Schallück ist lange genug Schauspieler, er kennt alle Regeln und Rollen, mit denen das Leben sich in Szene setzt. Deshalb durchschaut der in die Jahre gekommene Held der neuen Erzählung von Tankred Dorst das Spiel, als nach einer Aufführung eine Frau in seinem Alter in seine Kabine kommt, um ein Autogramm für ihre 15jährige Tochter zu erbitten. Doch dann begegnet er der Tochter - und seine resignative Abgeklärtheit gegenüber jeder neuen Erfahrung zerrinnt.Und so beginnt Dorsts leichtsinnige und schwergewichtige Erzählung über das Glück und die die Suche nach dessen Dauer: Denn diese Laura ist eine doppelgesichtige Erscheinung: Sie vermittelt einerseits das Gefühl, mit ihr könne das Leben wieder ganz von vorne anfangen, andererseits nutzt sie diese Aufbruchsgefühle, um ihre Interessen durchzusetzen. Bis nach Bali reisen Mutter, Tochter und Schauspieler - nur um zu erkennen, daß Glück in der Tat eine vorübergehende Schwäche ist. Das heißt in Tankred Dorsts hintersinniger Erzählung über die großen Themen des Lebens zugleich: Keiner kann sich wappnen gegen das Überraschende und Neue - weshalb das Glück zwar stetes begrenzt, aber jederzeit wieder versucht werden kann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.10.2009Simuliertes Glück
Nach der hundertsechzehnten Vorstellung von "Pygmalion" ist der Hauptdarsteller, die Hauptfigur der neuen Erzählung von Tankred Dorst, ausgebrannt. Ausgebrannt scheint aber auch der erfolgreiche Dramatiker und Autor selbst. Ein paar routinierte Dialoge hat er noch parat. Doch die verworrene Lolita-Affäre auf Bali weckt weder Mitgefühl mit der Fünfzehnjährigen noch mit dem alternden Schauspieler. Laura, der bockige, unberechenbare Teenager, ist einfach nicht interessant, und die Reise zu dritt - die schöne Mutter des Kindes ist auch dabei - bleibt bis zuletzt unglaubwürdig wie der verklemmte Liebhaber. Glück soll ein vorübergehender Schwächezustand sein? Dorst ist es überhaupt nicht gelungen, das Glück zu beschreiben. Dämonen und Balis böse Geister haben ihn offenbar gelähmt. Erstaunlich für einen so großartigen und vielseitigen Schriftsteller, den wir weiterhin bewundern. (Tankred Dorst: "Glück ist ein vorübergehender Schwächezustand". Erzählung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 160 S., geb., 19,80 [Euro].) m.f.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nach der hundertsechzehnten Vorstellung von "Pygmalion" ist der Hauptdarsteller, die Hauptfigur der neuen Erzählung von Tankred Dorst, ausgebrannt. Ausgebrannt scheint aber auch der erfolgreiche Dramatiker und Autor selbst. Ein paar routinierte Dialoge hat er noch parat. Doch die verworrene Lolita-Affäre auf Bali weckt weder Mitgefühl mit der Fünfzehnjährigen noch mit dem alternden Schauspieler. Laura, der bockige, unberechenbare Teenager, ist einfach nicht interessant, und die Reise zu dritt - die schöne Mutter des Kindes ist auch dabei - bleibt bis zuletzt unglaubwürdig wie der verklemmte Liebhaber. Glück soll ein vorübergehender Schwächezustand sein? Dorst ist es überhaupt nicht gelungen, das Glück zu beschreiben. Dämonen und Balis böse Geister haben ihn offenbar gelähmt. Erstaunlich für einen so großartigen und vielseitigen Schriftsteller, den wir weiterhin bewundern. (Tankred Dorst: "Glück ist ein vorübergehender Schwächezustand". Erzählung. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2009. 160 S., geb., 19,80 [Euro].) m.f.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Mit gemischten Gefühlen nimmt Rezensentin Ariane Breyer das neue Buch von Tankred Dorst auf, das sie als Buch über die Möglichkeiten eines glücklichen Lebens aber auch als eine Art "Gralsgeschichte" gelesen hat. Allerdings findet sie bei aller Freude, die sie an mancher Gedankenkonstruktion zur Frage hat, dass der Text bald im Strudel der Selbstreflexion untergeht, seine Figuren als theoretische und literarhistorische Konstrukte leer bleiben. Plastisch wird für sie lediglich die Seelenlandschaft des Schauspielers Schallück, besonders am Schluss, wenn der Held dieser Geschichte von seinem Autor mit pathetischer Geste auf Höllenfahrt geschickt wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH