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Produktdetails
  • Verlag: Haffmans
  • Seitenzahl: 415
  • Deutsch
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 490g
  • ISBN-13: 9783251004980
  • ISBN-10: 3251004980
  • Artikelnr.: 24759015
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2001

Wo Kinder Porsche heißen
Ein Ghetto-Roman der Hip-Hop-Sängerin Sister Souljah

"Wenn Weiße jeden Tag Schwarze töten, warum sollte es dann nicht mal 'ne Woche geben, in der Schwarze Weiße töten?" Mit diesem lapidaren Kommentar zu den Straßenschlachten in Los Angeles wurde Sister Souljah 1992 über Nacht zu einem Medienereignis. Der Satz fiel in einem Interview mit der Washington Post, das die schwarze Rapperin anläßlich ihrer Albumveröffentlichung "360 Degrees of Power" gab. Bill Clinton persönlich prangerte Sister Souljah daraufhin öffentlich an, zu Rassenhaß und Gewalt aufzurufen, was unweigerlich Talkshowauftritte, Einladungen zu Vorträgen und nicht zuletzt den reißenden Absatz des Albums nach sich zog.

Dann wurde es still um die Schwarzenrechtsaktivistin und Rapperin. Auch bei Sister Souljah scheint die lautstarke Wut, die Kennzeichen ihrer Musik war, inzwischen der leiseren Sorge gewichen zu sein. In einem Interview gestand sie jüngst, daß ihr vor allem das mangelnde Bewußtsein der jüngeren Generation Kopfzerbrechen bereite, die weder ihre Geschichte noch ihre Kultur kenne, noch nicht einmal die richtungweisenden Polit-Rapper von "Public Enemy", deren weibliche Stimme Souljah früher war. In deutscher Übersetzung liegt nun ihr Romandebüt "Der kälteste Winter aller Zeiten" vor.

Winter, die Protagonistin des Romans, gibt allen Anlaß zur Sorge. Sie ist schwarz, schön, Tochter des Drogenbarons Santiaga und lebt im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Sister Souljah - die sich selbst als Charakter in die Handlung einbaut - ist dagegen eine pummelige Bürgerrechtlerin, die sich in Sozialhilfeprogrammen engagiert. Anfangs kennt Winter Sister Souljah nur aus dem Radio. Für ihre Appelle zur Schwarzenemanzipation und Rückbesinnung auf afrikanische Ursprünge hat sie aber allein schon deswegen wenig übrig, weil sie ihr den "geilen Hip-Hop-Mix im Radio" vermasseln. Winters Lösungsvorschlag ist daher, ihr "einen Knochen durch die Nase zu stecken, und ein Stück Holz unter die Lippe, vielleicht fühlt sie sich dann wohl".

So vulgär und oberflächlich Winters Sprache daherkommt, so rosarot ist die Brille, durch die sie die Welt sieht. Denn ihren Wohlstand verdankt sie dem väterlichen Drogengeschäft. Mit einer Selbstverständlichkeit, an der Bret Easton Ellis seine Freude haben dürfte, überzieht sie ihre Umwelt mit einem Werteraster, in dem die Punkte nach Diamantkarat, Designerklamotten und Uhrenfabrikat vergeben werden. Gewalt und Crack scheinen Winter so natürlich wie anderen Teenagern aufgeschlagene Knie und Dosenbier.

Nun mag man einwenden, daß sich auch das Leben der weißen Mittelschicht längst nicht mehr zwischen fahrradfahrenden Teenagern und rasenmähenden Familienvätern abspielt. Der markante Unterschied besteht allerdings immer noch darin, daß sich Eltern wenigstens über konsumgeile Sprößlinge, Drogen und Gewalttätigkeit die Haare raufen und nicht - wie im Fall von Winters Schwestern - ihre Kinder von vornherein Mercedes, Porsche und Lexus nennen, selber Drogen verkaufen und ihre Fürsorge in Versace-Sling-Pumps äußern. Geld ist der einzige verbliebene Wert. Die Homogenität wird erst aufgebrochen, als das Drogenimperium zusammenbricht und Winter mit Sister Souljah zusammentrifft, die ihr rät, aus dem Teufelskreis von Luxus und Gewalt auszubrechen.

Wer nun allerdings mit einem Moralstück rechnet, sieht sich getäuscht. Denn auch der Leser ist an dieser Stelle bereits durch Winters schnoddrigen Erzählton geködert, mit dem sie durch eine Abenteuerwelt aus Ghetto und Glamour, Limousinen und Luxus führt. Wie Winter mag er sich fragen, ob er nicht lieber über den Hüftspeck von Sister Souljah oder das muffige Büro der Sozialarbeiterin mit Hochschulabschluß kichern will, als zu erleben, wie die Hauptfigur ihren Lebensunterhalt sauer verdient. Rechtschaffenheit ist wenig unterhaltsam. Die Stärke des Buches liegt darin, diese Crux ernst zu nehmen. Wie verführerisch nimmt sich nämlich die Vorstellung eines geordneten und einigermaßen selbstbestimmten Lebens dann aus, wenn man gewöhnt ist, von Reichtum und schönen Gangstern zu träumen?

Auch wenn Winters Sprache in der Übersetzung an manchen Stellen zu einem Esperanto deutscher Dialektformen verrutscht - wer sich noch an die mysteriöse Schattengestalt Reverend Bacon in Tom Wolfes "Fegefeuer der Eitelkeiten" erinnert, kann hier anknüpfen. Denn das Milieu der Ghettos war bei Wolfe zwar Trauma, aber nicht Lebenswelt der weißen Börsenmakler, Anwälte und Journalisten. Aus der Sicht des Ghettos stellt Sister Souljah nun mit einigem Raffinement die Frage nach den richtigen Spielregeln des "pursuit of happiness".

JULIA VOSS

Sister Souljah: "Der kälteste Winter aller Zeiten". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Juliane Zaubitzer. Haffmans Verlag, Zürich 2001. 416 S., geb., 39,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das Thema afroamerikanischer Schriftstellerinnen ist heute nicht mehr die Darstellung der Lage der Frauen, sondern schlicht die Powerfrau, behauptet Thomas Leuchtemüller. Dafür spricht auch, ist der Rezensent überzeugt, das Romandebüt von Sister Souljah, die 1964 in New York das Licht der Welt erblickte, mit bürgerlichem Namen eigentlich Lisa Williams heißt und bis 1991 zusammen mit der HipHop-Band "Public Enemy" auftrat. Ihre Protagonistin Winter Santiaga, Tochter eines Drogendealers, schlägt eine andere Karriere ein als die politisch engagierte Autorin. "Die verlogene Schöne", schreibt der Rezensent, wählt den Weg in die Kriminalität, für sie zählen Sex, Gewalt, Geld, Kleidung und Amusement. Souljah richte ihre Erzähltechnik dabei ganz auf Effekt heischende Darstellungsformen, etwa direkte Passagen über das Sexleben von Winter. Auch wenn der Ton belehrend wirke, treffe er trotzdem ein stimmiges, leider bedrückendes Bild der afroamerikanischen Gegenwart, findet Leuchtemüller.

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