Ob du es glaubst oder nicht. Der Brenner ist wieder da. Ein Comeback, wie es noch keines gab.
Der Brenner, Expolizist und Exdetektiv, hat endlich einen guten Job gefunden. Noch nie im Leben hat er sich so wohlgefühlt. Aber es wäre nicht der Brenner, wenn es lange dauern würde, bis wieder was passiert. So sorgt eine Tafel Schokolade für eine Kettenreaktion, an deren Ende sieben Begräbnisse stehen.
Der Brenner, Expolizist und Exdetektiv, hat endlich einen guten Job gefunden. Noch nie im Leben hat er sich so wohlgefühlt. Aber es wäre nicht der Brenner, wenn es lange dauern würde, bis wieder was passiert. So sorgt eine Tafel Schokolade für eine Kettenreaktion, an deren Ende sieben Begräbnisse stehen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Etwas mehr selbstsicheres Schlafwandlertum hätte Wolf Haas bei seinem siebten Brenner-Krimi gut getan, meint Tobias Lehmkuhl, den der Roman zu sehr ans Reißbrett erinnert. Dabei kommt der neue Band für Lehmkuhl zunächst noch wie seine Vorgänger daher und die gefielen ihm recht gut: Schlaumeier als Erzähler, viele Leichen, philosophische Exkurse - das gibt es alles auch bei "Der Brenner und der liebe Gott". Nur, so Lehmkuhl, es wirkt im neuen Buch halt "alles ein bisschen müde und schlaff". Dabei will Lehmkuhl den neuen Wolf Haas eigentlich mögen. Doch selbst das Infrage stellen seiner eigenen Rezensionskriterien bringt ihn nicht davon ab, feststellen zu müssen, dass neben der generellen Spritzigkeit auch noch das Kolorit fehlt. Wien, Kitzbühel, die Figuren - alle blass gezeichnet. Rezensent Tobias Lehmkuhl hätte das Buch lieber nicht gelesen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2015Du, glückliches Österreich, morde
Inschpektor gibt's kaan! Mag Wolf Haas in einer eigenen Liga spielen, andere Autoren haben auch seltsame Ermittler. Und mit Abgründen kennen sich Autoren unseres Nachbarlandes seit jeher gut aus.
In Österreich gibt es zwar Polizeikommissariate, aber der Dienstgrad "Kommissar" existiert nicht. Spätestens seit der satirischen Fernsehserie "Kottan ermittelt" (Buch: Helmut Zenker, Regie: Peter Patzak; ausgestrahlt zwischen 1976 und 1983) dürfte das allgemein bekannt sein. Der titelgebende Serienheld, der Kriminalbeamte Adolf Kottan, bekleidete den Rang eines Majors. Schreibt jemand eine Geschichte, die in Österreich spielt und in welcher der Polizei auch irgendeine Rolle zugedacht ist, sollten diese Dienstgrade eventuell berücksichtigt werden. Zumindest die Leser könnten daraus Schlüsse ziehen, wie ernst es der Autor oder die in geringerer Zahl vertretene Autorin mit dem Sujet meint, ob und wie sorgfältig recherchiert wurde und Ähnliches. Über die Qualität sagt das freilich noch nicht viel aus.
Der Detektivroman mit einem Profi-Ermittler, egal ob "hardboiled" oder "Gentleman", ist in Österreich zwar auffallend unterrepräsentiert, viel häufiger sind Polizisten die Hauptfiguren der Kriminalgeschichten. Aber dann tauchen da so Typen wie "der Brenner", "der Lemming" oder "der Metzger" auf. Simon Brenner ist der Protagonist in mittlerweile acht Romanen von Wolf Haas. Eben erhielt der Autor für sein Gesamtwerk den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (F.A.Z. vom 7. Juli). Drei seiner Krimis, darunter gleich der erste Auftritt Brenners in "Auferstehung der Toten" von 1997, wurden mit dem Deutschen Krimi-Preis, wenn auch nur einmal mit dem ersten Platz ("Komm süßer Tod", 1999), ausgezeichnet.
