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Produktdetails
Trackliste
CD
1Poinciana00:03:12
2Take Me In Your Arms00:02:49
3Moonlight In Vermont00:03:38
4In The Still Of The Night00:02:49
5Out Of Nowhere00:02:19
6Someday Sweetheart00:02:17
7Flamingo00:02:36
8I'm In The Market For You00:02:49
9Alone Together00:02:17
10Nocturne For The Blues00:03:27
11Where Or When00:03:11
12When You Walked Out00:02:40
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2003

Bitte anschnallen, die Herren
Es war irgendwann, mein süßes Herz: Caterina Valentes Jazzbegegnung mit dem Sy-Oliver-Orchester

Im September 1957 warteten in New York die Musiker der Band von Sy Oliver auf Caterina Valente. Daß keine Walküre das Studio stürmen würde, wußten sie seit 1955. Da hatte die in Amerika bis dahin unbekannte Sängerin mit den stimmgewaltigen deutschen Produktionen "Malaguena" und "The Breeze And I" Platz eins der amerikanischen Hitparade belegt und war für einen Fernsehauftritt "coast to coast" gebucht worden. Die Verblüffung, als eine grazile Dunkle statt einem wagnerianischen Blondschopf eintraf, war zu Fassungslosigkeit geworden, nachdem das Fräulein mit dem italienischen Namen außer seinen Hits souverän einige Jazztitel vorgetragen hatte. Sie mündeten 1957 in ein Engagement im Jazzsalon des New Yorker Hotels Pierre - und in den Vertrag für ein Album mit der Sy-Oliver-Band.

Was Sy Olivers Musiker, unter ihnen Größen wie Charlie Shavers, Jay Jay Johnson und Hank Jones, sahen, als die Valente ihnen gegenüberstand, zeigt das Cover der Wiederveröffentlichung ihrer damals "Plenty Valente" betitelten Platte: eine junge Frau, halb "Kraut"mit Handtasche, halb Signorina mit Pferdeschwanz. Die Band lernte rasch, daß die Debütantin über Wagemut verfügte: Kein Orchesterplayback, alle Nummern wurden live und ohne lange Proben produziert.

"Fasten your seatbelts, this lady is swinging", soll Oliver gesagt haben, als er den Taktstock hob. Dasselbe ist heutigen Hörern zu raten. Denn wer die inzwischen wieder geschätzte tändelnde Leichtigkeit des femininen "New Look" erwartet, der in jenen Jahren die Aufnahmen der Fitzgerald, aber auch einer Peggy Lee, Dinah Washington oder Doris Day dominierte, dem wird der Schreck durch alle Glieder fahren. Statt Schmelz sang die Valente Stahl. Mit jeder Menge Blech, mit Pauken und Trompeten, Trommeln, Fanfaren und Crescendi stürmen alle Songs los, als wären sie für Frank Sinatra oder Tony Bennett arrangiert. Sy Oliver wußte, was er tat, als er derart maskuline agressive Arrangements notierte: Mit Vokalakrobatik, unglaublich langem Atem und fordernder Intonation schuf die Valente ihren eigenen Stil - und mied damit klug den direkten Vergleich mit den Konkurrentinnen.

Zwölf Titel als ein einziger, Aufmerksamkeit erzwingender Sturmangriff auf Gehör und Gemüt; man kann diese CD keine Minute nebenbei hören. Suessdorfs "Moonlight in Vermont" - da ist nichts von sommerlichem Nachtduft oder molliger Winterstimmung, sondern metallische Romantik, so kalt glitzernd, wie wohl Edward Hopper einen Vollmond über den Schneehügeln Neuenglands gemalt hätte. In "Someday Sweetheart" jammert keine Verlassene, daß der Geliebte es eines Tages bereuen werde, sondern eine Art verjüngter Anna Magnani droht, mit den gleichen Waffen zurückzuschlagen. Das halsbrecherisch Oktaven türmende "Nocturne For The Blues" von Hagen und Robin treibt die Stimme an die Schall- und das Gehör an die Schmerzgrenze; man assoziiert Maria Callas, die damals ihr Organ ebenfalls mit eisernem Willen über das Menschenmögliche hinauszwang. "Take Me In Your Arms" - nicht Bitte, sondern verzweifeltes Kommando. Und wenn Caterina Valente das damals schon uralte "Flamingo" anstimmt, wird aus dem rosa Schmachtgefieder das blitzende Aluminium einer Boeing mit Ziel New York-Idlewild. Man versteht, warum Ella Fitzgerald, die demselben Lied weiche Schwingen gegeben hatte, die Sängerin öffentlich als ihre einzige ernstzunehmende Rivalin lobte.

Schließlich "When You Walked Out", in den späten Zwanzigern von Irving Berlin für Caterina Valentes Mutter Maria als sophisticated comedy komponiert. Statt Understatement sang die Tochter den Untergang des Mannes. So viel auftrumpfende Gleichgültigkeit als Rache am Liebhaber, der sich mit verdrucksten Ausreden davongemacht hat, konnte 1957 wohl nur eine Europäerin aufbringen, die Krieg und Wirtschaftswunder gelehrt hatten, was leeres Gockelgehabe heißt: "You left the door wide open - and somebody else walked in." Dazu lachen Trompeten und Saxophon hohn, während das Piano Breitseiten eines Attackenswing feuert.

Eine goldene Nase konnte man sich auch im Jazzland Amerika mit solchen Alben nicht verdienen. Erst recht nicht in der Bundesrepublik, wo die Valente gleich aus zwei Lagern angefeindet wurde: Die fundamentalistischen deutschen Jazzfans, die sie auf den legendären Frankfurter Jazzfestivals angebetet hatten, sahen ihre Schlagerkarriere als Todsünde; die Schlagergemeinde ahndete ihre Amerika-Reisen und Jazzintermezzi als Vaterlandsverrat. So blieb die Platte lediglich ein dauergültiges Entreebillett für die besten amerikanischen Jazzklubs, in denen die Valente fortan regelmäßig gastierte.

Was sie einst geleistet hat, ist nun erst richtig zu hören. Aus jazzgeschichtlicher Perspektive bezeugt die CD, daß Europa auch im Vokalbereich damals eigene Töne zu bieten hatte. Denn die Valente sang, was dank Albert Mangelsdorffs Posaune, Rolf Kühns Klarinette und Kurt Edelhagens "All Stars" als kontinentaler, fallweise sogar als deutscher Jazz weltweit beachtet wurde: mathematische Präzision, Leidenschaft als Wille und Vorstellung. Aber die Wonne, zuzuhören, wie da eine junge Sängerin sich und eine Band blasierter Virtuosen mitreißt in einen perfekt kalkulierten Hexenkessel der Synkopen und Gefühle, diese Wonne ist zeitlos.

DIETER BARTETZKO

Caterina Valente, In New York. Polydor/Universal 065 104-2

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