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»Was ich brauche, was ich so dringend brauche, ist das Gefühl, daß es bei all diesem Hin und Her einen Ausgangspunkt gibt, der, wenn er auch nie wieder erreicht werden kann, dennoch bestehen bleibt - ein solcher Ausgangspunkt wären meine Gedichte, wenn ich sie in Sicherheit wüßte, sauber abgedruckt und gebunden.« An Diet Kloos, 6. 9. 1949
1952 erschien bei der Deutschen Verlags-Anstalt Paul Celans Gedichtband Mohn und Gedächtnis: vier Zyklen aus 56 Gedichten. In diesen Gedichten zog Paul Celan die Summe seines bis dahin entstandenen Werks, zugleich eine Lebenssumme: Auf dem bitteren Weg von
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Produktbeschreibung
»Was ich brauche, was ich so dringend brauche, ist das Gefühl, daß es bei all diesem Hin und Her einen Ausgangspunkt gibt, der, wenn er auch nie wieder erreicht werden kann, dennoch bestehen bleibt - ein solcher Ausgangspunkt wären meine Gedichte, wenn ich sie in Sicherheit wüßte, sauber abgedruckt und gebunden.« An Diet Kloos, 6. 9. 1949

1952 erschien bei der Deutschen Verlags-Anstalt Paul Celans Gedichtband Mohn und Gedächtnis: vier Zyklen aus 56 Gedichten. In diesen Gedichten zog Paul Celan die Summe seines bis dahin entstandenen Werks, zugleich eine Lebenssumme: Auf dem bitteren Weg von Verfolgung und Exil hatte er über die Stationen Bukarest und Wien schließlich Paris erreicht. Mohn und Gedächtnis erfüllte für Celan endlich jenen quälenden Wunsch seines Briefes an Diet Kloos vom 6.September 1949 nach einem Buch als »Ausgangspunkt« seiner künftigen Existenz. Mit Mohn und Gedächtnis drang Celan erstmals ins Bewußtsein der literarisch interessierten öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland. Vorausgegangen war dem zwar bereits 1948 die in Wien erschienene Gedichtsammlung Der Sand aus den Urnen, doch ließ Celan die Restbestände dieses von Druckfehlern entstellten und praktisch wirkungslosen Buches 1951 makulieren. Einen großen Teil der Gedichte von Der Sand aus den Urnen hat er in Mohn und Gedächtnis übernommen. Die enge Beziehung beider Bücher wird daher auch editorisch dargestellt.

Die Bonner Ausgabe ist die umfassende, maßgebliche Ausgabe der Werke Paul Celans. Sie dokumentiert vollständig die Entstehung der Texte. Dies geschieht in genauester Beschreibung der überlieferungsträger und in der genetischen Darstellung der einzelnen Textschichten.
Autorenporträt
Celan, PaulPaul Celan wurde am 23. November 1920 als Paul Antschel als einziger Sohn deutschsprachiger, jüdischer Eltern im damals rumänischen Czernowitz geboren. Nach dem Abitur 1938 begann er ein Medizinstudium in Tours/Frankreich, kehrte jedoch ein Jahr später nach Rumänien, zurück, um dort Romanistik zu studieren. 1942 wurden Celans Eltern deportiert. Im Herbst desselben Jahres starb sein Vater in einem Lager an Typhus, seine Mutter wurde erschossen. Von 1942 bis 1944 musste Celan in verschiedenen rumänischen Arbeitslagern Zwangsarbeit leisten. Von 1945 bis 1947 arbeitete er als Lektor und Übersetzer in Bukarest, erste Gedichte wurden publiziert. Im Juli 1948 zog er nach Paris, wo er bis zu seinem Tod lebte. Im selben Jahr begegnete Celan Ingeborg Bachmann. Dass Ingeborg Bachmann und Paul Celan Ende der vierziger Jahre und Anfang der fünfziger Jahre ein Liebesverhältnis verband, das im Oktober 1957 bis Mai 1958 wieder aufgenommen wurde, wird durch den posthum veröffentlichten

Briefwechsel Herzzeit zwischen den beiden bestätigt. Im November 1951 lernte Celan in Paris die Künstlerin Gisèle de Lestrange kennen, die er ein Jahr später heiratete. 1955 kam ihr gemeinsamer Sohn Eric zur Welt. Im Frühjahr 1970 nahm sich Celan in der Seine das Leben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.2003