Vier Bücher um den ehemaligen Polizeiinspektor, Sanitätswagenfahrer, Gelegenheitsprivatdetektiv und seit "Brennerova" (2014) Pensionisten wurden, jeweils mit Josef Hader in der Titelrolle, verfilmt, fünf Brenner-Krimis als Hörspiel inszeniert. Die Filme finden sich unter den fünfzehn erfolgreichsten Österreichs. Das im gesamten deutschen Sprachraum anhaltende Interesse konnte man am Anfang mit dem Reiz des Exotischen erklären. Simon Brenner wirkt nicht besonders sympathisch, gewiss nicht überragend intelligent, verfügt aber über Intuition und brutale Entschlossenheit. Haas lässt die Geschichten von einem auktorialen Erzähler kommentieren, der den Leser wiederholt direkt anspricht - "frage nicht!" In "Das ewige Leben" (in diesem Frühjahr in den Kinos) stirbt der Protagonist überraschend, nur um sechs Jahre später in "Der Brenner und der liebe Gott" unbeirrt weiterzumachen.
Der ebenfalls unangepasste Ermittler Leopold Wallisch, genannt "Lemming", wird, wie weiland Brenner, aus dem Polizeidienst gemobbt, forscht aber auch weiterhin Verbrechen und anderen Kleinigkeiten nach. Erst als Angestellter einer Detektivagentur, bald, karrieretechnisch immer weiter absteigend, eher zufällig und zuletzt in eigener Sache. Die Reihe um den Wiener Detektiv wider Willen begann 2004 mit "Der Fall des Lemming", der im folgenden Jahr mit dem Friedrich-Glauser-Preis für den besten Erstlingsroman geehrt wurde.
Nach lediglich vier Krimis versetzte Stefan Slupetzky, der auch Kinderbücher und Theaterstücke verfasst und als Illustrator tätig ist, seinen Wallisch derart in Rage, dass nach "Lemmings Zorn" (2009) eigentlich nichts mehr für diese Figur folgen kann. Slupetzky wechselt das Genre insofern, als sein bislang jüngstes Werk "Polivka hat einen Traum" von den unorthodoxen Nachforschungen eines Bezirksinspektors, also eines Polizeibeamten, handelt.
Mit einer Laufbahn bei der Polizei hat Willibald Adrian Metzger gar nichts am Hut. Der von Thomas Raab geschaffene Restaurator ist tatsächlich Hobbydetektiv und wird seit seiner ersten Mission in "Der Metzger muss nachsitzen" (2007) eher von den Verbrechen in seiner geliebten Arbeit gestört. Nach mittlerweile sechs Fällen und einer auf offenbar zu wenig Interesse gestoßenen und daher gestoppten Fernsehserie ist ungewiss, wann es mit ihm weitergeht. Aufgeben will Raab seine Lieblingsfigur aber keineswegs, wie er auch in einem Interview versicherte. Jedoch: "Die Metzger-Frequenz wird möglicherweise kein Jahresrhythmus mehr sein."
Raab ist wagemutig genug, innerhalb der einzelnen Bände mit Stil und Blickwechsel zu experimentieren. Während die Fälle von tristen Milieustudien bis zu kaltblütigen Komplotten ein breites Feld des Genres abdecken, trifft man sonst eher selten auf ganze Kapitel, die von Fischen in einem Aquarium, das sich allerdings an einem Tatort befindet, will sagen, zum Tatort wird, erzählt werden.
Ähnlich wie der Schwede Håkan Nesser, der seine Van-Veeteren-Krimis in einem fiktiven Skandinavien ansiedelt, legt sich auch Raab nicht auf geographisch genau Bestimmbares fest. Im südlichen deutschsprachigen Raum wohl, mit starken slawischen Einsprengseln, wenn man etwa an Metzgers Freundin Djurkovic denkt, aber ob Wien oder eventuell sogar München, bleibt in der Schwebe.
