»Lasst ihn doch gehen.«
Die junge Ky, Tochter vietnamesischer Einwanderer, empfindet bittere Reue, ihren Eltern diesen Satz gesagt zu haben. Nun ist ihr Bruder Denny tot, vor aller Augen ermordet auf der Feier seines erfolgreichen Schulabschlusses. Und nach Jahren kehrt Ky nach Cabramatta zurück, einem Einwanderervorort von Sydney, wo ihre Eltern noch immer leben. Mit ihnen will sie trauern, aber sie möchte auch Antworten auf ihre Fragen: Warum schweigen alle Augenzeugen? Warum hat sich nie jemand ernsthaft um die Aufklärung dieser Tat bemüht? Und warum hat sie selbst die Augen verschlossen vor dem Rassismus und den Ungerechtigkeiten, denen sie ausgesetzt war?
Ein Drama von großer emotionaler Wucht, getragen von unvergesslichen Figuren.
»Schmerzvoll und voller Schönheit.« Julia Phillips
Die junge Ky, Tochter vietnamesischer Einwanderer, empfindet bittere Reue, ihren Eltern diesen Satz gesagt zu haben. Nun ist ihr Bruder Denny tot, vor aller Augen ermordet auf der Feier seines erfolgreichen Schulabschlusses. Und nach Jahren kehrt Ky nach Cabramatta zurück, einem Einwanderervorort von Sydney, wo ihre Eltern noch immer leben. Mit ihnen will sie trauern, aber sie möchte auch Antworten auf ihre Fragen: Warum schweigen alle Augenzeugen? Warum hat sich nie jemand ernsthaft um die Aufklärung dieser Tat bemüht? Und warum hat sie selbst die Augen verschlossen vor dem Rassismus und den Ungerechtigkeiten, denen sie ausgesetzt war?
Ein Drama von großer emotionaler Wucht, getragen von unvergesslichen Figuren.
»Schmerzvoll und voller Schönheit.« Julia Phillips
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Interessiert liest Rezensentin Maria Wiesner den Debütroman der australischen Schriftstellerin Tracey Lien. Die Handlung spielt in Sydneys Stadtteil Cabramatta, der für die vielen dort ansässigen vietnamesischen Einwanderer bekannt ist - wie auch für die Drogenprobleme und Bandenkriege, so Wiesner. Hier ereignet sich ein Mord, die Polizei will aber nicht ermitteln: Das ruft die Schwester des Opfers auf den Plan, die Journalistin Ky, die sich auf Spurensuche begibt und den elenden Alltag der Menschen im Viertel erlebt, resümiert die Rezensentin. Die Autorin erzählt multiperspektivisch, was ihr mit Ausnahmen auch sehr gut gelingt, wie Wiesner findet. Am Ende laufen alle Erzählstränge bei Ky zusammen in diesem, durchaus gelungenen, Roman, schließt die Kritikerin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Aufwühlendes Drama um Rassismus, Migration und Traumata.« TV Star 20230712
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2023Wenn alle schweigen
Tracey Lien blickt in ihrem Debütroman auf Sydneys Drogenviertel
In Cabramatta gibt es zwei Arten von Toden: die guten und die schlechten. "Wenn eine Familie einen 'guten' Tod zu beklagen hatte, - einen, der alte Menschen traf, einen auf den jeder vorbereitet war -, kamen die Asiaten praktisch mit der ganzen Verwandtschaft und überreichten Umschläge voll mit Geld", weiß die Journalistin Ky Tran, die in diesem Stadtteil von Sydney aufgewachsen ist, in dem sich in den Achtzigerjahren vor allem Vietnamesen niederließen. Und sie weiß auch, dass der Tod ihres Bruders Denny kein guter war.
Niemand kommt zur Beerdigung, niemand bringt Umschläge vorbei. Nur drei Lehrer ihres Bruders stehen etwas verloren im Wohnzimmer der Familie Tran und stochern im Essen, das ihre Mutter die halbe Nacht lang gedämpft und gekocht hat. Das Schweigen im Raum rührt nicht von Trauer her, Ky muss schnell feststellen, dass sich niemand zum Tod ihres Bruders äußern will. Denny hatte seinen erfolgreichen Schulabschluss gefeiert, war dafür mit Freunden in ein Restaurant gefahren und kam dort zu Tode. Doch wie genau ist das geschehen - und warum eigentlich?
