichnet wird: "Wir sind nicht so anders als ihr. Das denkt ihr nur, weil ihr uns nicht kennt . . . Ihr wartet auf den Moment, in dem ich erkläre, wer von uns aus welchem Land kommt. Das nämlich müsst ihr wissen, bevor ihr euch in uns eindenken könnt . . . Ich sage euch dazu nichts. Da müsst ihr durch."
Hier spricht Kasih, die Hauptstimme des Trios. Ihre besten Freundinnen Hani und Saya unterstützen sie dabei nach Kräften. Die Autorin Shida Bazyar schickt die jungen Frauen los, um ein Experiment mit den Lesern zu veranstalten: Diese sollen einmal selbst erfahren, wie sich Argwohn, Distanzierung, Unterstellungen, Unverständnis, Vorurteile anfühlen können, wenn man anders als die Mehrheit ist. Wenn man, wie die drei Kameradinnen und auch die Verfasserin selbst, als Kind nach Deutschland kam oder sogar hier geboren wurde und das Abitur machte, aber andere familiäre Hintergründe und keinen deutsch klingenden Namen mitbringt. Nett gemeinte, aber unüberlegte Komplimente zur guten Sprachkompetenz gehören da noch zu den argloseren Ausgrenzungen. Sie steigern sich durch Anrede auf Englisch beim Inlandsflug und führen rasch bis zur Routinekontrolle durch Kaufhausdetektive, denen Kopftücher der auf Familienbesuch angereisten Tanten auffallen. "Man stellte uns unter Verdacht, unter welchen, das war egal."
All das ist inakzeptabel und verdient Kritik. Shida Bazyar, die mit ihrem ersten Roman "Nachts ist es leise in Teheran" (2016) große Anerkennung fand, lässt ihre drei Kameradinnen literarisch kämpferisch dagegen vorgehen - in einem bewusst lauten, jugendlichen, impulsiven, manchmal groben Ton. Wenn die "weiße Dominanzgesellschaft" oft undifferenziert und aggressiv verfährt, dann stehen die drei ihr in nichts nach. Deutschland brennt hier wie in den aktuell gereizten öffentlichen Debatten, die Flammen in Schwarz-Rot-Gold auf dem Buchumschlag unterstreichen es. Dass sie auch den vielen Hilfsbereiten und Gutwilligen entgegenschlagen, versteht sich von selbst, umgekehrt geht es schließlich auch nicht gerecht zu: "Schon klar, ihr seid nicht so, ihr stellt euch das gar nicht vor, denn ihr habt ja eine Weile geholfen, Kleider zu sortieren und Kuscheltiere zu verteilen, solche Vorurteile habt ihr nicht mehr. Ihr wart nämlich bei euren Hilfsaktionen zu allen nett, auch zu den Leuten, vor denen ihr euch ein wenig gefürchtet habt, ihr wart ganz tapfer liebevoll, auch dann noch, als ihr euch gefragt habt, ob Terroristen unter euren Schutzbefohlenen sind, dann wart ihr zwar immer noch liebevoll, aber eben auch Rassisten, liebevolle Rassisten."
Kasih, die meistens spricht und auch über ihr eigenes Schreiben nachdenkt, führt mit Hani und Saya lange Diskussionen auf dem Sofa, der Parkbank, in der Schule oder auf Partys. Zuweilen wirkt das wie ein weitschweifiges Tagebuch oder verwickeltes Gedächtnisprotokoll, was Kasih durchaus bemerkt, wenn sie die Leser gelegentlich fragt: "Seid ihr noch da?" Dann gibt es aber auch distinkte Szenen, etwa im Jobcenter oder bei einer Neunziger-Jahre-Daily-Talkshow über die Frage, was es heißt, Opfer und unterdrückt zu sein. Beobachterin ist immer Kasih, die schon den Kommentaren unter ihren Schulaufsätzen gern hinzugefügt hätte, dass ihre Geschichten "der Hammer" sind und eigentlich eine Eins verdienen, auch wenn sie sich nicht an die schulübliche Gliederung halten. Ihre Aufzeichnungen gelten aber vor allem der radikalsten unter den drei Kameradinnen: Saya, der Aktivistin gegen rechts.