Da ist Martin Mucha schon sehr viel eindeutiger. Der gebürtige Grazer verbreitet über seinen Serienhelden, den kiffenden, teinabhängigen Philologen und Ich-Erzähler Arno Linder, eine Hassliebe zur österreichischen Hauptstadt, die ihresgleichen sucht. Dieser Tage erschien mit "Liebessiegel" der fünfte Band um Linder, der nun endlich eine Professorenstelle an der Universität Wien erlangt hat. Die etwas unsauberen Umstände, die dazu geführt haben, erfährt man aus dem Vorgängerroman. Mit der Polizei kriegt es der nie an Minderwertigkeitskomplexen leidende Linder meist als Verdächtiger zu tun, kommt aber immer und oft mit nicht nur einem sprichwörtlichen blauen Auge davon. Man liest die Reihe am besten als Satire.
Die Unterabteilung des historischen Krimis bedient seit "Die Naschmarktmorde" (2009) der Wiener Gerhard Loibelsberger, allerdings aus gleichsam amtlicher Sicht. Er lässt seinen Polizeiinspector Nechyba in der Hauptstadt der Donaumonarchie vor dem Ersten Weltkrieg nicht nur Gewaltverbrechen aufklären, sondern zeichnet mit diesem ebenfalls nicht völlig angepassten Beamten (böhmische Wurzeln, kocht leidenschaftlich - Loibelsberger verfasst nebenbei Gourmetführer und Kochbücher) auch ein gut recherchiertes Bild der damaligen tristen gesellschaftlichen Verhältnisse.
Aber, pass auf, weil: interessant! Bisher begegneten wir in diesem Österreich-Rundblick nur Männern, sowohl bei den Autoren als auch bei den Ermittlern. Dorothea Zanon, verantwortlich für Lektorat und Programm des Innsbrucker Haymon Verlages, relativiert: "Es gibt - generell - weniger Autorinnen als Autoren. Das mag auch damit zu tun haben, dass ein Schriftstellerleben auf Dauer durchzuhalten schwierig ist. Dieser Beruf ist, wenn er ernst genommen wird, mit einem Familienleben schwer bis kaum zu vereinbaren." Bleibt unausgesprochen, dass die Hauptlast zumindest eines traditionellen Familienlebens nach wie vor von der Frau getragen wird.
Dem entspricht auch, so Zanon weiter, "dass es neuerdings zwar mehr Neueinsteigerinnen gibt, aber wesentlich weniger arrivierte Krimiautorinnen". Sie hat da einen guten Überblick, landen doch wöchentlich bis zu zwei Dutzend Manuskripte, darunter "natürlich auch zahlreiche Kriminalromane", hoffnungsvoller Jungautorinnen und -autoren auf den Schreibtischen im Lektorat. Immerhin verweist sie darauf, dass gerade bei Haymon mit Edith Kneifl die erste Friedrich-Glauser-Preisträgerin (1992 für "Zwischen zwei Nächten", Milena Verlag 1991) unter Vertrag steht. Kneifls Produktivität ist beinahe erschreckend: kaum ein Jahr seither ohne Kriminalroman oder zumindest mehrere Kurzgeschichten.
Mit Alfred Komarek und seiner Reihe um den spröden Gendarmerieinspektor Simon Polt, die im niederösterreichischen Waldviertel an der tschechischen Grenze spielt, ist Haymon das Stammhaus des Regionalkrimis, Komarek wohl dessen erster und wichtigster Erzähler. Seine meist bedrückenden, wenig kriminalistischen, aber stark an den Menschen interessierten Geschichten bedienen kein für die Tourismuswirtschaft verwertbares Klischee. In der Fülle der zahlreichen Salzburger-Festspiel-, Narzissenfest- oder sonstigen ländlichen Brauchtumsmordberichte sucht man nach einer würdigen Polt-Nachfolge bislang vergeblich.
MARTIN LHOTZKY
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Inschpektor gibt's kaan! Mag Wolf Haas in einer eigenen Liga spielen, andere Autoren haben auch seltsame Ermittler. Und mit Abgründen kennen sich Autoren unseres Nachbarlandes seit jeher gut aus.
