Wie füllt man sein Leben, wenn die geplante Erfüllung ausbleibt?Ines und Daniel sind Mitte dreißig und leben seit anderthalb Jahren in Hamburg. Nicht irgendwo in Hamburg, sondern in einer der begehrten Immobilien der HafenCity - mit Blick zwar nicht aufs Meer, wovon Ines geträumt hat, doch immerhin auf den Fluss, der bald in die Nordsee mündet. Daniel ist Städteplaner bei einer Unternehmensberatung, Ines führt ihre eigene Weinhandlung in Uhlenhorst. Die Enge ihrer Pfälzer Herkunft haben sie hinter sich gelassen; die Großstadt fühlt sich noch nicht nach Zuhause an, liegt aber als Verheißung vor der Tür.Ines und Daniel lieben sich. Sie wünschen sich ein Kind. Als ihr Wunsch nicht so schnell in Erfüllung geht wie erhofft, zeigen sich, zunächst fast unmerklich, feine Risse in der Beziehung - und das Paar gerät in einen Strudel, dem sich keiner der beiden mehr entziehen kann.In atemlosen Erzählrhythmus und mit analytischer Brillanz kratzt der Autor an der glatten Oberfläche einer Ehe.Stück für Stück, schonungslos und behutsam zugleich, legt er die Psychologie hinter dem rücksichtsvollen Umgang zwischen den Liebenden frei. Stefan Mosters Roman ist auch das scharfsinnige Porträt einer rasant wachsenden Metropole, in der Erfolg und Schiffbruch, Tradition und Überdruss nahe beieinanderliegen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2011Mission Kind
Alles könnte so schön sein: Das ist eine beliebte Ausgangsposition für Dramen, denn der Teufel steckt im Konjunktiv. Es könnte, rein äußerlich betrachtet, denn man ist jung und gesund, das Viertel das richtige, die Wohnung architektonisch anspruchsvoll, der Partner geliebt, und im Beruf geht es auch nur nach oben. Zum Glücklichsein reicht das nur selten, wie wir alle wissen. Auch Ines und Daniel reicht es nicht, seit Ines ein Kind möchte. Die bisher eher zweckfreie Zweisamkeit des Paares hat nun eine Richtung bekommen, ein Ziel. Aber was, wenn sich die individuelle Biologie nicht mit den Lebensplänen vereinbaren lässt? Da verschärft sich das Drama, denn das Leben der beiden wird nun der Mission Kind unterworfen und zyklisch durchgetaktet: Spermaprobe, Befruchtung, Menstruation, und bei Misserfolg das Ganze noch mal von vorne. Das bietet Anlass zu Verzweiflung und zu unendlicher Peinlichkeit, die Autor Stefan Moster dankenswerterweise nicht auswalzt, sondern mit dezenter Komik behandelt. Eine Komik, die vor allem durch einen genauen Blick entsteht und eine präzise Sprache, die bis in die Dialoge hinein stimmt. Mit ebenso dezenter Komik nähert er sich der Lebenswelt urbaner Mittdreißiger, die es aus tiefster pfälzischer Provinz in die Stadt geschafft haben und nun glauben, es könne ihnen gar nichts mehr im Weg stehen. Schon gar nicht so etwas dumpf Animalisches wie Körperfunktionen. Doch ausgerechnet auf diesem Gebiet haben die stets konkurrierenden Kindheitsfreunde aus der Provinz die Nase vorn, was die Niederlage für das großstädtische Gewinnerteam gleich doppelt schmerzlich macht. Ihre Strategien, sich das Leben sinnvoll zu denken, bis die sorgsam geplante Erfüllung eintritt, hat etwas Verzweifeltes. Und wohin einen die Verzweiflung treiben kann, zu romantischen Fluchten und Lügen und Geheimnissen, das wissen wir ja. Ines und Daniel, diese durchrationalisierten Individuen, hätten nie von sich gedacht, dass sie zu solchen Verzweiflungstaten fähig wären. Wir schon. (Stefan Moster: "Lieben sich zwei". Roman. Mare Verlag, Hamburg 2011. 416 S., geb., 22,- [Euro].) dien.
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Alles könnte so schön sein: Das ist eine beliebte Ausgangsposition für Dramen, denn der Teufel steckt im Konjunktiv. Es könnte, rein äußerlich betrachtet, denn man ist jung und gesund, das Viertel das richtige, die Wohnung architektonisch anspruchsvoll, der Partner geliebt, und im Beruf geht es auch nur nach oben. Zum Glücklichsein reicht das nur selten, wie wir alle wissen. Auch Ines und Daniel reicht es nicht, seit Ines ein Kind möchte. Die bisher eher zweckfreie Zweisamkeit des Paares hat nun eine Richtung bekommen, ein Ziel. Aber was, wenn sich die individuelle Biologie nicht mit den Lebensplänen vereinbaren lässt? Da verschärft sich das Drama, denn das Leben der beiden wird nun der Mission Kind unterworfen und zyklisch durchgetaktet: Spermaprobe, Befruchtung, Menstruation, und bei Misserfolg das Ganze noch mal von vorne. Das bietet Anlass zu Verzweiflung und zu unendlicher Peinlichkeit, die Autor Stefan Moster dankenswerterweise nicht auswalzt, sondern mit dezenter Komik behandelt. Eine Komik, die vor allem durch einen genauen Blick entsteht und eine präzise Sprache, die bis in die Dialoge hinein stimmt. Mit ebenso dezenter Komik nähert er sich der Lebenswelt urbaner Mittdreißiger, die es aus tiefster pfälzischer Provinz in die Stadt geschafft haben und nun glauben, es könne ihnen gar nichts mehr im Weg stehen. Schon gar nicht so etwas dumpf Animalisches wie Körperfunktionen. Doch ausgerechnet auf diesem Gebiet haben die stets konkurrierenden Kindheitsfreunde aus der Provinz die Nase vorn, was die Niederlage für das großstädtische Gewinnerteam gleich doppelt schmerzlich macht. Ihre Strategien, sich das Leben sinnvoll zu denken, bis die sorgsam geplante Erfüllung eintritt, hat etwas Verzweifeltes. Und wohin einen die Verzweiflung treiben kann, zu romantischen Fluchten und Lügen und Geheimnissen, das wissen wir ja. Ines und Daniel, diese durchrationalisierten Individuen, hätten nie von sich gedacht, dass sie zu solchen Verzweiflungstaten fähig wären. Wir schon. (Stefan Moster: "Lieben sich zwei". Roman. Mare Verlag, Hamburg 2011. 416 S., geb., 22,- [Euro].) dien.
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