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Ein junger Journalist versucht inmitten der Unruhen um den Istanbuler Gezi-Park die Erwartungen seiner Mutter abzuschütteln, die nach dem Mauerfall 1989 das Reisefieber gepackt hat. Ein Wanderer geht während eines Schneesturms in den uralten verwunschenen Wäldern des Engadin verloren. Ein kleines Mädchen wird zum nächsten Venusdurchgang von der Großmutter ans Ende der Welt geflogen. Wohin ihre Spuren führen, ist eines der vielen Rätsel dieser Geschichten. Ulrike Almut Sandig beschreibt mit ihrer farbigen und poetischen Sprache nur scheinbar vergangene Orte. In Wirklichkeit leben sie in den…mehr

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Produktbeschreibung
Ein junger Journalist versucht inmitten der Unruhen um den Istanbuler Gezi-Park die Erwartungen seiner Mutter abzuschütteln, die nach dem Mauerfall 1989 das Reisefieber gepackt hat. Ein Wanderer geht während eines Schneesturms in den uralten verwunschenen Wäldern des Engadin verloren. Ein kleines Mädchen wird zum nächsten Venusdurchgang von der Großmutter ans Ende der Welt geflogen. Wohin ihre Spuren führen, ist eines der vielen Rätsel dieser Geschichten. Ulrike Almut Sandig beschreibt mit ihrer farbigen und poetischen Sprache nur scheinbar vergangene Orte. In Wirklichkeit leben sie in den Biografien der Älteren und den Lebensentwürfen der jungen Generation fort. Beziehungen werden von den Stürmen der Geschichte durchweht und trügerische Gewissheiten geraten ins Wanken. In ihrem neuen Buch bietet Ulrike Almut Sandig den Zauber des Erzählens gegen das Verschwinden ganzer Welten aus dem Bewusstsein auf.

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Autorenporträt
Ulrike Almut Sandig, 1979 geboren, aufgewachsen bei Riesa, lebt in Leipzig und Berlin. Bisher erschienen drei Gedichtbände, Hörbücher und Hörspiele sowie ihre erste Prosaveröffentlichung FLAMINGOS (2010). Ihre Gedichte wurden vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem "Leonce-und-Lena-Preis" 2009. Für FLAMINGOS erhielt sie zahlreiche Stipendien und Preise, darunter den "Droste-Förderpreis" der Stadt Meersburg (2012). Zuletzt wurde Ulrike Almut Sandig 2014 mit dem Arbeitsstipendium des Berliner Senats ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Anja Hirsch empfiehlt den neuen Prosaband von Ulrike Almut Sandig wegen seines lyrischen Potenzials, den kleinen Rätseln in ihnen, vor allem aber wegen der unbeschönigten Darstellung des Verschwindens und Vermissens. Doch zuerst müssen Bindungen beschrieben werden, erklärt Hirsch den Aufbau der untereinander thematisch korrespondierenden Geschichten, dann kommt der Verlust. Sandigs "weiche", verdichtende Sprache scheint Hirsch gut geeignet diesen Vorgang einzufangen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2016

Der Mergel unter unseren Füßen
Im Sturm verloren: Die Geschichten der Lyrikerin Ulrike Almut Sandig

Schriftsteller haben ihren eigenen Abwehrzauber gegen das Verschwinden von Menschen und Dingen: Sie erzählen darüber, und die Toten, die Verlorenen, die Vergessenen sind wieder da, jedenfalls für einen Moment in unserer Vorstellung. Die mit drei Lyrikbänden bekannt gewordene, 1979 geborene Ulrike Almut Sandig legt jetzt als zweite Prosaarbeit ein solches "Buch gegen das Verschwinden" vor.

Der Tod erhält in diesen Geschichten auf widersprüchliche Art eine Kontur. Es fängt damit an, dass eine gewisse Erika nicht einfach stirbt, sondern "verschwimmt", wie ihr Mann erzählt: "Sie wurde von den Rändern her durchsichtig", und man weiß wirklich nicht, ob das an seinen schlechter werdenden Augen liegt oder an Erikas Wenigerwerden.