In Österreich gibt es zwar Polizeikommissariate, aber der Dienstgrad "Kommissar" existiert nicht. Spätestens seit der satirischen Fernsehserie "Kottan ermittelt" (Buch: Helmut Zenker, Regie: Peter Patzak; ausgestrahlt zwischen 1976 und 1983) dürfte das allgemein bekannt sein. Der titelgebende Serienheld, der Kriminalbeamte Adolf Kottan, bekleidete den Rang eines Majors. Schreibt jemand eine Geschichte, die in Österreich spielt und in welcher der Polizei auch irgendeine Rolle zugedacht ist, sollten diese Dienstgrade eventuell berücksichtigt werden. Zumindest die Leser könnten daraus Schlüsse ziehen, wie ernst es der Autor oder die in geringerer Zahl vertretene Autorin mit dem Sujet meint, ob und wie sorgfältig recherchiert wurde und Ähnliches. Über die Qualität sagt das freilich noch nicht viel aus.
Der Detektivroman mit einem Profi-Ermittler, egal ob "hardboiled" oder "Gentleman", ist in Österreich zwar auffallend unterrepräsentiert, viel häufiger sind Polizisten die Hauptfiguren der Kriminalgeschichten. Aber dann tauchen da so Typen wie "der Brenner", "der Lemming" oder "der Metzger" auf. Simon Brenner ist der Protagonist in mittlerweile acht Romanen von Wolf Haas. Eben erhielt der Autor für sein Gesamtwerk den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (F.A.Z. vom 7. Juli). Drei seiner Krimis, darunter gleich der erste Auftritt Brenners in "Auferstehung der Toten" von 1997, wurden mit dem Deutschen Krimi-Preis, wenn auch nur einmal mit dem ersten Platz ("Komm süßer Tod", 1999), ausgezeichnet.
Vier Bücher um den ehemaligen Polizeiinspektor, Sanitätswagenfahrer, Gelegenheitsprivatdetektiv und seit "Brennerova" (2014) Pensionisten wurden, jeweils mit Josef Hader in der Titelrolle, verfilmt, fünf Brenner-Krimis als Hörspiel inszeniert. Die Filme finden sich unter den fünfzehn erfolgreichsten Österreichs. Das im gesamten deutschen Sprachraum anhaltende Interesse konnte man am Anfang mit dem Reiz des Exotischen erklären. Simon Brenner wirkt nicht besonders sympathisch, gewiss nicht überragend intelligent, verfügt aber über Intuition und brutale Entschlossenheit. Haas lässt die Geschichten von einem auktorialen Erzähler kommentieren, der den Leser wiederholt direkt anspricht - "frage nicht!" In "Das ewige Leben" (in diesem Frühjahr in den Kinos) stirbt der Protagonist überraschend, nur um sechs Jahre später in "Der Brenner und der liebe Gott" unbeirrt weiterzumachen.
Der ebenfalls unangepasste Ermittler Leopold Wallisch, genannt "Lemming", wird, wie weiland Brenner, aus dem Polizeidienst gemobbt, forscht aber auch weiterhin Verbrechen und anderen Kleinigkeiten nach. Erst als Angestellter einer Detektivagentur, bald, karrieretechnisch immer weiter absteigend, eher zufällig und zuletzt in eigener Sache. Die Reihe um den Wiener Detektiv wider Willen begann 2004 mit "Der Fall des Lemming", der im folgenden Jahr mit dem Friedrich-Glauser-Preis für den besten Erstlingsroman geehrt wurde.
Nach lediglich vier Krimis versetzte Stefan Slupetzky, der auch Kinderbücher und Theaterstücke verfasst und als Illustrator tätig ist, seinen Wallisch derart in Rage, dass nach "Lemmings Zorn" (2009) eigentlich nichts mehr für diese Figur folgen kann. Slupetzky wechselt das Genre insofern, als sein bislang jüngstes Werk "Polivka hat einen Traum" von den unorthodoxen Nachforschungen eines Bezirksinspektors, also eines Polizeibeamten, handelt.
Mit einer Laufbahn bei der Polizei hat Willibald Adrian Metzger gar nichts am Hut. Der von Thomas Raab geschaffene Restaurator ist tatsächlich Hobbydetektiv und wird seit seiner ersten Mission in "Der Metzger muss nachsitzen" (2007) eher von den Verbrechen in seiner geliebten Arbeit gestört. Nach mittlerweile sechs Fällen und einer auf offenbar zu wenig Interesse gestoßenen und daher gestoppten Fernsehserie ist ungewiss, wann es mit ihm weitergeht. Aufgeben will Raab seine Lieblingsfigur aber keineswegs, wie er auch in einem Interview versicherte. Jedoch: "Die Metzger-Frequenz wird möglicherweise kein Jahresrhythmus mehr sein."
