"Falsche Papiere" hat die junge mexikanische Autorin Valeria Luiselli ihre erzählerischen Essays genannt, eine persönliche, originelle, spielerische Welterkundung. Das alltägliche Leben, das diese Stadtnomadin mit uns durchstreift, ist bevölkert von den Geistern der Literaturgeschichte, von ihren speziellen literarischen Hausgeistern, und so wird das Flanieren mit Luiselli zu einem großen intellektuellen und sprachlichen Vergnügen. Das versteckte Grab Brodskys in Venedig, die so unbestimmbare wie schwer fassbare portugiesische saudade, der Horror der kleinen Landkarten auf den Monitoren bei Transatlantikflügen, wenn man das Bild des Flugzeugs, in dem man sitzt, auf der blauen Leere des abgebildeten Ozeans Millimeter für Millimeter vorrücken sieht, das Einräumen von Büchern nach einem Umzug oder die Begegnungen mit alten Damen, einem Museumswärter, Sicherheitsbeamten aus seltsamen Alltagserlebnissen schafft Valeria Luiselli einen Kosmos, in dem die Literatur so gegenwärtig ist wieunsere Lebensverhältnisse, unsere Herkunft und die Zukunft.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Volker Breidecker sieht sich mit dem bereits 2010 im Original erschienenen Prosaband von Valeria Luiselli einer Literatur-Jukebox gegenüber, mit der die mexikanische Autorin ihren "Hausgöttern" eine Stimme gibt. Es sind quasi "Coverversionen" unschlagbarer Hits von Benjamin, Kracauer oder Borges, die hier in neuer Leichtigkeit zu Gehör gebracht werden, wie der Rezensent feststellt. Wenn er sich auch von der Belesenheit der Autorin in Literatur und Literaturwissenschaft beeindruckt zeigt, findet er die daraus resultierenden Erkenntnisse, etwa, wenn Luiselli mit Baudelaire im Gepäck durch ihre Heimatstadt flaniert, nicht immer der Mühe wert. Und ein bisschen gehen ihm die mit Literatur beladenen und durchaus "altklugen" Bemerkungen auf die Nerven, auch wenn sie sich stets auf "Diskurshöhe" bewegen, wie Breidecker einräumt. Er weiß die Klugheit und die Sprachgewandtheit der Autorin durchaus zu schätzen, findet aber alles in allem diese Prosaminiaturen überfrachtet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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