Sandig zieht einen hinein in diesen Strudel des Vermissens. Und wenn sie dann als Ritual dieses Paares schildert, wie der Mann seiner Erika abends im Bett die Bodenschichten unter dem Haus beschrieb und dabei manchmal statt vom "Auelehm" vom "Geschiebelehm" oder vom "Geschiebemergel" sprach, erkennt man die wortbegeisterte Lyrikerin. Sie fängt sich aber schnell und lässt die Gedanken dieses Mannes weiter auf uns einwirken, bis wir ihn selbst fast verschwinden sehen.

Manchmal geht ein Ruck durch diese ansonsten eher ruhigen Geschichten. In der Eröffnungserzählung über den ersten gemeinsamen Ausflug eines Vaters mit seinem kleinen Sohn sowie der neuen Freundin des Vaters kommt es zu einer unschönen Szene: Die Freundin ohrfeigt den Partner, und dessen Sohn sieht es vom Strand. Da reißt uns die Erzählerin abrupt aus der Szene heraus und ruft: "Aber muss es so aufhören? Wenn wir schon im wirklichen Leben nichts wiedergutmachen können, warum dann nicht in den Geschichten, die wir uns später erzählen?"

Doch Erika, die Frau aus der Geschichte "Weit unter uns die flüssigen Felsen", bleibt trotzdem tot, und wir sehen, wie der Mann zum Friedhof geht und im Haus zunehmend vereinsamt, und die Erzählerin beschönigt nichts. Sie stößt mit ihren Sätzen höchstens mal das eine oder andere Hilfreiche an; ein Gespräch mit den Rot-Kreuz-Helfern oder dem Buchhändler, der dem täglichen Besucher "selbst gemachte" Bücher zusteckt, solche, die der Mann dann dreimal liest, obwohl er sie gar nicht versteht. Der Buchhändler verheißt dem Witwer auch, dass er sicher bald in der Gegenwart ankommen werde, weil er sich doch schon für die Erdzeitalter begeistere, und der Mann stimmt zu: "Auf seine Weise hatte er recht. Kam ich nicht langsam an der Oberfläche der Erde zum Vorschein?"

Sandigs Prosa gegen das Verschwinden erzählt in unterschiedlichen Tonfällen von Bindungen. Das ist kein Widerspruch, sondern vielmehr der Grund, warum das Verschwinden dann schmerzt. Ein Schweizer, eben noch Wanderbegleiter, geht im Sturm verloren. Ganze Dörfer samt Kirche verschwinden wegen der Braunkohle. Ein Mann verschwindet in seiner Krankheit, und die Familie wendet sich ab. Doch nirgendwo findet sich eine Spur Pathos oder Selbstmitleid. Sparsam setzt Sandig die Gegenstände des neuen Lebens ins Licht, die Krücken, den Rollator. So dezent, dass man sich selbst zusammenreimen muss, dass es bergab, nicht bergauf geht.

Als Chronisten schleichender Veränderungen schaffen diese Erzähler ein Textgewebe, das stark genug ist, das Flüchtige zu tragen. Untereinander pflegen die sechs Geschichten thematische Korrespondenzen, etwa, wenn eine Geschichte in Erwartung von Geburtstagsgästen endet und die Ich-Erzählerin der nächsten auf die Geburtstagsgeschichte des Bruders wartet - der vielleicht der Reporter aus der dritten Geschichte ist, aber mit anderem Schwerpunkt. Schön auch die kleinen, ungelösten Rätsel, die man zwischendurch vergisst, an die man aber am Ende wieder denkt. Wie an den Vorfall in einer kalten, dunklen, wolkenlosen Nacht. Irgendwas war da mit Erika passiert. Aber dem Mann fehlen die Worte: "Ein anderer als ich, in einer Sprache, die ich nicht kann, soll das beschreiben."