Raab ist wagemutig genug, innerhalb der einzelnen Bände mit Stil und Blickwechsel zu experimentieren. Während die Fälle von tristen Milieustudien bis zu kaltblütigen Komplotten ein breites Feld des Genres abdecken, trifft man sonst eher selten auf ganze Kapitel, die von Fischen in einem Aquarium, das sich allerdings an einem Tatort befindet, will sagen, zum Tatort wird, erzählt werden.
Ähnlich wie der Schwede Håkan Nesser, der seine Van-Veeteren-Krimis in einem fiktiven Skandinavien ansiedelt, legt sich auch Raab nicht auf geographisch genau Bestimmbares fest. Im südlichen deutschsprachigen Raum wohl, mit starken slawischen Einsprengseln, wenn man etwa an Metzgers Freundin Djurkovic denkt, aber ob Wien oder eventuell sogar München, bleibt in der Schwebe.
Da ist Martin Mucha schon sehr viel eindeutiger. Der gebürtige Grazer verbreitet über seinen Serienhelden, den kiffenden, teinabhängigen Philologen und Ich-Erzähler Arno Linder, eine Hassliebe zur österreichischen Hauptstadt, die ihresgleichen sucht. Dieser Tage erschien mit "Liebessiegel" der fünfte Band um Linder, der nun endlich eine Professorenstelle an der Universität Wien erlangt hat. Die etwas unsauberen Umstände, die dazu geführt haben, erfährt man aus dem Vorgängerroman. Mit der Polizei kriegt es der nie an Minderwertigkeitskomplexen leidende Linder meist als Verdächtiger zu tun, kommt aber immer und oft mit nicht nur einem sprichwörtlichen blauen Auge davon. Man liest die Reihe am besten als Satire.
Die Unterabteilung des historischen Krimis bedient seit "Die Naschmarktmorde" (2009) der Wiener Gerhard Loibelsberger, allerdings aus gleichsam amtlicher Sicht. Er lässt seinen Polizeiinspector Nechyba in der Hauptstadt der Donaumonarchie vor dem Ersten Weltkrieg nicht nur Gewaltverbrechen aufklären, sondern zeichnet mit diesem ebenfalls nicht völlig angepassten Beamten (böhmische Wurzeln, kocht leidenschaftlich - Loibelsberger verfasst nebenbei Gourmetführer und Kochbücher) auch ein gut recherchiertes Bild der damaligen tristen gesellschaftlichen Verhältnisse.
Aber, pass auf, weil: interessant! Bisher begegneten wir in diesem Österreich-Rundblick nur Männern, sowohl bei den Autoren als auch bei den Ermittlern. Dorothea Zanon, verantwortlich für Lektorat und Programm des Innsbrucker Haymon Verlages, relativiert: "Es gibt - generell - weniger Autorinnen als Autoren. Das mag auch damit zu tun haben, dass ein Schriftstellerleben auf Dauer durchzuhalten schwierig ist. Dieser Beruf ist, wenn er ernst genommen wird, mit einem Familienleben schwer bis kaum zu vereinbaren." Bleibt unausgesprochen, dass die Hauptlast zumindest eines traditionellen Familienlebens nach wie vor von der Frau getragen wird.
Dem entspricht auch, so Zanon weiter, "dass es neuerdings zwar mehr Neueinsteigerinnen gibt, aber wesentlich weniger arrivierte Krimiautorinnen". Sie hat da einen guten Überblick, landen doch wöchentlich bis zu zwei Dutzend Manuskripte, darunter "natürlich auch zahlreiche Kriminalromane", hoffnungsvoller Jungautorinnen und -autoren auf den Schreibtischen im Lektorat. Immerhin verweist sie darauf, dass gerade bei Haymon mit Edith Kneifl die erste Friedrich-Glauser-Preisträgerin (1992 für "Zwischen zwei Nächten", Milena Verlag 1991) unter Vertrag steht. Kneifls Produktivität ist beinahe erschreckend: kaum ein Jahr seither ohne Kriminalroman oder zumindest mehrere Kurzgeschichten.