Die Eltern stehen unter Schock, der Vater zieht sich ins Jugendzimmer des toten Sohns zurück, die Mutter widmet sich dem Jenseits, bringt täglich im Buddha-Tempel Opfergaben für den Sohn dar. Und Ky will die Sache nicht auf sich beruhen lassen, auch wenn das einen Konflikt mit ihren Eltern heraufbeschwört.
Die Journalistin begibt sich selbst auf Spurensuche, immerhin ist sie hier aufgewachsen, kennt das Viertel und seine Bewohner, spricht ihre Sprache. Dass sie hier sofort wieder in die Rolle der Einwanderertochter zurückfällt, merkt sie schon beim ersten Besuch auf dem Polizeirevier. Sie will eine Auskunft über den Ermittlungsstand und findet sich als Übersetzerin für eine Vielzahl vietnamesischer Mütter und Tanten wieder, die verhaftete Minderjährige abholen wollen. Die Jungen habe man alle wegen Drogenbesitzes festgenommen, erklärt ihr ein Polizist und deutet dann an, dass man auch bei ihrem Bruder in eine ähnliche Richtung ermittle. Hatte er mit den Banden im Viertel zu tun? War er abhängig? Hatte er womöglich gedealt? Ky beginnt daran zu zweifeln, wie gut sie ihren Bruder wirklich kannte.
Cabramatta war über Jahre das Viertel mit der höchsten Kriminalitätsrate in Sydney. Banden lieferten sich Revierkämpfe, Menschen starben an einer Überdosis, Schüler ließen sich vom schnellen Geld gelockt von den Gangs anheuern. Der Stadtteil bot viele Gefahren und wenig Zukunftsperspektiven. Die gebürtige Australierin Tracey Lien legt ihr Romandebüt "All die ungesagten Dinge" nun genau in jenem Vorort Sydneys an, in dem sie selbst aufgewachsen ist. Sie schickt ihre Journalistenermittlerin Ky dabei durch alle Milieus, beleuchtet die asiatische Community aus unterschiedlichsten Blickwinkeln.
Dafür wechselt sie immer wieder die Erzählperspektive. Als roter Faden dienen ihr die Forschungen Kys, jedes zweite Kapitel aber nimmt eine weitere Person in den Blick. Mal schreibt so ein kleines vietnamesisches Mädchen aus der Ich-Perspektive über seine Schulerlebnisse, mal erinnert sich eine Lehrerin nach dem Treffen mit Ky daran zurück, wie sie die junge Frau als Heranwachsende erlebte, nämlich immer unter Erfolgsdruck, immer hart gegen sich selbst im Versuch, die perfekte Tochter zu sein. Ein anderes Kapitel folgt einer drogenabhängigen Bar-Sängerin, zeigt die Abgründe, in die so viele hier so leicht gestürzt sind.
Diese kollagenhafte Technik geht meistens gut, nur manchmal schießt die Autorin über das Ziel hinaus, dann wirken die formalen Spielereien irritierend, etwa bei der plötzlichen Ich-Perspektive des Kindes, die etwas zu experimentell daherkommt, verglichen mit dem sonst nüchternen Stil. Das Panorama, das Lien so zu malen beginnt, bringt sie dann aber gekonnt zurück auf die Kriminalhandlung: Alle Erzählstränge laufen irgendwann bei Ky zusammen, die längst nicht mehr nur den Geheimnissen ihres jüngeren Bruders auf der Spur ist, sondern sich auch den Gespenstern ihrer eigenen Vergangenheit stellen muss. MARIA WIESNER
Tracey Lien: "All die ungesagten Dinge". Roman.
Aus dem Englischen von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel. Piper Verlag, München 2023. 336 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Tracey Lien blickt in ihrem Debütroman auf Sydneys Drogenviertel
In Cabramatta gibt es zwei Arten von Toden: die guten und die schlechten. "Wenn eine Familie einen 'guten' Tod zu beklagen hatte, - einen, der alte Menschen traf, einen auf den jeder vorbereitet war -, kamen die Asiaten praktisch mit der ganzen Verwandtschaft und überreichten Umschläge voll mit Geld", weiß die Journalistin Ky Tran, die in diesem Stadtteil von Sydney aufgewachsen ist, in dem sich in den Achtzigerjahren vor allem Vietnamesen niederließen. Und sie weiß auch, dass der Tod ihres Bruders Denny kein guter war.