Ist mein Kuß Falter oder Fackel?
Die frühen Gedichtbände Paul Celans in der Bonner Ausgabe

Wenige Werke europäischer Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts erfahren die Aufmerksamkeit, die Paul Celans Werk zuteil wird. Unüberschaubare Mengen an Interpretationen gehen einher mit inzwischen zwei Leseausgaben und zwei noch nicht abgeschlossenen kritischen Ausgaben, der Bonner historisch-kritischen Celan-Ausgabe (BCA) und der Tübinger Celan-Ausgabe (TCA). Die Bonner Ausgabe, in der bereits der größere Teil der Gedichte Celans ediert ist, hat nun den Band mit "Der Sand aus den Urnen" und "Mohn und Gedächtnis" herausgebracht, es stehen im Rahmen dieses großangelegten Editionsprojekts noch das Frühwerk, die Sammlung "Von Schwelle zu Schwelle", die nachgelassenen Gedichte und die Prosa Celans aus.

Wer sich mit dieser von Beda Allemann begründeten und von Rolf Bücher, Axel Gellhaus, Andreas Lohr und Holger Gehle weitergeführten Ausgabe befaßt hat, kennt Vorzüge und Eigenheiten bereits. Das Ziel der Herausgeber, in philologisch-kritischer und historisch-genetischer Darstellung den Textbestand von Celans Werk zu erfassen, wird durch die Darstellung des Entstehungsprozesses eines Textes in der chronologischen Zuordnung der einzelnen auf den Textzeugen dokumentierten Entwicklungsstufen angestrebt.

Jedem Textband ist ein Apparatband mit den einzelnen Textstufen zugeordnet, der lästiges Blättern erspart. Hat man die editorischen Zeichen und Abkürzungen parat, das spezifische Editionsverfahren der Ausgabe nachvollzogen, bei dem die Textstufen rückwärts gezählt werden, die Druckfassung also immer die Sigle 1 trägt, und die Darstellungsweise der Textzeugen, die entweder integral ist, Abweichungen verzeichnet oder synoptisch mehrere Textstufen berücksichtigt, zu lesen gelernt, so steht einem produktiven Umgang mit der auf hochwertigem Papier gedruckten, zeitlos schönen und schlicht-nüchternen Ausgabe nichts mehr im Wege.

Die Mühen, an diesen Punkt vorzudringen, sind allerdings beträchtlich, wenn auch nicht unüberwindlich, und ermöglichen einen objektiveren Blick, als das bei der Tübinger Ausgabe der Fall ist, die zwar durch Abdruck ausgewählter Textstufen auf Doppelseiten nebeneinander an Übersichtlichkeit gewinnt, aber durch den Verzicht auf den Abdruck aller Stufen das von der Bonner Ausgabe angestrebte Maß an Objektivität nicht für sich beanspruchen kann.

Der Verzicht der Herausgeber auf Kommentare, die erst nach Abschluß der gesamten Textedition in gesonderten Bänden erscheinen sollen, wirkt vor dem Anschwellen der biographisch-positivistischen Celan-Exegese wohltuend und korrespondiert mit Celans poetologischer Absicht, biographische Spuren und konkrete Bezüge aus seinem Werk zu tilgen und ein Gedicht als ein Sprachgebilde zu begreifen, das, wie in seiner Büchnerpreis-Rede "Der Meridian" ausgeführt, "ins Offene, Leere und Freie" weist.

Die Probleme, mit denen Benutzer der Bonner Ausgabe konfrontiert sind, lassen sich nicht auf die spröde Methodik der Bonner Ausgabe zurückführen, sie sind in Celans Arbeitsweise selbst begründet. Der Autor hatte zwar in den frühen fünfziger Jahren begonnen, die jeweiligen Zeugen zu seinen Gedichten in Mappen zu ordnen und die Stufen auszuscheiden, die vor dem liegen, was Celan als "qualitativen Wechsel" bezeichnet hat, den Moment, in dem das Wort zu einem Wort des Gedichts wird. So finden sich in den Konvoluten kaum Notizen, Wortlisten oder in losem Zusammenhang stehendes Material, das Feld des zu edierenden Textbestands wurde vom Autor selbst weitgehend abgesteckt.