Mit Alfred Komarek und seiner Reihe um den spröden Gendarmerieinspektor Simon Polt, die im niederösterreichischen Waldviertel an der tschechischen Grenze spielt, ist Haymon das Stammhaus des Regionalkrimis, Komarek wohl dessen erster und wichtigster Erzähler. Seine meist bedrückenden, wenig kriminalistischen, aber stark an den Menschen interessierten Geschichten bedienen kein für die Tourismuswirtschaft verwertbares Klischee. In der Fülle der zahlreichen Salzburger-Festspiel-, Narzissenfest- oder sonstigen ländlichen Brauchtumsmordberichte sucht man nach einer würdigen Polt-Nachfolge bislang vergeblich.
MARTIN LHOTZKY
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2009Der liebe Gott schaut sich das alles nur mit einem Lächeln an
Und plötzlich ist die Tochter des Chefs verschwunden: Ein neuer Krimi von Wolf Haas
Alles scheint beim Alten geblieben zu sein: Der neunmalkluge Erzähler, der im letzten Band eigentlich das Zeitliche gesegnet hatte, sein Hang, die Widrigkeiten der menschlichen Psyche philosophisch zu durchleuchten, sein „aber interessant”, „frage nicht” und „jetzt pass auf”. Auch eine Menge Leichen gibt es wieder, sieben an der Zahl. Für die hundert Millionen Euro, um die es geht, bemerkt der Erzähler allerdings ganz richtig, „hat es auf der Welt schon viel mehr Tote gegeben, das ist sogar rein rechnerisch schon auf der humanen Seite”.
Simon Brenner, der Brenner selbst, ist im neuen Krimi von Wolf Haas natürlich auch wieder mit von der Partie. Hat diesmal einen Job als Chauffeur und ist zufrieden damit. Was auch ein wenig an den Tabletten liegt, die er neuerdings schluckt, die lassen ihn die Welt endlich mal etwas rosiger sehen. Bis wieder etwas passiert, bis ihm Helena nämlich aus dem Auto weg entführt wird, die Tochter seines Arbeitgebers, des „Baulöwen” Kressdorf. Kurz nur hatte Brenner an der Tankstelle gehalten, einen Espresso getrunken und ja, vielleicht etwas zu lange überlegt, welche Tafel Schokolade er der kleinen Helena da hinten in der Limousine mitbringen soll. Da ist sie plötzlich weg. Und des Brenners Seelenruhe auch dahin.
Der Leser allerdings wird nicht aus der Bahn geworfen. Gemächlich trägt ihn der Erzählstrom voran, echte Überraschungen hält die Geschichte kaum für ihn bereit. Es geht um ein Bauprojekt am Prater, eine Abtreibungsklinik, und auch eine schöne Frau tritt auf, eine, die sich von Brenners Sprüchen nicht beeindrucken lässt, aber trotzdem mit ihm ins Bett geht.
Hin und wieder reizt „Der Brenner und der liebe Gott”, der inzwischen siebte Fall der Wolf Haas’schen Krimireihe, durchaus zum Lachen. Von einer blonden Moderatorin ist da etwa die Rede, deren Stimme so klingt, „als hätte ihr der Schönheitschirurg beim letzten Versuch aus Versehen die Stimmbänder hinter die Ohren genagelt”. Über derlei Sprüche aber kommt Haas dieses Mal kaum hinaus. Gelang es ihm in den vorangegangenen Romanen, Pointen über Seiten hinweg zu entwickeln und irrwitzige motivische Querverbindungen zu schaffen, so wirkt in der „Der Brenner und der liebe Gott” alles ein bisschen müde und schlaff.