Niemand kommt zur Beerdigung, niemand bringt Umschläge vorbei. Nur drei Lehrer ihres Bruders stehen etwas verloren im Wohnzimmer der Familie Tran und stochern im Essen, das ihre Mutter die halbe Nacht lang gedämpft und gekocht hat. Das Schweigen im Raum rührt nicht von Trauer her, Ky muss schnell feststellen, dass sich niemand zum Tod ihres Bruders äußern will. Denny hatte seinen erfolgreichen Schulabschluss gefeiert, war dafür mit Freunden in ein Restaurant gefahren und kam dort zu Tode. Doch wie genau ist das geschehen - und warum eigentlich?
Die Eltern stehen unter Schock, der Vater zieht sich ins Jugendzimmer des toten Sohns zurück, die Mutter widmet sich dem Jenseits, bringt täglich im Buddha-Tempel Opfergaben für den Sohn dar. Und Ky will die Sache nicht auf sich beruhen lassen, auch wenn das einen Konflikt mit ihren Eltern heraufbeschwört.
Die Journalistin begibt sich selbst auf Spurensuche, immerhin ist sie hier aufgewachsen, kennt das Viertel und seine Bewohner, spricht ihre Sprache. Dass sie hier sofort wieder in die Rolle der Einwanderertochter zurückfällt, merkt sie schon beim ersten Besuch auf dem Polizeirevier. Sie will eine Auskunft über den Ermittlungsstand und findet sich als Übersetzerin für eine Vielzahl vietnamesischer Mütter und Tanten wieder, die verhaftete Minderjährige abholen wollen. Die Jungen habe man alle wegen Drogenbesitzes festgenommen, erklärt ihr ein Polizist und deutet dann an, dass man auch bei ihrem Bruder in eine ähnliche Richtung ermittle. Hatte er mit den Banden im Viertel zu tun? War er abhängig? Hatte er womöglich gedealt? Ky beginnt daran zu zweifeln, wie gut sie ihren Bruder wirklich kannte.
Cabramatta war über Jahre das Viertel mit der höchsten Kriminalitätsrate in Sydney. Banden lieferten sich Revierkämpfe, Menschen starben an einer Überdosis, Schüler ließen sich vom schnellen Geld gelockt von den Gangs anheuern. Der Stadtteil bot viele Gefahren und wenig Zukunftsperspektiven. Die gebürtige Australierin Tracey Lien legt ihr Romandebüt "All die ungesagten Dinge" nun genau in jenem Vorort Sydneys an, in dem sie selbst aufgewachsen ist. Sie schickt ihre Journalistenermittlerin Ky dabei durch alle Milieus, beleuchtet die asiatische Community aus unterschiedlichsten Blickwinkeln.
Dafür wechselt sie immer wieder die Erzählperspektive. Als roter Faden dienen ihr die Forschungen Kys, jedes zweite Kapitel aber nimmt eine weitere Person in den Blick. Mal schreibt so ein kleines vietnamesisches Mädchen aus der Ich-Perspektive über seine Schulerlebnisse, mal erinnert sich eine Lehrerin nach dem Treffen mit Ky daran zurück, wie sie die junge Frau als Heranwachsende erlebte, nämlich immer unter Erfolgsdruck, immer hart gegen sich selbst im Versuch, die perfekte Tochter zu sein. Ein anderes Kapitel folgt einer drogenabhängigen Bar-Sängerin, zeigt die Abgründe, in die so viele hier so leicht gestürzt sind.
Diese kollagenhafte Technik geht meistens gut, nur manchmal schießt die Autorin über das Ziel hinaus, dann wirken die formalen Spielereien irritierend, etwa bei der plötzlichen Ich-Perspektive des Kindes, die etwas zu experimentell daherkommt, verglichen mit dem sonst nüchternen Stil. Das Panorama, das Lien so zu malen beginnt, bringt sie dann aber gekonnt zurück auf die Kriminalhandlung: Alle Erzählstränge laufen irgendwann bei Ky zusammen, die längst nicht mehr nur den Geheimnissen ihres jüngeren Bruders auf der Spur ist, sondern sich auch den Gespenstern ihrer eigenen Vergangenheit stellen muss. MARIA WIESNER
Tracey Lien: "All die ungesagten Dinge". Roman.
Aus dem Englischen von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel. Piper Verlag, München 2023. 336 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main