Schwierigkeiten ergeben sich bei dem Versuch, eine textgenetische Editionskonzeption zu verfolgen, in der die chronologische Zuordnung der auf einzelnen Textzeugen dokumentierten Entwicklungsstufen dargestellt wird. Häufig hat Celan alternative Versionen nebeneinander erwogen, häufig hat er bestimmte Formulierungen nachträglich auf frühere Textstufen rückübertragen. Diese nichtlineare Arbeitsweise in eine lineare Edition zu übersetzen und den textgenetischen Prozeß so abzubilden, wie er vonstatten gegangen sein könnte, bleibt ein Ideal, an das sich anzunähern die Herausgeber in dem Wissen versuchen, daß dessen Erreichen Desiderat bleiben muß. Dem Benutzer wird demnach im Editionsbericht nahegelegt, die vorgenommene Anordnung der Textzeugen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls umzustellen und das Nichtlineare des Schreibprozesses auch auf den Lesevorgang zu übertragen.

"Der Sand aus den Urnen" und "Mohn und Gedächtnis" sind Gedichtsammlungen, bei denen die Entstehung der Gedichte bis in die frühen vierziger Jahre zurückreicht. Die Ausgangslage der Editoren war hier weniger eindeutig als bei den von Celan eigenhändig geordneten Materialkonvoluten der Bände mit späterem Erscheinungsdatum. Bereits in Bukarest hatte Celan eine Gedichtsammlung mit dem Titel "Der Sand aus den Urnen" zusammengestellt, die jedoch erheblich von der Fassung abweicht, die 1948 nach zähem Ringen, Wechsel des Verlages und unter erheblichen Vorauszahlungen in einer Auflage von 500 Stück im Wiener Verlag A. Sexl erschien. Der Autor, der zum Zeitpunkt des Erscheinens bereits nach Paris weitergezogen war, hatte keine Satzkorrekturen mehr vornehmen können. So erschien der Band mit mindestens 17 Druckfehlern und wurde denn auch von Celan telegraphisch aus dem Handel zurückgezogen. Die Schlußabrechnung von 1952 weist neun in den Handel gelangte Bände aus, das Debüt ging unter und bedeutete im entschiedenen Beharren auf den angemessenen Umgang mit der eigenen Lyrik eine herbe Enttäuschung für den Autor, der als Staaten-, Arbeits- und Mittelloser auf öffentliche Resonanz gehofft hatte.

Daß die Enttäuschung nicht auf den Inhalt des Bandes, sondern weit mehr auf den läßlichen Umgang durch den Verlag zurückzuführen ist, wird daraus ersichtlich, daß 26 Gedichte in die 1952 von der Deutschen Verlagsanstalt herausgegebene Edition von "Mohn und Gedächtnis" unter dem Zyklustitel "Der Sand aus den Urnen" von Celan in unveränderter Reihenfolge übernommen wurden. Diese in beiden Gedichtsammlungen aufgenommenen 26 Gedichte werden denn auch von der Bonner Ausgabe zweimal ediert. Dagegen gibt es für jedes Gedicht, sicherlich zweckmäßig, nur einen Apparat.

Bei beiden Sammlungen konnte zur Herstellung des edierten Textes nicht auf eine autorisierte Satzfassung zurückgegriffen werden, im Fall von "Der Sand aus den Urnen" basiert die Edition auf dem nicht völlig konsequent korrigierten Wiener Handexemplar Celans von 1948 und wertet die vor der ersten Ausgabe entstandenen, überlieferten Textkonvolute aus, die heute an verschiedenen Standorten von Bukarest über Bern bis Paris archiviert sind. Auch bei der Sammlung "Mohn und Gedächtnis" ziehen die Herausgeber Celans Handexemplar der ersten Auflage heran.

Legt man den konstituierten Textband der Bonner Ausgabe neben die Leseausgabe von Allemann und beginnt, nach Abweichungen der Druckfassungen in beiden Ausgaben zu suchen, finden sich beim ersten Hinsehen scheinbar unbedeutende Abweichungen. Die Notierung von Umlauten variiert bei einigen Gedichten, die ersichtlichen Änderungen im konstituierten Text der Bonner Ausgabe betreffen zwei veränderte Widmungen, zum einen die des Gedichts "Der Pfeil der Artemis" für den Maler Edgar Jené hin zu Celans Bukowiner Mentor Alfred Margul-Sperber und die Notation der Widmung "Für Edgar Jené" in der Bonner Ausgabe bei dem Gedicht "Erinnerung an Frankreich". Daneben sind zahlreiche Veränderungen in der Interpunktion im Vergleich der Textbände auszumachen.