Wenn Gedanken im Weg stehen
Leicht ist man geneigt, einen Krimi mit seinen Vorgängern zu vergleichen, und häufig sind solche Vergleiche nicht unbedingt gerecht. Ein guter Krimi wirkt da schnell schlechter, als er es eigentlich ist. So mag der Eindruck falsch sein, dass Haas diesmal weniger liebevoll, ja fast lustlos zu Werke gegangen ist. Eines aber ist sicher: Diesem Roman fehlt das Zentrum. Er hat, ganz wörtlich, keinen ihm eigenen Ort. War es in „Silentium” etwa das katholische Marianum, in dem man sich gleich wie zu Hause fühlte, in „Der Knochenmann” die Grillstation Löschenkohl mit ihrer Zerkleinerungsmaschine, und in „Komm, süßer Tod” die kleine Welt der Krankenwagenwache, so bilden in diesem Fall ein recht gesichtsloses Wien und das völlig gesichtslose Kitzbühel die zentralen, jedoch austauschbaren Orte. „Der Brenner und der liebe Gott” könnte, leider, überall spielen.
Auch dem eigentlichen Fall fehlt die Würze. Die Figurenzeichnung bleibt überdies ziemlich matt. Und nicht zuletzt der Titel verspricht zu viel, denn „der liebe Gott hat sich das alles nur mit einem Lächeln angeschaut, weil freier Wille”. Mit dem Fall hat der Allmächtige nichts zu tun. Wie anders war es da im Brenner-Debüt „Auferstehung der Toten”, wo der Schlüssel für den Fall schon im Titel lag! Diesmal allerdings taugt nicht einmal das Lied etwas, das den Brenner sonst immer durch seine Fälle begleitet. Es wird überhaupt nur eins erwähnt, weil ein Lied eben als notwendige Zutat eines Brenner-Krimi empfunden wird.
Es scheint, als habe der Autor selbst diesmal nicht auf jenes Mittel vertraut, das seinen Detektiv bisher immer sicher zum Ziel geleitet hat, jene schlafwandlerische Vorgehensweise: „Weil genau so wie das zu helle Licht für die Augen schädlich ist, ist auch das zu wache Hirn gar nicht gut für die Gedanken. Und in Wahrheit ist ein Halbschlafender einem Wachen immer haushoch überlegen, gar keine Diskussion. Dem Wachen stehen ja beim Denken viel zu viele Gedanken im Weg herum, dem Schlafenden aber flüstert es der liebe Gott direkt ins Hirn.” Statt zu schlafen also hat Haas sich hingesetzt und einen Krimi vom Reißbrett geschrieben. Eine Überraschung, auf die man gerne verzichtet hätte. TOBIAS LEHMKUHL
WOLF HAAS: Der Brenner und der liebe Gott. Roman. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009. 224 S., 18,99 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Und plötzlich ist die Tochter des Chefs verschwunden: Ein neuer Krimi von Wolf Haas
Alles scheint beim Alten geblieben zu sein: Der neunmalkluge Erzähler, der im letzten Band eigentlich das Zeitliche gesegnet hatte, sein Hang, die Widrigkeiten der menschlichen Psyche philosophisch zu durchleuchten, sein „aber interessant”, „frage nicht” und „jetzt pass auf”. Auch eine Menge Leichen gibt es wieder, sieben an der Zahl. Für die hundert Millionen Euro, um die es geht, bemerkt der Erzähler allerdings ganz richtig, „hat es auf der Welt schon viel mehr Tote gegeben, das ist sogar rein rechnerisch schon auf der humanen Seite”.
Simon Brenner, der Brenner selbst, ist im neuen Krimi von Wolf Haas natürlich auch wieder mit von der Partie. Hat diesmal einen Job als Chauffeur und ist zufrieden damit. Was auch ein wenig an den Tabletten liegt, die er neuerdings schluckt, die lassen ihn die Welt endlich mal etwas rosiger sehen. Bis wieder etwas passiert, bis ihm Helena nämlich aus dem Auto weg entführt wird, die Tochter seines Arbeitgebers, des „Baulöwen” Kressdorf. Kurz nur hatte Brenner an der Tankstelle gehalten, einen Espresso getrunken und ja, vielleicht etwas zu lange überlegt, welche Tafel Schokolade er der kleinen Helena da hinten in der Limousine mitbringen soll. Da ist sie plötzlich weg. Und des Brenners Seelenruhe auch dahin.