Sandigs scheinbar stolperlose, bildhafte, weiche Sprache kennt Sätze, die alles verdichten und verändern. Sie geht mit ganz eigenwilligen Kunstwaffen gegen das Verschwinden an. Oder nimmt sie es nicht vielmehr hin? Bei besonders schwierigen Fällen benutzt sie beharrlich die Anrede "du", wie in "Die blauen Augen deiner Mutter": Ein Journalist soll eine Reportage über die Demonstrationen im Gezi-Park schreiben und geht deshalb nicht ans Telefon: Es könnte seine Mutter sein, die sich dennoch in sein Leben schleicht, in Ausdrücken, die sie benutzt, und Erinnerungsbildern. Die Mütter und Väter verschwinden nie. Doch man könnte sie ins Gebet nehmen.

ANJA HIRSCH

Ulrike Almut Sandig: "Buch gegen das Verschwinden". Geschichten. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2015. 205 S., geb., 18,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Die Idee des Bandes entfaltet sich mit aller Kraft: Indem die Autorin vom Entgleiten schreibt, gibt sie ihm zugleich wieder einen Platz.«Björn Hayer, Der Tagesspiegel»Ja, zum Schwindeligwerden ist dieses auf gegenwärtige Weise romantische Buch voller unlösbarer Rätsel, und gerade das macht es so schön.«Ina Hartwig, Süddeutsche Zeitung»Die sechs Erzählungen (...) lesen sich, als könnten sie nur auf diese Weise erzählt werden.«Gabi Rüth, WDR5, Scala»Sorgfältig gebaute Prosatexte. Glashart.«tip Berlin»In lyrisch verdichteter Sprache, mit gelegentlichen Anflügen trockenen Humors entwirft Sandig rätselhafte Welten, bietet neue Sichtweisen.«Thomas Klingebiel, Neue Westfälische»Dieser Erzählband hält warm, obwohl es in manchen der Geschichten bitterkalt zugeht.«HR2 Buch der Woche»Die Sprache folgt mit erstaunlicher Leichtigkeit einer eigenen Melodie. Poetische Bilder vermitteln die besondere Atmosphäre der Texte.«Karin Großmann, Sächsische Zeitung»Das Thema Demenz wird hier mit so vielWürde, Romantik und Erhabenheit behandelt, wie es selten gelungen ist.«Michael Kraft, Shitesite»Dass bei ihren Figuren die Wahrnehmung zu verschwimmen scheint, sorgt für einen ganz eigenen Reiz, der den Leser unweigerlich in den Bann dieser Geschichten zieht (...).«Kai Agthe, Mitteldeutsche Zeitung»Phantasie und Realität verzahnen sich außerordentlich kunstvoll, die Grenze dazwischen ist weder unverrückbar noch ein Ding von Dauer und verläuft oft außerhalb der Wahrnehmung.«Ingrid Mylo, Badische Zeitung»Hier begegnen Wunsch und Wirklichkeit einander im Möglichen - einem Ort des Verschwindens. Oder des Erkennens.«Janine Fleischer, Leipziger Volkszeitung»Die Figuren (...) sind die Erzähler ihrer eigenen Geschichte, haben so eine zweite Chance. Wo, wenn nicht in der Literatur, lässt sich das Leben umschreiben.«Märkische Allgemeine Zeitung»Das Besondere ist Sandigs Umgang mit dem Erzählen und zugleich mit dem Thema Verschwinden: Sie behandelt ihre Literatur wie eine literarische Versuchsanordnung (...).«Michael Hametner, MDR figaro»Das Buch gegen das Verschwinden zeigt, wie Sprache vor Einsamkeit und Verlorensein schützt. Dann jedenfalls, wenn man so erzählen kann wie Ulrike Almut Sandig.«Christoph Schröder, Zeit online»Ihre bildhafte, weiche Sprache kennt Sätze, die alles verdichten und verändern.«Anja Hirsch, Stuttgarter Zeitung»Das perfekte Buch für den Moment.«Lydia Herms, DRadio Wissen…mehr