Dies mag zunächst nach geringem Ertrag bei großem Aufwand aussehen, ist aber im Fall Celan, in dessen Werk der Interpunktion hohe Bedeutung beizumessen ist, für die Interpretation relevant, worauf die Herausgeber denn auch in ihrem Vorwort verweisen, wenn sie vom "Experimental-Charakter der Zeichensetzung" in Celans Werk sprechen. Deutlicher werden die Erträge der Ausgabe beim Gang durch die Apparate zu einzelnen Gedichten. Wenn sich etwa in dem Gedicht "Nachts ist dein Leib" Verszeilen in frühen Textstufen aus "Nachts ist dein Leib von Gottes Fieber braun. / Mein Kuß ein Falter, über Tag gefangen" durch Korrekturen Celans zunächst in die Variante "Nachts ist dein Leib von Fieber braun. / Mein Kuß die Fackel über deinen Wangen" bis hin zur Druckfassung "NACHTS ist dein Leib von Gottes Fieber braun: / mein Mund schwingt Fackeln über deinen Wangen" verändern, werden Sinnverschiebungen im Entstehungsprozeß der Gedichte augenfällig, bekommt letztlich auch die Druckfassung eine neue Qualität.

Kritisch ediert liegen mit dem neuen Band der Bonner Celan-Ausgabe nun auch die Textstufen der "Todesfuge", Celans bekanntestem Gedicht, vor. Welche Schlüsse die Interpreten auch ziehen werden, sie kommen nicht vorbei an dem Umgang mit der Materialfülle dieses editorischen Großprojektes, dem zu wünschen bleibt, daß es kritische Beachtung findet und zukünftigen Celan-Deutungen eben jene Ernsthaftigkeit verleiht, die in dem beharrlichen Ringen des Autors um die eigene poetische Sprache sichtbar wird - und die auch die Herausgeber der Bonner Celan-Ausgabe an den Tag legen.

BEATE TRÖGER

Paul Celan: "Der Sand aus den Urnen. Mohn und Gedächtnis". Historisch-kritische Ausgabe. 2.-3. Band. 1. Teil: Text. 2. Teil: Apparat. Herausgegeben von Axel Gellhaus unter Mitarbeit von Holger Gehle und Andreas Lohr in Verbindung mit Rolf Bücher. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 600 S., geb., 98,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der vorliegende zweiteilige Band mit frühen Gedichten Celans ist der Bonner Celan-Ausgabe (kurz BCA) zuzuordnen, schafft Beate Tröger Übersicht im Dschungel der Celan-Ausgaben, der neben zwei Leseausgaben außerdem zwei nicht abgeschlossene kritische Ausgaben beherbergt, nämlich die Tübinger und die Bonner Celan-Ausgabe. Letztere ist die aufwändigste, stellt sie fest: ein Diktum, das für die Herausgeber wie für die Leser gilt. Die Vorgehensweise der Bonner Herausgeber ist nämlich sowohl philologisch-kritisch, als auch historisch-genetisch, d.h. die verschiedenen Entwicklungsstufen der Gedichte werden chronologisch dokumentiert. Das alles sei kompliziert, aber zu bewältigen, erklärt Tröger. Das Problem sieht sie eher in Celans Arbeitsweise selbst begründet, der sich mit seiner nichtlinearen Arbeitsweise einer linearen Edition widersetzt. Dennoch ist die Bonner Ausgabe die gründlichste, befindet die Rezensentin, weil sie alle Textfassungen (auch die nicht autorisierten wie im Fall der Erstausgaben von "Der Sand aus den Urnen") berücksichtige. Tröger hat die verschiedenen Editionen verglichen. Ihr sind kleine Abweichungen bei den Umlauten und in der Interpunktion aufgefallen; das sind einerseits minimale Unterschiede, stellt sie klar, andererseits käme der Interpunktion bei Celan große Bedeutung und ein experimenteller Charakter zu. Nur so würden Sinnverschiebungen im Entstehungsporozess sichtbar, und auch die berühmte "Todesfuge" sei nun in allen Textstufen nachzulesen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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