Der Leser allerdings wird nicht aus der Bahn geworfen. Gemächlich trägt ihn der Erzählstrom voran, echte Überraschungen hält die Geschichte kaum für ihn bereit. Es geht um ein Bauprojekt am Prater, eine Abtreibungsklinik, und auch eine schöne Frau tritt auf, eine, die sich von Brenners Sprüchen nicht beeindrucken lässt, aber trotzdem mit ihm ins Bett geht.
Hin und wieder reizt „Der Brenner und der liebe Gott”, der inzwischen siebte Fall der Wolf Haas’schen Krimireihe, durchaus zum Lachen. Von einer blonden Moderatorin ist da etwa die Rede, deren Stimme so klingt, „als hätte ihr der Schönheitschirurg beim letzten Versuch aus Versehen die Stimmbänder hinter die Ohren genagelt”. Über derlei Sprüche aber kommt Haas dieses Mal kaum hinaus. Gelang es ihm in den vorangegangenen Romanen, Pointen über Seiten hinweg zu entwickeln und irrwitzige motivische Querverbindungen zu schaffen, so wirkt in der „Der Brenner und der liebe Gott” alles ein bisschen müde und schlaff.
Wenn Gedanken im Weg stehen
Leicht ist man geneigt, einen Krimi mit seinen Vorgängern zu vergleichen, und häufig sind solche Vergleiche nicht unbedingt gerecht. Ein guter Krimi wirkt da schnell schlechter, als er es eigentlich ist. So mag der Eindruck falsch sein, dass Haas diesmal weniger liebevoll, ja fast lustlos zu Werke gegangen ist. Eines aber ist sicher: Diesem Roman fehlt das Zentrum. Er hat, ganz wörtlich, keinen ihm eigenen Ort. War es in „Silentium” etwa das katholische Marianum, in dem man sich gleich wie zu Hause fühlte, in „Der Knochenmann” die Grillstation Löschenkohl mit ihrer Zerkleinerungsmaschine, und in „Komm, süßer Tod” die kleine Welt der Krankenwagenwache, so bilden in diesem Fall ein recht gesichtsloses Wien und das völlig gesichtslose Kitzbühel die zentralen, jedoch austauschbaren Orte. „Der Brenner und der liebe Gott” könnte, leider, überall spielen.
Auch dem eigentlichen Fall fehlt die Würze. Die Figurenzeichnung bleibt überdies ziemlich matt. Und nicht zuletzt der Titel verspricht zu viel, denn „der liebe Gott hat sich das alles nur mit einem Lächeln angeschaut, weil freier Wille”. Mit dem Fall hat der Allmächtige nichts zu tun. Wie anders war es da im Brenner-Debüt „Auferstehung der Toten”, wo der Schlüssel für den Fall schon im Titel lag! Diesmal allerdings taugt nicht einmal das Lied etwas, das den Brenner sonst immer durch seine Fälle begleitet. Es wird überhaupt nur eins erwähnt, weil ein Lied eben als notwendige Zutat eines Brenner-Krimi empfunden wird.
Es scheint, als habe der Autor selbst diesmal nicht auf jenes Mittel vertraut, das seinen Detektiv bisher immer sicher zum Ziel geleitet hat, jene schlafwandlerische Vorgehensweise: „Weil genau so wie das zu helle Licht für die Augen schädlich ist, ist auch das zu wache Hirn gar nicht gut für die Gedanken. Und in Wahrheit ist ein Halbschlafender einem Wachen immer haushoch überlegen, gar keine Diskussion. Dem Wachen stehen ja beim Denken viel zu viele Gedanken im Weg herum, dem Schlafenden aber flüstert es der liebe Gott direkt ins Hirn.” Statt zu schlafen also hat Haas sich hingesetzt und einen Krimi vom Reißbrett geschrieben. Eine Überraschung, auf die man gerne verzichtet hätte. TOBIAS LEHMKUHL
WOLF HAAS: Der Brenner und der liebe Gott. Roman. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2009. 224 S., 18,99 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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