Saya wird schon in einem vorausgeschickten Zeitungsbericht zur Last gelegt, einen Mann vor einem Café attackiert zu haben, wo Stunden später auch noch ein verheerender Brand ausbrach. Sie, die Workshops für Jugendliche zur Berufsfindung und zur Rassismusprävention leitet, versteht sich selbst nicht unbedingt auf Deeskalation. Der Mann, der sie zu Beginn des Romans aufgrund ihres Aussehens im Flugzeug auf Englisch ansprach und dessen Namen sie auf der Bordkarte erhaschte, taucht am Ende wieder auf. Längst hat sie ihn als einen Hetzer im Internet identifiziert und unter einem Fake-Profil kontaktiert. Jetzt, da ein Prozess gegen die rechte Gruppierung, der er angehört und deren Abzeichen er trägt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden soll, hat sie Gelegenheit, ihn einmal richtig zusammenzufalten und zu provozieren: Mit seinem "kleinen Feuerzeug" wisse er ja nicht einmal, "wie die Sache mit dem Abfackeln" von Häusern funktioniere. Wenig später brennt es.
Saya wird als "Nazihasserin" festgenommen, denn der Streit kam zur Anzeige. Abschließend wendet sich Kasih an die Leser: "Habt ihr gedacht, Saya hätte das Haus in Brand gesetzt? Seid ihr entsetzt, dass ich euch das unterstelle?" Wie so oft im Gegenwartstheater werden wir alle stark einbezogen. Die schreibende Erzählfigur ist sich der Brisanz ihres Berichts bewusst und ahnt, dass die Presse bald darauf reagieren wird. Ihre Erfinderin Shida Bazyar wird wohl ebenfalls mit Fragen des beschimpften Publikums rechnen.
ALEXANDER KOSENINA
Shida Bazyar: "Drei Kameradinnen". Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021. 352 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Shida Bazyars Roman "Drei Kameradinnen" erprobt eine Schockpädagogik für die Mehrheitsgesellschaft
Dieses Buch ist eine umfassende Anklage. Die "weiße Dominanzgesellschaft" steht vor einem gnadenlosen Tribunal. Und damit pauschal die Leserschaft, von der die "drei Kameradinnen" in diesem Roman annehmen, dass sie aus der ständig adressierten großen Gruppe, die mit "ihr" angesprochen wird, bestehe und nicht aus der ausgegrenzten, kleineren, die im Buch als "wir" bezeichnet wird: "Wir sind nicht so anders als ihr. Das denkt ihr nur, weil ihr uns nicht kennt . . . Ihr wartet auf den Moment, in dem ich erkläre, wer von uns aus welchem Land kommt. Das nämlich müsst ihr wissen, bevor ihr euch in uns eindenken könnt . . . Ich sage euch dazu nichts. Da müsst ihr durch."
Hier spricht Kasih, die Hauptstimme des Trios. Ihre besten Freundinnen Hani und Saya unterstützen sie dabei nach Kräften. Die Autorin Shida Bazyar schickt die jungen Frauen los, um ein Experiment mit den Lesern zu veranstalten: Diese sollen einmal selbst erfahren, wie sich Argwohn, Distanzierung, Unterstellungen, Unverständnis, Vorurteile anfühlen können, wenn man anders als die Mehrheit ist. Wenn man, wie die drei Kameradinnen und auch die Verfasserin selbst, als Kind nach Deutschland kam oder sogar hier geboren wurde und das Abitur machte, aber andere familiäre Hintergründe und keinen deutsch klingenden Namen mitbringt. Nett gemeinte, aber unüberlegte Komplimente zur guten Sprachkompetenz gehören da noch zu den argloseren Ausgrenzungen. Sie steigern sich durch Anrede auf Englisch beim Inlandsflug und führen rasch bis zur Routinekontrolle durch Kaufhausdetektive, denen Kopftücher der auf Familienbesuch angereisten Tanten auffallen. "Man stellte uns unter Verdacht, unter welchen, das war egal."
All das ist inakzeptabel und verdient Kritik. Shida Bazyar, die mit ihrem ersten Roman "Nachts ist es leise in Teheran" (2016) große Anerkennung fand, lässt ihre drei Kameradinnen literarisch kämpferisch dagegen vorgehen - in einem bewusst lauten, jugendlichen, impulsiven, manchmal groben Ton. Wenn die "weiße Dominanzgesellschaft" oft undifferenziert und aggressiv verfährt, dann stehen die drei ihr in nichts nach. Deutschland brennt hier wie in den aktuell gereizten öffentlichen Debatten, die Flammen in Schwarz-Rot-Gold auf dem Buchumschlag unterstreichen es. Dass sie auch den vielen Hilfsbereiten und Gutwilligen entgegenschlagen, versteht sich von selbst, umgekehrt geht es schließlich auch nicht gerecht zu: "Schon klar, ihr seid nicht so, ihr stellt euch das gar nicht vor, denn ihr habt ja eine Weile geholfen, Kleider zu sortieren und Kuscheltiere zu verteilen, solche Vorurteile habt ihr nicht mehr. Ihr wart nämlich bei euren Hilfsaktionen zu allen nett, auch zu den Leuten, vor denen ihr euch ein wenig gefürchtet habt, ihr wart ganz tapfer liebevoll, auch dann noch, als ihr euch gefragt habt, ob Terroristen unter euren Schutzbefohlenen sind, dann wart ihr zwar immer noch liebevoll, aber eben auch Rassisten, liebevolle Rassisten."
Kasih, die meistens spricht und auch über ihr eigenes Schreiben nachdenkt, führt mit Hani und Saya lange Diskussionen auf dem Sofa, der Parkbank, in der Schule oder auf Partys. Zuweilen wirkt das wie ein weitschweifiges Tagebuch oder verwickeltes Gedächtnisprotokoll, was Kasih durchaus bemerkt, wenn sie die Leser gelegentlich fragt: "Seid ihr noch da?" Dann gibt es aber auch distinkte Szenen, etwa im Jobcenter oder bei einer Neunziger-Jahre-Daily-Talkshow über die Frage, was es heißt, Opfer und unterdrückt zu sein. Beobachterin ist immer Kasih, die schon den Kommentaren unter ihren Schulaufsätzen gern hinzugefügt hätte, dass ihre Geschichten "der Hammer" sind und eigentlich eine Eins verdienen, auch wenn sie sich nicht an die schulübliche Gliederung halten. Ihre Aufzeichnungen gelten aber vor allem der radikalsten unter den drei Kameradinnen: Saya, der Aktivistin gegen rechts.
Saya wird schon in einem vorausgeschickten Zeitungsbericht zur Last gelegt, einen Mann vor einem Café attackiert zu haben, wo Stunden später auch noch ein verheerender Brand ausbrach. Sie, die Workshops für Jugendliche zur Berufsfindung und zur Rassismusprävention leitet, versteht sich selbst nicht unbedingt auf Deeskalation. Der Mann, der sie zu Beginn des Romans aufgrund ihres Aussehens im Flugzeug auf Englisch ansprach und dessen Namen sie auf der Bordkarte erhaschte, taucht am Ende wieder auf. Längst hat sie ihn als einen Hetzer im Internet identifiziert und unter einem Fake-Profil kontaktiert. Jetzt, da ein Prozess gegen die rechte Gruppierung, der er angehört und deren Abzeichen er trägt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden soll, hat sie Gelegenheit, ihn einmal richtig zusammenzufalten und zu provozieren: Mit seinem "kleinen Feuerzeug" wisse er ja nicht einmal, "wie die Sache mit dem Abfackeln" von Häusern funktioniere. Wenig später brennt es.
Saya wird als "Nazihasserin" festgenommen, denn der Streit kam zur Anzeige. Abschließend wendet sich Kasih an die Leser: "Habt ihr gedacht, Saya hätte das Haus in Brand gesetzt? Seid ihr entsetzt, dass ich euch das unterstelle?" Wie so oft im Gegenwartstheater werden wir alle stark einbezogen. Die schreibende Erzählfigur ist sich der Brisanz ihres Berichts bewusst und ahnt, dass die Presse bald darauf reagieren wird. Ihre Erfinderin Shida Bazyar wird wohl ebenfalls mit Fragen des beschimpften Publikums rechnen.
ALEXANDER KOSENINA
Shida Bazyar: "Drei Kameradinnen". Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021. 352 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Eine starke Geschichte feministischer Solidarität.« Zeit Wissen 20221213